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Fragen & Antworten:
Ich und die anderen

Frage Nr. 39964 von 29.06.2025

Hi, ich wollte fragen, wie ich besser mit Pronomen werden kann. Ich finde insbesondere die deutsche Sprache hinsichtlich Genderneutralität super schwer. Auf Englisch finde ich es relativ einfach they/ them im Singular zu nutzen, aber im Deutschen stolpere ich ständig darüber, gerade auch mit Relativpronomen. Auch passiert mir ab und zu, dass ich „sie/ er“ nutze, obwohl die Pronomen they sind und ich weiss nicht, wie ich mich da verbessern kann.

Unsere Antwort

Ich stimme dir zu, dass es im Deutschen schwieriger ist als im Englischen. Da hilft vor allem Übung.

Was im Deutschen auch hilft, ist, den Vornamen zu nutzen, statt einem Pronomen. Das fällt vielen leichter. Für Relativpronomen gibt es die eingedeutschte Form: deren.

Also zum Beispiel Sarah hat dies und das gemacht. Sarah tut auch dieses und jenes. Sarahs Dings ist bunt... Oder: Sarah hat dies und das gemacht. They tut auch dieses und jenes. Deren Dings ist bunt.

Hast du Freund*innen, mit denen du in Unterhaltungen üben kannst?

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Frage Nr. 39956 von 27.06.2025

Ich hatte heute das Gefühl ich bleibe in meiner Angst stecken. Ich bin seit gestern krank (Ohrenentzündung) und habe momentan recht viel um die Ohren. Ich war heute beim Arzt, da ich nicht am Wochenende auf den Notfall wollte. Die Ärztin meinte, "oh das tut sicher sehr weh", "da sind sie aber recht taff". Als ich das hörte hätte ich am liebsten angefangen zu weinen. Auch jetzt habe ich wieder Tränen in den Augen.

Ich dachte immer ich sei schwach, da ich teilweise nicht mehr klar komme und irgendwie wie zusammenbreche. Ich habe Mobbing erlebt und nicht wirklich Unterstützung erhalten. Meine Eltern haben mit den Lehrern gesprochen, jedoch war ich bei den Attacken eben doch alleine. Die Lehrer stellten sich auch eher auf die Seite der Klasse, indem sie sagten es sei eine gute Klasse.

Ich schämte mich auch zuzugeben, dass ich wegen meines Aussehens gemobbt wurde. Meine Tante meinte auch, dass es an einer anderen Schule nicht besser sei. Als ich das einer Freundin erzählte schaute sie mich überrascht an. Für mich war das damals die Wahrheit, dass es mein Schicksal war, dass ich mehrfach Mobbing erlebt habe und es einfach schwerer habe als andere.

Bis heute ist das irgendwie in mir drinnen, obwohl ich heute in einer anderen Realität lebe. Ich habe auch lange meine Geschichte nicht betrachtet und nicht gedacht, "ahh vielleicht habe ich das wegen dem" oder so. Ich habe mich auch oft sehr einsam gefühlt.

Ich wurde auch nicht oft gespiegelt. Ich bin beispielsweise als Kind mit einem depressiven Vater aufgewachsen, welcher viel geschlafen hat. Ich hätte aber nie gedacht, dass dies einen Einfluss auf mich gehabt haben könnte. Über die Krankheit wurde auch nicht wirklich gesprochen. Er war auch oft überfordert.

Ich habe Angst mich jemandem zu zeigen oder von meinen Erfahrungen, Gefühlen etc zu erzählen. Einerseits, ist da die Angst anders gesehen zu werden oder abgewertet zu werden, andererseits habe ich Angst erneut mit allem alleine gelassen zu werden, da es der anderen Person zu viel ist.

Ich habe viel Unverständnis erfahren, als ich den Menschen von meinen Ängsten oder Panikattacken erzählte. Selbst meine Grossmutter die psychische Probleme hat, meinte ich übertreibe.

Auch als ich Depressionen hatte und in einer Krise war, sagte sie mir das ich wiedermal übertreibe. Ich habe vorhin gemerkt, dass ich teilweise doch sehr stark Ängste habe und teilweise nicht wirklich realisiere das ich nicht in Gefahr bin.

Es gibt Momente , in denen ich Einsicht habe aber grundsätzlich habe ich immer Ängste die ich für sehr real halte. Diese sind meistens in die Zukunft gerichtet. Ich denke beispielweise, "was ist wenn ich nicht mehr arbeiten kann und zusammenbreche?"

Warum habe ich das? Kann ich jemals ohne Ängste leben? Es fühlt sich momentan eher surreal an, dass es möglich ist ohne Ängste zu leben. Würde mir vielleicht eine Verhaltenstherapie helfen?

Unsere Antwort

Danke für die ausführliche Beschreibung. Ja, ich würde dir unbedingt eine Psychotherapie empfehlen. Eine Verhaltenstherapie kann helfen, besser klar zu kommen mit Ängsten. Möglicherweise wäre auch eine Therapie angebracht, die dich dabei unterstützt, dich von den Eltern abzulösen und eine bessere Beziehung zu dir selbst aufzubauen. Aber ich würde mit dem anfangen, was dich derzeit am meisten belastet. Und das ist derzeit die Angst.

Du wurdest mit deinen Gefühlen und in deinem Leiden nicht ernstgenommen. Ich glaube auch, dass du da einen Anteil entwickelt hast, der sehr taff ist – dahinter ist die Scham und die Angst davor, abgewertet und allein gelassen zu werden. Und ich glaube auch, du hast gelernt, dich und dein Leiden abzuwerten. Aber dann gibt es eben auch die andere Seite – ja, und die leidet. Und sie schreit danach, getröstet zu werden. Sie drängt sich auf und möchte ernst genommen werden.

Daher: Schon dass du eine Therapie suchst, ist in sich therapeutisch: Du nimmst dich selbst und dein Leiden ernst.

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Frage Nr. 39934 von 24.06.2025

Hallo ich bin 13 Jahre alt weiblich und ich habe eine Frage ich schaue bei Frauen oder gleichaltrigen oft auf ihre brüsten und ich weiss nicht ob das Anzeichen sind daas ich lesbisch bin.

Unsere Antwort

Nein, das bedeutet nicht, dass du lesbisch bist. Wo dich dein Blick hinzieht, ist erstmal kein Hinweis auf deine sexuelle Orientierung. Es gibt auch heterosexuelle Frauen, die anderen Frauen auf die Brüste schauen. Oder heterosexuelle Männer, die das nicht tun. Sowie lesbische Frauen, die das tun und die das nicht tun.

