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Frage Nr. 35665 von 23.09.2022

Hallo, ich bin auf diese Seite gestossen. Ich m. 26 habe sehr viele Probleme. Ich bin ziemlich krank, hatte mehrere Operationen. Trotzdem geht es mir gesundheitlich nicht wirklich besser. Muss immer wieder zu Spitalterminen und war auch schon in der Klinik. Ich habe dauernd Schmerzen und die Medikamente helfen nicht mehr. Die Ärzte sagen, mehr könne man nicht tun und ich müsse eben lernen damit zu leben. Ich habe Cannabis verlangt, aber sie verweigern es mir. Mich behindert das bei der Arbeit, ich bin total unkonzentriert, kann wegen den Schmerzen nicht schlafen und komme manchmal bis zu einer Stunde zu spät. Habe auch schon eine Kündigung bekommen. War schon mehrmals arbeitslos und beim RAV. Zwischendurch habe ich auch minijobs gemacht, um meine Rechnungen zahlen zu können. Ich möchte arbeiten gehen und irgendetwas aus meinem Leben machen, aber ich schaffe es fast nicht mehr, weil es mir so schlecht geht. Zuhause ist es auch ganz schwierig. Ich hab sogar Morddrohungen bekommen von einer bestimmten Person und es gab mehrere Polizeieinsätze. Es gibt auch immer Reklamationen wegen Ruhestörung. Aber niemand in der Familie interessiert das, alle schauen weg. Auch die Polizei kann nicht wirklich etwas tun zur Deeskalation und es gibt immer wieder Vorfälle und Eskalationen. In meiner Familie hassen mich quasi alle und ich werde ignoriert. Vor allem meine Eltern setzen mich enorm unter Druck. Sie können auch nicht so gut damit umgehen, dass ich schwul bin. Ich habe es auch schon mit Psychotherapie versucht, aber geholfen hat es nicht gross. Da wurde mir gesagt, ich müsse versuchen, Stress zu reduzieren. Ja wie denn, wenn zuhause ständig die Polizei kommen muss und die Cheffin mich anschreit, wenn ich zu spät komme? Ich habe fast keine Freunde mehr, die sind sehr auf Abstand gegangen. Am Wochenende weiss ich oft gar nicht, wie ich mich sinnvoll beschäftigen soll, es hat ja niemand Zeit. Ich fühle mich so unglaublich einsam und alleine. Ich hab kaum noch etwas, das mir Freude macht und ich denke oft an Suizid, weil ich nicht mehr so weiterleben will. Ich brauche einfach Hilfe und weiss nicht wo ich sie bekomme. Ich bin von allem so gelangweilt und habe es satt.

Unsere Antwort

Es gibt Lebenssituationen, in denen man eigentlich gar keine Besserung erwarten kann. Das scheint bei dir gerade der Fall zu sein. Wenn du ständig Schmerzen hast, wirst du dich nicht konzentrieren können. Wenn zu Haus der Stress einfach da ist, wirst du allein den Stress nicht reduzieren können. Das ist eigentlich logisch. Wenn deine Chefin deine Lebenssituation nicht erfassen kann, wird sie deine mangelnde Leistung kritisieren. Das ist auch logisch. Grundsätzlich hast du also recht. Nun stellt sich die Frage, wie du an eine Gruppe von Helfer:innen kommst, die dich beim Ausstieg aus deiner jetzigen Lebenssituation, bei der Stressreduktion und der Verbesserung deiner Schmerzzustände unterstützen. Erste Kraft in dieser Gruppe bist natürlich du. Das ist dir sicher klar. Du musst dich auf die Suche nach Helfer:innen begeben. Auch wenn du jetzt denkst: „das mache ich doch schon die ganze Zeit,“ ändert das nichts daran, dass es deinen Einsatz braucht. Bisher versuchst du, mit unmöglichen Bedingungen fertig zu werden. In einem gewalttätigen Umfeld wird es nicht friedlich. Da hilft Wünschen nicht. Du musst da raus. Mit einem gewalttätigen Umfeld wird man allein nicht fertig. Man braucht Alliierte. In dem gewalttätigen Umfeld kann man Stress nicht reduzieren. Da muss man raus. Du merkst: Es braucht dich! Du darfst nicht aufgeben! Du schreibst, dass du in ärztlicher Behandlung bist. Auch stationäre und ambulante psychische Behandlungen kennst du. Bei der RAV kennst du dich aus. Über die erlebten Polizeieinsätze bist du sicher auch schon in Kontakt mit Opferhilfeberatungsstellen gekommen. Alle diese Stellen könnten Teil deines Helfer:innen-Netzes sein. Dazu könnten noch Sozialdienste im Spital, in einer Klinik oder in deiner Firma Hilfsangebote haben. Such mal unter den dir bekannten Professionellen nach einer vertrauenswürdigen Person. Wer hat schon mal für irgendeines deiner Anliegen Verständnis gezeigt? Mit wem könntest du weitere Schritte planen?

Wenn man andere als Helfer:innen motivieren möchte, lohnt es sich, neben dem eigenen Leiden auch die Änderungswünsche zu beschreiben. Helfer:innen werden ebenso ohnmächtig wie du, wenn sie hören: „Ich bin in einer fatalen Situation und habe schon alles probiert. Nichts hilft.“ Erfolgversprechender ist es, wenn du zwar selbst nicht weiter weisst, aber „unbedingt woanders wohnen“ möchtest. Oder wenn dein Schmerzbehandler erfährt, dass du total unter Stress stehst und darum seine Behandlung gar nicht wirken kann. Vielleicht denkt er dann zusammen mit dir darüber nach, wie du deine Situation ändern kannst, damit der Stress sich senken kann. Oder wenn deine Chefin deinen Stress verstehen kann. Vielleicht sucht sie dann zusammen mit dir einen Weg, statt dich mit ihrer Kritik noch mehr unter Stress zu setzen.

Du kennst die Hilfestellen bereits. Es geht mehr darum, dass du sie nutzt. Dein Psychotherapeut z. B. muss verstehen, dass Stress-Reduktions-Übungen nur nützen, wenn die Lebenssituation das zulässt. Wenn nicht, geht es darum, die Lebenssituation und ihre Änderungsmöglichkeiten zu besprechen und gleichzeitig Stress-Reduktion zu üben.

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