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Frage Nr. 35776 von 25.10.2022

Hi
Ich bin w20 und leide unter einer psychischen Erkrankung, welche ich momentan aber gut im Griff habe. Das Problem was ich damit habe ist aber, dass viele andere ein Problem damit haben. Lerne ich neue Leute kennen und es kommt irgendwann zum Punkt wo ich mich sozusagen "oute" weil ich nicht gerne Lügen erfinde, finden das die meisten Leute komisch und gehen auf Distanz. Das macht mich unglaublich traurig. Schliesslich hab ich mir diese Krankheit ja auch nicht selbstausgesucht. Ausserdem sind wir alle ganz normale Menschen, ich kenne so viele weitere Betroffene. Ich dachte immer, die Gesellschaft sei schon recht fortgeschritten, was das angeht aber jetzt wo ich selbst betroffen bin, merke ich, dass es noch längst!! nicht so ist, schaade eigentlich.

Wie kommt das, dass Menschen sich ändern, sobald sie das von mir wissen? Schliesslich ändere ICH mich ja nicht, zwischen demZeitpunkt wo sie es noch nicht wissen und dem wo sie es dann wissen. Und was könnte man tun um das Thema Psychische Gesund- beziehungsweise Krankheit zu entthabuisieren?
Liebe Grüsse :)

Unsere Antwort

Deine Wahrnehmung stimmt. Vor psychischen Krankheiten haben viele Menschen Angst. Die meisten haben gar keine Erfahrung und denken dann z.B., das Verhalten von Betroffenen sei unberechenbar. Die eigene Angst und das Unwissen machen misstrauisch. Darum integrieren sie dich nicht als Einen der Ihren, sondern behandeln dich wie fremd.

Dieses ist wirklich erstaunlich. Unsere Gesellschaft ist ja wirklich recht fortgeschritten. Es gibt viele Berichte und Aufklärungsmaterial. Aber: Was Angst macht, wird oft nicht wahrgenommen.

Du möchtest wissen, was du zur Entabuisierung beitragen kannst. Zunächst könntest du versuchen mit den Menschen in Kontakt zu bleiben, die komisch auf dein Leiden reagieren und sich distanziert verhalten. Du könntest ihnen sagen, dass dich ihr Verhalten kränkt und  du dich ausgegrenzt fühlst. Dann könntest du erklären, dass psychische Krankheiten behandelbar sind. Du könntest sie nach ihren Befürchtungen fragen. Du könntest ihnen auch versichern, dass du für sie keine Gefahr bist. Dann könnten sie dich vielleicht zu deinen Erfahrungen befragen. Wichtig ist, dass du dich dabei selbst schützt. Vertraue anderen nur die Erfahrungen an, über die du leicht reden kannst. Beachte auch, dass nicht alle deine Erfahrungen wertschätzen und sorgfältig mit ihnen umgehen.

Darum könnte es auch gut sein, wenn du dich in der Literatur umschaust. Es gibt etliche Betroffene von psychischer Krankheit, die über ihren Krankheitsverlauf berichten. Vielleicht findest du in der Literatur ein positives Vorbild oder ein Beispiel dafür, wie du selbst über dein Leiden berichten kannst. Kurz: wie du dich mit deiner Krankheit nach innen und aussen vertrittst. Du wirst immer wieder Kränkungen verdauen müssen, Unverständnis antreffen und Zentral ist, dass du dein Selbstwertgefühl aufbaust und schützt. Ebenso wichtig ist, dass du dich nicht einschüchtern lässt. 

So ein mutiger Weg ist für einen Menschen oft sehr belastend. Ebenso wie bei der Verarbeitung von Gewalterfahrungen gelingt der Umgang mit einer Krankheit besser mit Hilfe von aussen. Wir raten dir darum zur Suche nach Menschen, die dich bei deiner Selbstvertretung begleiten. Hilfreich ist vielleicht auch diese Broschüre der Psychiatrische Universitätsklinik Basel (UPK).

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