Wenn du nun fremde Brüste anschaust, kann das aus verschiedenen Gründen geschehen: Du findest sie schön, rein ästhetisch. Oder eine Frau zeigt einen offenen Ausschnitt. Oder die Brüste sind anders als deine, dann ist es auch interessant, diese anzuschauen. Unser Blick zieht uns einfach dorthin, wo es spannend ist. Und spannend kann es aus verschiedenen Gründen sein.

Wenn du herausfinden möchtest, worauf du stehst, kannst du darauf achten, was in deinem Körper passiert. Spürst du ein Kribbeln zwischen den Beinen? Kriegst du Herzklopfen? Wirst du vielleicht etwas nervös? Im diesem Text über sexuelle Erregung beschreiben wir genau, wie du deine Erregung im Körper wahrnehmen kannst.

Dich scheint die Frage zu beschäftigen, ob du lesbisch bist. Es kann eine Weile dauern, bis du deine sexuelle Orientierung kennst. Nicht allen Menschen ist es von Anfang an klar. Es gibt einige Leute, die verschiedene Erfahrungen sammeln. Erst danach merken sie auf welches Geschlecht sie stehen. Oder es wird ihnen klar, dass sie nicht auf ein bestimmtes Geschlecht stehen, sondern sich in alle Menschen verlieben können. Wenn du mehr dazu wissen willst, lies doch unseren Infotext Wie finde ich heraus, ob ich hetero, schwul, lesbisch oder bi bin?. In diesem Text erfährst du mehr darüber, dass die Grenzen zwischen homosexuell und heterosexuell oft nicht so klar sind, wie man denkt. Und es gibt einige Leute, die zwar heterosexuell sind, aber doch ab und zu Sex haben mit Menschen des gleichen Geschlechts. Falls du von den vielen Begriffen verwirrt bist, kannst du in diesem Text nachlesen, was "schwul, lesbisch, etc". bedeutet.

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Frage Nr. 39921 von 21.06.2025

Hey Lilli-Team
Ich (30/m) möchte mich recht herzlich bedanken für die Antwort auf meine Frage 39596 vor ein paar Monaten. Es hat mir wirklich ein bisschen geholfen und ich konnte tatsächlich meine beiden englischen Bücher fertig lesen, eines davon hatte über 300 Seiten. Es war zwar immer etwas schwierig, aber insgesamt war es trotzdem eine gute Zeit in England. Ich habe auch sehr viel gelernt, jetzt nicht unbedingt englische Grammatik, eher vocabulary, kulturelle Dinge und was es so für gesellschaftliche Probleme gibt, z.B. das kaputtgesparte Gesundheitswesen (National health service).
Ich bin leider noch nicht wirklich dazu gekommen, mich um die neue Psychotherapie zu kümmern, es gibt überall auch lange Wartelisten. Letztes Wochenende bin ich nun wieder in die Schweiz zurückgekommen und leider haben sich viele meiner Befürchtungen und Ängste bestätigt. Zuhause war alles komplett überstellt mit leeren Pizzakartons, dreckigem Geschirr und leeren Weinflaschen. Auch war irgendjemand in meinem Zimmer, obwohl ich es extra abgeschlossen hatte, als ich wegging. Meine Mutter nahm am Tag meiner Rückkehr (mal wieder) nicht das Telefon ab und ich wusste zunächst nicht mal, wo sie genau steckt. Später stellte sich dann heraus, dass sie eine neue Affäre hat und mit ihm unterwegs war. Es kam dann direkt wieder zu einem heftigen Streit zwischen mir und meiner Mutter, weil ich ihr gesagt hatte, dass ich zu müde bin und jetzt einfach keine Lust habe, den ganzen Abfall in der Küche wegzuräumen, für den ich absolut nichts kann. Ich hab von ihr dann jede Menge Vorwürfe gehört, dass ich kein Geld verdienen würde, allen ständig nur Ärger verursache und nicht im Haushalt mithelfen würde etc. und es war dann auch schnell wieder die Rede davon, dass ich jetzt zu Hause rausgeworfen werden soll.
Das Ganze hat mich völlig fertig gemacht. Ich ging dann alleine im Wald spazieren und dann musste ich auch wieder lange weinen. Das Ganze hat eine richtige Negativspirale in Gang gesetzt, weil ein paar Tage später habe ich auch noch eine Absage bekommen für einen Job, für den ich eigentlich alle Voraussetzungen erfüllt hätte. Es hat auch niemand wirklich Zeit für mich, weil die ganzen Leute müssen ja arbeiten und so, was ich ja auch verstehen kann. Ich chatte manchmal auf Grindr mit anderen Boys, aber das sind eher oberflächliche Chats und sie schreiben mir auch relativ klar, dass sie einfach nur sex möchten und keine Beziehung. Ich hätte aber gerne einen richtigen Boyfriend. Ich fände es einfach cool, einen richtig süssen und netten Boyfriend zu haben. Dann wäre ich auch nicht mehr so schlimm vereinsamt. Keine Ahnung, ob es so einen Wunsch-Boyfriend überhaupt gibt. Ich weiss es nicht. Im Moment hab ich jedenfalls richtig das Gefühl, dass mich eigentlich niemand wirklich mag.
Ich fühl mich wie gelähmt und sehr erschöpft. Wenn ich meine Mails anschaue, hab ich immer Angst, dass eine neue Absage kommt. Zuhause habe ich ständig Angst, rausgeworfen zu werden. Und bei den Chats mit den anderen schwulen Jungs hab ich Angst, einen Korb zu bekommen. Mein Alltag besteht nur noch aus Musik hören und stundenlangen Spaziergängen im Wald. Und dann hirne ich stundenlang darüber nach, was ich in meinem Leben schon alles falsch gemacht habe und was ich alles hätte besser machen müssen. Ich bin damit völlig überfordert, wenn man gleichzeitig einen Boyfriend, einen Job und eine eigene Wohnung suchen muss. Und ich bin auch wütend auf die Leute aus meiner Familie und auf meine Nachbarn, weil die nicht erkennen, dass ich Unterstützung benötige und stattdessen lieber unpassende Kommentare machen. Diese Leute sind auch alle ziemlich ungebildet irgendwie, zB. von internationalen Angelegenheiten haben die fast keine Ahnung und ihre Englisch-Aussprache ist absolut falsch, sie sagen z.B. "Iron Man" anstatt korrekt "Ion Man" ohne das R.
Habt Ihr einen Tipp für mich, wie ich mich von den momentan leider sehr negativen Situationen und den fiesen Kommentaren besser abgrenzen kann? Was kann ich gegen meine Vereinsamung tun? Habt Ihr einen guten Tipp für die Sache mit den Boys? Ich bin leider sehr schüchtern, und würde mich nur schwer getrauen andere junge Männer auf der Strasse einfach so anzusprechen, vor allem muss man da ja auch zuerst mal herausfinden, ob sie auch wirklich schwul sind oder nicht. In der Sprachschule gab es jemanden von dem ich dachte, dass er schwul sein könnte. Ich habe mich aber nie getraut, ihn wirklich anzusprechen. Irgendwann sprach er dann einfach mich an und outete sich direkt als schwul, dabei kam dann aber raus, dass er schon einen boyfriend in seinem Heimatland hat. Also mein Instinkt war offenbar richtig.

