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Frage Nr. 33003 von 06.06.2021

Liebes lilli-Team,

ich, männlich 27, habe erst kürzlich auf pornhub einen Porno von [...] Er trägt den Titel: [...].

Das bei Pornos viel getrickst wird per Filmschnitt oder Bearbeitungen ist mir bekannt, hier ist es allerdings so, dass im Abspann angegeben wird, dass das echter Sex ohne Filmschnitt sein soll.

Wenn das ein Film ist, indem sich die Handlung als eine einzige zusammenhängende Szene in Echtzeit abspielt (One-Shot-Video), wie kann der männliche Darsteller dann so lange durchhalten? Der Film geht über 30 Minuten und ca. 20 Minuten davon sind sehr schneller harter Sex.

Helfen Potenzmittel, Schmerzmittel oder Ähnliches den Sex so lange hinauszuzögern, wie man möchte? Welche sind das und welche Kombination verwenden Pornodarsteller?

Die weibliche Darstellerin kommt übrigens ca. ein duzend mal in dieser Zeit. Ist das gespielt oder echt?

Für mich sind solche Filme ein zweischneidiges Schwert. Einerseits erregt es mich sehr und die Selbstbefriedigung ist dadurch intensiver als ohne, andererseits hat man danach Selbstzweifel, wenn man sich mit den Darstellern vergleicht, ob man nicht ein Underperformer ist.

Wenn diese Filme, die sogar [...] als feministisch verkauft werden, das Lehrmaterial der jungen Generation sind, dann sind die Ansprüche der Frauen an uns Männer als Folge so hoch, dass sie kaum ein Mann mehr erfüllen kann, oder?

Unsere Antwort

Mit Pornofilmen ist es in der Tat so ein Ding.

Und dabei ist es völlig egal, ob die jetzt geschnitten sind – oder ob sie wie der von dir erwähnte Film angeblich nicht geschnitten ist. Das Problem ist weniger, wie lang das geht, wie gross etwas ist, seien das nun Brüste, Penis oder sonst was oder was es sonst noch alles für Superlative in dem Film gibt. Beim Sex geht es eigentlich ums körperliche Fühlen. Bei Pornos bleibt man meist am Bild kleben und man bleibt im Kopf, nämlich in den Gedanken. Das ist das Problem. Du hast Recht, dass der Druck, zu performen, immer mehr zugenommen hat. Aber das gilt für jede*n – nicht nur für Männer. Die Frau muss ja auch ein dutzendmal kommen…

Wenn du guten Sex erleben möchtest, musst du lernen, körperlich mehr zu fühlen. Je mehr man körperlich fühlt, um so weniger ist man von Pornofilmen beeindruckt. Achte mal genau darauf, wo du die sexuelle Erregung spürst, wenn du Pornofilme schaust. Ist das hauptsächlich im Kopf? Ist das vielleicht auch ein wenig im Penis? Ist es im gesamten Körper? Bewegst du dich dabei? Liegst oder sitzt du eher starr und bewegungslos, bis auf eine Hand?

Wenn du beim Sex sehr viel körperlich spürst, dann spürst du dich selber sehr lebendig. Das ist sehr schön. Das ist so, als hättest du grossen Durst und würdest ein Glas Wasser trinken, das fühlt sich sehr gut an. In dem Moment ist es egal, ob die Partnerin sagt, das sah nicht schön aus, wie du das Wasser getrunken hast. Du hast das Glas schief gehalten, du hättest aus der Flasche trinken sollen etc.

Beim Sex ist es recht ähnlich. Du musst es in erster Linie so machen, dass du etwas spürst. Wenn du wenig spürst, dann braucht es um so mehr Bestätigung von aussen – etwa so: dein Penis hat eine gute Grösse, du hast super performt etc. Du wirst dann abhängig von dem, was die Partnerin sagt. Das heisst, die Partnerin kann eigentlich nur da Druck aufbauen, wo du das zulässt, oder besser gesagt, wo bei dir eine Schwachstelle ist. Sex zu haben, um Selbstbestätigung zu erfahren oder das Selbstwertgefühl zu steigern, ist auf Dauer kein guter Grund, Sex zu haben. Es wird dann schnell anstrengend und kann auch nervig sein.

Wenn du hingegen deine sexuelle Erregung im gesamten Körper sehr gut spüren und auch mit dem Körper steigern kannst, dann wirkt das "ansteckend" auf deine Partnerin. Es ist aber leider auch davon abhängig, ob deine Partnerin gewohnt ist, ihre sexuelle Erregung überall zu spüren und zu steigern. Wenn sie das (noch) nicht kann, wird das nicht so gut funktionieren. 

Performance ist das Gegenteil von etwas Fühlen und Verschmelzung: Du musst liefern, die Partnerin muss auch liefern, es muss optisch etwas her machen, der Kopf dirigiert, der Körper hat das auszuführen, es ist (harte) Arbeit, den Gewinn hat man nur über "Ich war gut" und nicht über "Ich habe mich/meinen Körper gut gefühlt".

Und nochmal zu den Pornos: Du weisst auch da nie, was die Darsteller fühlen. Es kann sein, dass sie es toll finden. Es kann sein, dass sie nicht viel empfinden. Es kann sein, dass ihr Körper zwar reagiert, aber sie gar nicht bei der Sache sind, oder nur "beim Drehbuch" sind. Das weiss man alles nicht.

Und natürlich kann Mann sehr lange Erektionen haben – auch ohne dass man überhaupt erregt sein muss. Dafür gibt es Spritzen. Ob der jeweilige Pornodarsteller Hilfsmittel benutzt – und wenn ja welche –, müsstest du jeden einzelnen fragen. Aber wenn man sich damit beschäftigt, läuft man schnell Gefahr, dass man wieder auf die Performerschiene gerät: "Er kann nur länger, weil..." "Ich kann das auch und bin besser in..." Das ist für das Erleben von Sex wie schon gesagt nicht hilfreich. 

 

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