Unsere Antwort

In unserer letzten Antwort hatten wir dir dringend zu einer Psychotherapie geraten, damit du mit den vielen schwierigen Gefühlen nicht allein fertig werden musst. Wenn du jetzt merkst, dass lange Wartefristen gelten, empfehlen wir dir dringend, dich auf eine Warteliste setzen zu lassen. Sonst bekommst du ja nie einen Platz.

Du bist von deiner Familie und den Nachbarn enttäuscht, dass sie dir keine Hilfe anbieten. Vielleicht findest du für die spezielle Problematik mit deiner Mutter andere Stellen, die dich unterstützen können. Wenn ich dich richtig verstehe, ist sie psychisch krank. Für Angehörige psychisch kranker Eltern gibt es etliche Selsbthilfegruppen (z.B. VASK oder angehoerige.ch), die einen geschützten Rahmen für Austausch und gegenseitige Unterstützung bieten. Pro Mente Sana hat eine kostenlose psychosoziale und juristische Beratung für Angehörige. Und auch bei Pro Familia gibt es Hilfsangebote.

Grundsätzlich bleiben wir der Meinung, dass du psychotherapeutische oder beraterische Unterstützung brauchst. Du nimmst dir selbst zu viel übel, weisst schon, dass du dich nicht getraust einen jungen Mann anzusprechen und sprichst davon, dass du total vereinsamst. Zudem musst du dich um Jobs bewerben und brauchst eine Wohnung. Das sind viele Fragestellungen. Mit einer professionellen Hilfe würdest du wahrscheinlich schneller Antworten finden.

Allein und auf dich selbst gestellt solltest du unbedingt Selbstwertschätzung üben. Lies nochmal den letzten Absatz unserer letzten Antwort. Da bitten wir dich bereits, nicht zu meckern, sondern dich hartnäckig wertzuschätzen. Unsere letzte Antwort hat dir teilweise geholfen. Mach sie nochmals wirksam für dich. Vielleicht helfen dir unsere Texte «Ich bin zu schüchtern zum Daten» und «Wie werde ich beim Daten selbstsicherer» weiter.

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Frage Nr. 39896 von 16.06.2025

Hallo Lilli,

Vorneweg: Diese Frage ist SEHR lang. Tut mir leid für die Umstände. Außerdem enthält sie einige persönliche Informationen. Könnt ihr sie bitte etwas kürzen, bevor ihr die Antwort veröffentlicht? Danke.

Ich hatte euch Frage Frage Nr. 39874 von 12.06.2025 (und Frage Nr. 39827) gestellt. Herzlichen Dank für eure Antwort!

Ihr habt mir ein paar Rückfragen gestellt. Die gehe ich mal der Reihe nach durch.

[...]

Tut mir leid, dass ich bei all dem Text jetzt bisher gar keine konkrete Frage gestellt habe. Wenn ich es so formulieren sollte: WIe werde ich meine Lebensmüdigkeit los? Die hält mich nämlich davon ab, _irgendwas_ zu tun.

Viele Grüße, und danke für eure Hilfe.

Unsere Antwort

Wir konnten nicht selektiv herauskürzen, weil wir nicht wussten, was für dich zu persönlich ist. Deswegen haben wir den Hauptteil der Frage rausgekürzt. Falls du uns nochmal schreibst, kannst du angeben, welche Abschnitte oder Sätze wir genau rauskürzen sollen.

Vielen Dank für die ausführliche und fundierte Antwort auf unsere Fragen. Ich finde, du machst dir die richtigen Gedanken. Ich glaube, in dir steckt ein Feuer, das zurückgehalten wurde, und das du jetzt selbst zurückhältst. Es ist aber auch deine Lebensenergie. Ich denke, der Teufelskreis ist echt, und ich denke, du brauchst fachliche Begleitung, um da rauszukommen. Ich stelle mir da zum Beispiel etwas verhaltenstherapeutisches vor: Es geht darum, Sachen zu machen, zu merken, dass das geht, dich zu spüren, zu lernen, mit den Gefühlen umzugehen, die dabei auftreten, Erfolgserlebnisse zu haben. 

Ich merke aber auch, dass du offenbar gute soziale Kontakte hast. Könnte es allenfalls auch gehen, dass du mit Freunden verabredest, dass ihr bestimmte Sachen macht? Gelingt es allenfalls, dich besser zu motivieren, wenn andere beteiligt sind? 

Wenn ich dein Geschriebenes so durchlese, dann frage ich mich aber auch, wie sehr du dir erlaubst, zu leben. Ich spreche insbesondere über den Teil von dir, der nicht leben will. Du schreibst ja, dass die Mantren deiner Mutter fest in deinem Gehirn sitzen. Du scheinst sehr loyal zu sein. Diese Loyalität hat wahrscheinlich eine sehr lange Geschichte. Genauso wie der erwachsene Mann spricht hier auch ein Junge, der Strategien entwickelt hat, im Elternhaus klarzukommen. Dein Eigenes hatte hier möglicherweise keinen fruchtbaren Boden. Unangenehme Emotionen wurden nicht getröstet, sondern geschürt. Da lernt man, abzuspalten und sich zurück zu nehmen. Ich spreche manchmal vom Drama der Zurückhaltung. Ich glaube, Depression kann einen gut zurückhalten.

Es ist sicher hilfreich für dich, wenn du dich interessierst an diesem Anteil in dir, der nicht leben möchte, und wenn du dich ihm zuwendest und seine Not verstehst. Ich glaube nicht, dass dieser Anteil schon begreift, dass du ein erwachsener Mann bist. Das kannst du ihm aber beibringen. Es gibt Therapieformen (bestimmte traumatherapeutische Therapien, Egostates-Therapie) wo man das gezielt macht und übt. Neben der Psychotherapie finde ich den Besuch in der psychiatrischen Praxis wegen allfälliger Medikation auch sehr wichtig. Bleib da bitte dran. Solange du  einigermassen durch den Tag kommst, finde ich einen stationären Aufenthalt auch nicht nötig. Zumal es ja darum geht, dass du lernst, mehr im Leben zu stehen. Ein stationären Aufenthalt ist aus meiner Sicht nur dann sinnvoll, wenn man da wirklich gezielt drauf eingeht.

Dass ich dir eine Therapie empfehle, heisst nicht, dass du uns nicht mehr schreiben sollst. Wenn dir der Austausch hilft, dann schreib uns bitte weiter. Zudem würde ich dich gerne auf das Kapitel Wie komme ich mit mir und anderen besser klar? verlinken. Ausserdem empfehle ich dir die folgenden Texte:

Schau mal, ob dich das weiterbringt. Und wie gesagt, du kannst uns gerne wieder schreiben.

 

 

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Frage Nr. 39874 von 12.06.2025

Hallo Lilli,
Ich hatte Frage Nr. 39827 gestellt. Herzlichen Dank für eure Antwort. Ihr habt mich auch gefragt, was es mit mir macht, wenn ich solche Gedanken habe, wieso sie mich stressen und warum ich möchte, dass das aufhört.

Ich gehe mal der Reihe nach durch:

1. Wie schon gesagt, es stresst mich. Und es macht mir ehrlich gesagt Angst. Außerdem ich schäme mich deswegen.

2. Das Beispiel aus meiner vorigen Frage war eins der (zum entsprechenden Zeitpunkt) aktuellsten, aber bei Weitem nicht das schlimmste. Letzten Montag bspw. war ich unterwegs und so empfindlich ("auf 180"), dass ich mehrmals einen starken Drang verspürt habe, jemanden umzubringen. (Und dann mich selbst. Ich habe Depressionen). Ich bin froh, dass ich keine Waffe oder so besitze.
Ich bin im Allgemeinen äußerst konfliktscheu. Ich versuche, andere Leute nicht zu stören und mich deshalb insbesondere in der Öffentlichkeit (in der Straßenbahn bspw.) zurückhalten. Und ich finde, dass andere das auch tun sollten, aus Rücksicht und Höflichkeit. (Wenn das jemand dann nicht macht, gerate ich in der Regel wiederum sehr schnell in Wut.) Und jemanden zu beleidigen oder anzugreifen (wie ich es mir vorstelle) ist ja ebenfalls nicht gerade rücksichtsvolles Verhalten.^^
Es ist auch schon vorgekommen, dass jemand mein tatsächliches Verhalten als unhöflich empfunden hat, obwohl ich mich gar nicht aggressiv verhalten habe. (Ich habe im Zug Leute die neben mir saßen um Ruhe gebeten.) Da war ich dann sowohl wütend (und hätte dem Typen am liebsten vor allen Leuten die Kehle aufgeschlitzt) als auch verunsichert, weil ich mich unwillkürlich hinterfragt habe - "war ich vielleicht wirklich unhöflich?".
Dazu kommt, dass ich körperlich einfach nicht stark oder trainiert bin, d.h. wenn jemand tatsächlich gewaltätig werden sollte, hätte ich schlechte Karten. Auch deshalb möchte ich die Situationen, die ich mir da vorstelle, nie erleben.

3. Warum ich möchte, dass das aufhört, sollte sich aus den vorigen Antworten erschließen, denke ich. Aber um es nochmal auf den Punkt zu bringen: a) Es passiert sehr oft (mehrmals pro Woche), b) es erzeugt jede Menge unangenehme Gefühle und c) ich komme mir dem Ganzen ausgeliefert vor. Es ist d) also mehr als nur harmloses Kopfkino wenn mein Gehirn gelangweilt ist. Zumindest laufen - um im Bild zu bleiben - die falschen Filme.

Bitte helft mir, das Ganze macht mich z.T. echt fertig. Vielen lieben Dank euch!

Unsere Antwort

Vielen Dank, dass du nochmal geschrieben hast. Das Ausmass war mir aus deiner letzten Beschreibung tatsächlich nicht klar. Die weiteren Informationen helfen mir, deine aggressiven Gedanken besser einzuordnen. Die Herangehensweise bleibt jedoch im Wesentlichen die gleiche. Diese Gedanken sind nicht gefährlich und du musst sie nicht loswerden. Stattdessen geht es darum, deine Verunsicherung durch die Gedanken zu mildern. Ich halte es daher für sinnvoll, dass du dich mit deiner Abwehr von Aggression beschäftigst.

Das wichtigste vorweg: Du bist kein schlechter Mensch wegen dieser Gedanken. Die Häufigkeit und das Ausmass dieser Gedanken erhöht nicht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass du diese in die Tat umsetzt. Wenn du versuchst, die Gedanken und Vorstellungen loszuwerden, wirst du eher mehr statt weniger davon bekommen. Wenn du die Gedanken und Vorstellungen akzeptierst, werden die unangenehmen Gefühle durch die Gedanken und Vorstellungen weniger und du kannst dich schneller wieder anderen Dingen zuwenden. Auch die unangenehmen Gefühle wie Angst und Scham sind normal. Auch das kannst du lernen. Das ist nicht ganz einfach, aber zu schaffen.

Seit wann hast du das eigentlich? Und wie alt bist du? Nimmst du wegen der Depression Medikamente?

Depression und Aggression können sehr nah aneinander sein. Bist du in Behandlung? Wenn du Aggression angehen willst, dann ist es wichtig auch die Depression anzugehen und umgekehrt. Hast du in der Therapie von den Gewaltfantasien gesprochen? Wie wurde damit therapeutisch umgegangen? Hat das was bewirkt?

Du schreibst von Konfliktscheue und dass du dich häufig zurücknimmst. Und dass die Gewaltfantasien ja genau das Gegenteil davon sind. Damit liegst du ganz richtig. Das Runterschlucken und Abwehren von Aggression kann ausserdem deine Depression begünstigen.

Beim Umgang mit Verhaltensweisen, die du an dir seltsam findest, kann es helfen, die Logik dahinter zu suchen. Woher kommt deine grosse Konfliktscheue und Höflichkeit? Ordne sie in deine ganz persönliche Lebensgeschichte ein. Du hast das offensichtlich hervorragend gelernt und du kannst auch wieder neues lernen.

Aggression bedeutet eigentlich "auf etwas zugehen". Das kannst du wohldosiert, sozialverträglich und konstruktiv für dich einsetzen. Du kannst lernen mit deiner Aggression in Beziehung zu treten. Dabei könnte dir zum Beispiel ein Selbstbehauptungstraining helfen oder ein Kampfsport. Generell stelle ich es mir hilfreich vor für dich, dass du dich in deiner Kraft erlebst - bei welchem Sport oder welcher Tätigkeit auch immer.

Ich lade dich dazu ein, uns wieder zu schreiben. Gib dann bitte wieder die Nummer dieser Frage an.

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Frage Nr. 39859 von 09.06.2025

Hallo, meine Frage ist vielleicht etwas komisch und evtl. auch schwer verständlich.
Kann man von einem positiven Gefühl, was eine Psychotherapie auslöst, abhängig werden??
Ich hatte eine Trauma-Exposition (bei kompl. PTBS) und war anschl. von einem positiven Gefühl so geflasht, daß ich mir zeitnah wieder eine Exposition wünsche, um in dieses Gefühl zu kommen.
Klar war diese ganze Exposition auch anstrengend, aber das anschl. positive Gefühl, das Traumatische nun endlich eingeordnet und richtig abgelegt zuhaben, überwiegte und gab mir soviel neue Energie.
Ich frage mich nun auch, ist es richtig sich in diesem positiven Gefühl so zu verlieren und darin so eine Hoffnung zusehen? Oder ist es eine übertriebene Empfindung von mir?
LG und Danke das es Euch gibt!

Unsere Antwort

Es freut mich, dass du eine so positive Erfahrung in deiner Therapie hattest! Ich sehe da keine Gefahr, einer „Abhängigkeit“. Der Wunsch, ein positives Gefühl wieder zu erleben, ist ja völlig normal. Was wir mögen, möchten wir möglichst oft erleben – so ist unser Gehirn gebaut. Und du tust ja nichts Schädliches, um dieses Gefühl zu haben. 

Ich würde dich aber sehr ermutigen, diese Sorge mal mit deiner*deinem Therapeut*in zu besprechen. Vielleicht steckt dahinter ja auch eine gewisse Angst oder ein Misstrauen vor dem Sich-Gut-Fühlen. Das ist für Menschen, die Traumata erlebt haben, oft ein Thema und wäre dann ein wichtiger Aspekt für eure weitere Arbeit in der Therapie.

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Frage Nr. 39839 von 29.05.2025

Gibt es Hilfestellungen/ Wege herauszufinden, ob ich nonbinär bin? Ich bin AFAB und unsicher. Also ich weiss mit Sicherheit nicht am anderen Ende also Transmann. Aber Frau?
Ich bin unsicher, ob ich nichtbinär bin, oder ob ich eine Frau bin, die nicht den Erwartungen an das „Frausein“ folgt bzw. nicht die „Performance“ abliefert.
Ich merke, dass ich es schön finde, wenn keine Pronomen genutzt werden. They/ them finde ich auf Englisch angenehmer, auf Deutsch ist es für mich noch etwas fremd.
Ich freunde mich damit an, kaum Brustgewebe zu haben und dass mein Name viel bekannter als Männername ist.
Ich wurde ab und zu misgendered vom Aussehen weil ich weite Jeans trug und die Haare unter der Mütze/ Winterjacke waren.
In Mails werde ich sehr häufig als Herr angeschrieben wegen meines Namens. Beides mag ich nicht.
Ich mag Frauenkleider. Aber ich mag auch gerne weite / androgyne Kleidung und merke gerade, wie entspannt ich mich fühle, wenn ich mich selbst nicht unter Druck setze, „feminin“ zu sein/ zu wirken.

Die Fragen kommen auf, nachdem ich mich auch mit dem queer sein bzgl Sexualität beschäftige. (Frage 39533)

Gleichzeitig bin ich in einem Arbeitsumfeld, in dem es mir nicht wohl wäre, andere Pronomen einzuführen, oder offen nichtbinär zu sein.
Ich möchte auch keine Label beanspruchen, nur weil es in Mode ist oder um dazuzugehören.

Unsere Antwort

Du beschreibst klar, wie du es gerade empfindest. Du erkennst, was du magst und was du nicht magst. Das ist okay genau so wie es ist.

Nonbinär ist eine Selbstbezeichnung – genauso wie queer. Es geht um dein Gefühl der Geschlechtszugehörigkeit. Da es ein inneres Gefühl ist, gibt es dafür auch keine äusseren Kriterien. Letztlich entscheidest also du allein, ob und auch in welchen Kontexten und das Label für dich verwendest. Es ist möglich, dass du im Arbeitsumfeld weiterhin sie/ihr Pronomen nutzt und unter vertrauten Menschen they/them. Oder auch nur in queeren Safer Spaces. All das steht dir offen. Du kannst dich da auch ausprobieren und schauen, wie es sich anfühlt.

Du bist derzeit am Aufarbeiten einer Vergangenheit mit Gewalt. Es kann gut sein, dass sich dein Gefühl zu deinem Körper noch verändern wird im Laufe der Zeit. Ausserdem erleben viele Menschen, dass sie sich gestärkt fühlen in ihrem ganz persönlichen Ich, wenn sie ein Trauma aufarbeiten. Auch da bist du also auf einem guten Weg, um mehr Sicherheit darin zu erlangen, wer du bist und wie du dich bezeichnen und der Welt zeigen möchtest.

Hilft dir das weiter?

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Frage Nr. 39827 von 27.05.2025

Hallo Lilli,

Ich (m) merke manchmal, wie ich mich grundlos über Dinge aufrege, die gar nicht passiert sind. Beispiel: Ich gehe über einen Zebrastreifen und ein Auto hält wie üblich an, um mich die Straße überqueren zu lassen. Heute z.B. ist mir in genau dieser Situation passiert, dass ich mir unwillkürlich vorgestellt habe, wie die Situation ausgegangen wäre, wenn das Auto etwas zu spät angehalten hätte, sodass es mich beinahe erwischt hätte. In meiner Vorstellung wäre ich sehr wütend geworden, hätte den Fahrer des Autos angeschrien, ihm den Mittelfinger gezeigt usw. Hätte der Autofahrer dann selbst wiederum gereizt reagiert hätte ich mit Gewalt gedroht.

Kurz danach ist mir aufgefallen, was ich mir da eigentlich vorstelle, und dass mich das bloß in schlechte Stimmung versetzt. Dann dachte ich mir "warum tue ich das?". Ich habe aber keine Antwort auf die Frage gefunden. Ich weiß bloß, dass so etwas (mit verschiedenen Szenarien in meiner Vorstellung) recht häufig vorkommt und mein Umfeld auf mich bisweilen schlechter wirkt, als es eigentlich ist.

Woher kommt das? Und wie kann ich das abstellen? Mich stresst das.

Vielen Dank im Voraus für eure Hilfe. :)

Unsere Antwort

Das geht wahrscheinlich mehr Menschen so als du denkst. Quasi Kopfkino. Deine Fantasie erfindet einen anderen Ausgang zur Situation.

Wichtig ist hier nicht die Frage, weshalb du das tust. Unser Gehirn macht allerhand Dinge den lieben langen Tag. Und so eine Vorstellung kann durchaus anregend sein, weil in einer alltäglichen Situation plötzlich etwas spannendes geschieht. Dein Gehirn sucht womöglich nach solchen anregenden Gedanken. Das ist ein bisschen so, wie wenn du dir einen Action-Film anschaust, weil da viel spannendes passiert.

Ein einfacher Weg das abzuschalten ist, dass du dem Gehirn etwas anderes gibst, womit es sich beschäftigen kann.

Was macht das mit dir, dass du solche Gedanken hast? Wieso stresst es dich? Und weshalb möchtest du, dass es aufhört?

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Frage Nr. 39805 von 23.05.2025

Danke für die ausführliche Antwort zur frage 39723
Im moment ist es schlimmer geworden ich habe tiefe wunden doch kann mit niemanden darüber sprechen ich weiss nicht wie mitteilen oder was dagegen tun

Unsere Antwort

Bitte nimm unsere Antwort auf deine Frage 39723 ernst. Deine tiefen Wunden brauchen medizinische Versorgung. Und du brauchst Hilfe und Unterstützung. Da du erst 13 Jahre alt bist, raten wir dir zu einem Gespräch mit deinen Eltern. Wenn dir das ganz unmöglich erscheint, melde dich bitte bei einem Jugendambulatorium in deiner Nähe oder in einer Jugendberatungsstelle

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Frage Nr. 39799 von 21.05.2025

Hallo Lilli, ich frage mich weshalb ich bzw mein Kopf immer gleich so besorgt denkt.
Ich habe den Eindruck das ich immer mit etwas besorgt sein muss und wenn es mal nichts gibt mein Kopf wieder Ängste und Sorgen erfindet. So ohne Anlass teilweise.
Das wird dann im Kopf so ganz groß.

[...]

Was sagt ihr? Weshalb bin ich so?
P.s könntet ihr den Beitrag bitte kürzen?

Unsere Antwort

Der Kopf sucht sich immer etwas, mit dem er sich beschäftigen kann. Oft sind es Ängste und Sorgen, mit denen er sich beschäftigt, da diese, auch wenn sie unangenehm sind, durchaus belebend sein können.

Um von den Ängsten und Sorgen wegzukommen, braucht der Kopf also eine andere Beschäftigung. Es gibt gute Beschäftigungungen, die verhindern, dass der Kopf sich in diesen Gedanken verliert. Besonders gut funktioniert dabei eine körperliche Beschäftigung. Zum Beispiel Übungen, bei denen du dein Gleichgewicht halten musst, oder auch andere Bewegungen, die deinen Fokus auf etwas lenken, das nicht mit Ängsten und Sorgen einhergeht. 

Ausserdem entstehen starke, angstvolle Gedanken besser in einem Körper, der angespannt ist. Auch deswegen kann Bewegung beruhigend wirken, genauso wie Atemübungen. Wenn du oft sehr detailfokussiert bist, ist es wichtig, dass du Körpertechniken lernst, mit denen du dich lockern und beruhigen kannst.  Damit regulierst du auch dein autonomes Nervensystem besser. In den folgenden Texten findest du Tipps dazu:

Schau dir auch unsere anderen Texte über das autonome Nervensystem an. Diese können Menschen im Autismus-Spektrum sehr helfen.

Wir haben die Frage auf deinen Wunsch gekürzt.

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Frage Nr. 39768 von 15.05.2025

Vielen lieben Dank für die ausführliche Antwort auf die Frage Nr. 39742 von 09.05.2025! Ich werde versuchen die Tipps umzusetzten. Sie hat mir letztens erzählt das es eher vage ist. Sie vermutet, dass sie unter der Situation als Kind gelitten hat. Sie ist jetzt 16 Jahre alt. Sie weiss erst seit kurzem, dass ihre Mutter Depressionen hat. Auch über die Biografie der Mutter wusste sie lange eher wenig, nur das sie es nicht einfach hatte. Sie meint aber das es sehr vage es ist und das sie vermutet, dass die Depression einen Einfluss auf sie gehabt haben muss. Sie hat als Kind erlebt, dass die Mutter teilweise nciht in die Ferien mitkommen konnte, da sie zu erschöpft war und sich erholen musste. Die Mutter hat häufig am Nachmittag geschlafen. Sie kann sich aber nicht erinnern, dass sie Aufgaben übernehmen musste. Häufig ist auch ihr Vater eingesprungen. Sie merkt einfach, dass da eine Schwere auf ihr liegt und sie kann es nicht genau deuten. Sie vermutet, dass es mit der Depression ihrer Mutter zu tun hatte und damit das ihre Mutter vielleicht teilweise nciht verfügbar war, müde und erschöpft war und vielleicht auch emotional distanziert war und dies ein Einfluss auf sie gehabt haben könnte. Wie kann ich ihr helfen Klarheit zu finden? Sie fühlt sich zudem sehr wohl bei mir. Ich denke sie merkt intuitiv, dass ihr etwas gefehlt hat und sie dadurch immer bei anderen Familien ist/war.

Unsere Antwort

Es ist wirklich toll, wie sehr du für deine Freundin da bist. Damit schenkst du ihr etwas ganz Wichtiges, nämlich Aufmerksamkeit, Fürsorge und Unterstützung. Mehr musst und kannst du in deiner Situation vermutlich nicht tun. Wahrscheinlich hilft es ihr, das Ganze besser zu verstehen, wenn sie mit dir immer mal darüber reden kann. Gleichzeitig tut es ihr sicher auch gut, wenn ihr Spaß miteinander habt und sie auch Leichtigkeit erfahren kann. 

Bürde dir also bitte nicht zu viel Verantwortung auf. Es wäre gut, wenn deine Freundin sich mal nach einer Psychotherapie oder einer psychologischen Beratung umsehen würde. Ihr Vater könnte sie dabei ja sicher unterstützen. Es gibt nicht umsonst Menschen, die dafür extra ausgebildet sind – das kannst du als Freundin nicht leisten, denn du hast eine andere Rolle in ihrem Leben, und die ist auch sehr wichtig.

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Frage Nr. 39757 von 13.05.2025

Ich hatte Euch die Frage 39672 gestellt. Uns ist bewusst das er seine Berufsordnung verletzt, aber unsere Gefühle füreinander sind zu stark. Eine Frage dazu habe ich noch. Wenn jemand Drittes ihn anzeigt, würde das verfolgt werden?? LG!

Unsere Antwort

Da wir keine Rechtsberatungsstelle sind, können wir dir keine verbindliche Antwort geben. Die Beschwerde beim Berufsverband und auch die Strafanzeige bei Staatsanwaltschaft muss eigentlich von einer betroffenen Person gemacht werden. Ein Verfahren kann ja nur eingeleitet werden, wenn es Beweise gibt, bzw. Zeug*innen gibt, die bereit sind eine Aussage zu machen. Drittpersonen reichen als Zeug*innen nicht aus.

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Frage Nr. 39755 von 12.05.2025

Hallo liebes Lilli Team,
ich habe das Gefühl, dass ich einfach eine sehr schlechte Tochter bin. Ich bin 16 Jahre alt und weiblich. Irgendwie geraten ich und meine Mama immer aneinandeinder und das war irgendwie schon immer so. Wir haben eigentlich ansonsten ein ganz gutes Verhältnis einfach weil meine Mama wirklich super lieb ist. Sie macht wirklich alles für mich und meine Schwester. Und trotzdem enttäusche ich sie irgendwie immer.

Ich merke wirklich selber, dass ich das Problem bin, krieg das aber einfach nicht in den Griff. Meinen Mama ermöglicht mit wirklich viel und mir fehlt es an absolut gar nichts. Und trotzdem mache ich ihr manchmal irgendwie indirekt Vorwürfe, z.B. weil die Eltern meiner Freundinnen mehr shoppen dürfen oder so. Ich bin halt manchmal neidisch, dass andere noch mehr Klamotten kaufen dürfen/können als ich, obwohl ich ja echt alles habe, was ich brauch. Und das lass ich dann an meiner Mama raus.

Ich weiß selber das das extrem undankbar ist und wenn ich dann zum Beispiel sauer war, dass ich etwas selber bezahlen muss, merke ich auch selber im Nachhinein wie dumm das von mir ist. Meine Mama macht wirklich eigentlich alles perfekt und dann finde ich immer doch irgendwas, weswegen wir uns dann streiten. Ich werde immer auch irgendwie voll aggressiv und das wegen Sachen, die eigentlich total lieb von meiner Mama gemeint sind. Ich werde zum Beispiel oft sauer, wenn sie mein Zimmer aufräumt während ich in der Schule bin (weil ich eigentlich nicht will dass sie in mein Zimmer geht) oder wenn sie mir mal mein Handy wegnimmt wenn ich wirklich (und das merke ich selber) zu lange dran bin.

Also wirklich wegen gutgemeinten Sachen werd ich dann sauer. Und dann mach ich halt auch ganz grundlegende Sachen falsch. Ich helfe wirklich zu wenig im Haushalt mit und hab an ihrem letzten Geburtstag auch vergessen gehabt, ihr was zu kaufen. Ich schäme mich auch selbst dafür. Ich hab halt des Gefühl ich bin selber unzufrieden mit mir selbst und lass das dann an meiner Mama raus. Ich hab ihr vorgeworfen, dass sie mir nicht genug zu hört weil sie vielleicht einmal gesagt hat, ich soll nicht alles überdramatisiseren.
Sie nimmt sich so viel Zeit für uns, kocht fast jeden Tag, fährt uns mit dem Auto hin wenn wir irgendwo hin müssen und ist eigentlich ja immer für uns da. Ich merk auch selber das ich total Glück habe mit meiner Mama, weil sie mir so viel erlaubt. Ich darf abends lange draußenbleiben, ich darf von der schule daheimbleiben, wenn ich mich psychisch bisschen fertig fühl etc. also Sachen die andere Mamas halt nicht erlauben. Und dann rasste ich immer bei jeder Kleinigkeit halb aus und mach sie damit wirklich traurig.

Sie hat im Streit schon mehrmals wegen mir geweint und sagt auch oft, dass sie sich sehr müde fühlt. Ich fühl mich so unfassbar schlecht und oft kann ich ja auch dankbar sein aber ich habe mir schon so oft vorgenommen, sie besser zu behandeln und kriege es einfach nicht hin.... Ich bin wirklich ratlos und mich macht es so fertig, weil ich wirklich so oft unnötig Streit anfange und mich danach direkt schrecklich fühle, weil ich sehe, wie sehr ich sie belaste. Könntet ihr mir vielleicht mit der Situation helfen?

Unsere Antwort

Deine Vermutung "Ich merke wirklich selber, dass ich das Problem bin" möchte ich hinterfragen. Deine Mutter bringt viele Jahre mehr Lebenserfahrung mit und trägt eine höhere Verantwortung für die Gestaltung eurer Beziehung. Es ist aber auf jeden Fall ein sehr liebevoller Schritt von dir, zu überlegen, wie du zu einer Lösung beitragen kannst.

Ich kann mir vorstellen, dass du ziemlich im Zwispalt bist. Einerseits ermöglicht dir deine Mutter sehr viel, andererseits scheint sie nicht auf das zu hören, was du dir konkret wünschst. Du möchtest zum Beispiel nicht, dass sie dein Zimmer aufräumt. Sie macht es trotzdem. Ich frage mich, wie deine Mutter mit ihren Grenzen umgeht. Tut sie mehr für euch, als ihr eigentlich selbst gut tut und erwartet als "Gegenleistung" eure Dankbarkeit? Das tut Beziehungen nicht gut. Gute Beziehungen profitieren von Klarheit. Auch Mutter-Tochter-Beziehungen.

Aus deinen Worten schwingt sehr viel Liebe für deine Mutter mit. Eine schlechte Tochter würde die Beziehung zu ihrer Mutter kaum mit so viel Dankbarkeit und Mitgefühl für die Situation der Mutter darstellen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich deine Mutter sehr freuen würde, wenn sie diese Zeilen auch lesen könnte. Hast du ihr mal deine Gedanken so mitgeteilt, wie du es uns geschildert hast? Denn du hast die Situation sehr ehrlich analysiert und beschreibst beide Seiten: Du leidest, und auch deine Mutter. 

Leider lässt man natürlicherweise Frust, Wut und Ärger am meisten an den Personen aus, denen man am nächsten ist. Weil: Nur wenn eine gewisse Vertrauensbasis vorhanden ist, getraut man sich, sich echt zu zeigen. Aus diesem Grund schreien wir auch keine Fremden auf der Strasse an, sondern heben uns starke Gefühle für Daheim auf. Hast du denn einen Frust, oder einen Ärger wegen etwas anderem im Leben? Stresst dich etwas Spezifisches? Freund*innen? Schule? Zukunftssorgen?

Streiten kann übrigens auch helfen, um deine eigene Meinung zu finden. Du beschreibst ja ab und zu, dass du "im Nachhinein" gemerkt hast, dass du falsch lagst. Grundsätzlich ist es ja absolut menschlich, mal die Kontrolle zu verlieren und etwas zu tun, oder zu sagen, was du danach bereust. Wichtig ist vor allem, was du mit dieser Erfahrung machst. Und du scheinst dir deiner Entgleisungen sehr bewusst zu sein. Wenn du dich danach für dein Verhalten entschuldigen kannst, ist das schon eine sehr reflektierte Haltung. Deshalb meine Frage: Wie habt ihr bisher die Konflikte aufgelöst? Hast du ihr danach gesagt, dass du gemerkt hast, dass deine Reaktion nicht ok war? Dass du siehst, dass sie ja aus Liebe zu dir handelt? Und im anderen Fall, dass dir sehr wichtig ist, dass sie respektiert, was du möchtest? Wenn es dir schwer fällt, dies mündlich mitzuteilen, wäre der schriftliche Weg eine gute Alternative. Das kann per Messenger sein, oder auch ein paar handgeschriebene Zeilen. Wichtig finde ich auf jeden Fall eine offene und ehrliche Kommunikation. Das heisst: Auch mal sagen können, wenn du im Nachhinein merkst, dass du falsch lagst. 

Du schreibst zwar, dass das "schon immer irgendwie so" war. Könnte es auch sein, dass die Konfllikte zugenommen haben in den letzten Jahren? Denn die Pubertät bringt so einiges durcheinander und ist für alle Beteiligten nicht einfach: weder für die betroffene Person noch für das Umfeld. Sei daher nicht so streng mit dir selbst, wenn solche Situationen immer wieder neu entstehen: Konflikte mit den Eltern gehören ein wenig zum Ablöseprozess der Pubertät dazu. Auch deine Mutter hat diesen Prozess einmal durchlaufen. Vielleicht wäre es spannend, sie mal zu fragen, wie sie diese Zeit damals erlebt hatte? Hatte sie auch oft Streit? Wo und mit wem ist sie angeeckt? Solche Gespräche können euch wieder näher bringen.

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Frage Nr. 39742 von 09.05.2025

Danke für euere Antwort auf die Frage Nr. 39715 von 04.05.2025. Ich mache mir sorgen um meine Freudin. Ihr Mutter hat Depressionen und ist seit vielen Jahren auch wegen ihrer traumatischen Kindheit in Behandlung. In letzer Zeit berichtet meine Freundin depressiv vestimmt zu sein. Ihre Mutter wirkt gegen aussen hin eigentlich normal und sehr nett. Meine Freundin erzählt aber das ihre Mutter oft überlastet ist und viel schläft. Ich habe folgende Frage: Nehme ich da etwas falsch wahr, da die Mutter gegen aussen sehr bemüht wirkt? Wie kann ich meiner Freundin am besten helfen?

Unsere Antwort

Das klingt nach einer schwierigen Situation. Du kannst deiner Freundin am besten helfen, indem du ihr zuhörst und für sie da bist. Aber auch, indem du Hilfe holst, wenn es schlimmer wird oder es dir zu viel wird. 

Du hilfst ihr auch, indem du ihr glaubst, was sie über ihre Mutter erzählt. Denn nach außen können manche Menschen ihre Depressionen durchaus sehr gut verstecken. Und es ist ja gut möglich, dass ihre Mutter sich sehr bemüht, aber eben dennoch weiterhin mit Depressionen zu kämpfen hat. Denn Depression ist eben eine Erkrankung.

Ich weiß nicht, wie alt ihr seid, darum sind diese Ideen vielleicht nicht alle passend, aber ich gebe sie dir trotzdem mal.

Ist deine Freundin denn aktuell noch in therapeutischer Behandlung? Falls nicht, solltest du sie ermutigen, das wieder aufzunehmen. Vielleicht habt ihr an der Schule auch eine Sozialarbeiterin oder eine Vertrauensperson, mit der ihr mal über diese Situation sprechen könntet. Auch eine Familienberatungsstelle könnte vielleicht weiterhelfen.

Du kannst deine Freundin auch fragen, ob sie Hilfe braucht bei Aufgaben zu Hause. Oder sie vielleicht immer mal zu dir nach Hause einladen, zum Beispiel zum Abendessen oder auch zum Übernachten. Kinder von depressiven Eltern haben oft wenig Routine und um sie wird sich oft nicht genug gekümmert. Da kann ein Zuhause, wo sie ein bisschen umsorgt wird, sehr viel wert sein.

Sag deiner Freundin, dass sie dir alles erzählen kann. Zum Beispiel auch, wenn sie daran denkt, sich selbst zu verletzen oder zu töten. Ich weiß, dass das sehr beängstigend sein kann, aber oft hilft es schon sehr, wenn es jemanden gibt, der da ist und zuhört. Wenn deine Freundin wirklich an so etwas denkt, sollte sie das unbedingt in ihrer Therapie erzählen, falls sie die denn hat. Wenn du oder sie Angst habt, dass sie sich wirklich etwas antun könnte, ruft unbedingt die Polizei oder fahrt zusammen in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Ihr könnt auch immer Notfallnummern, wie die Telefonseelsorge (in Deutschland) oder die 143 (in der Schweiz) anrufen, damit sie euch sagen, was zu tun ist. Wir haben auch eine ganze Liste an Links zusammengestellt von Stellen, die Hilfe in solchen Situationen anbieten.

Achte bei dem Ganzen auch darauf, gut für dich zu sorgen. Sprich zum Beispiel mit deinen Eltern darüber. Trag das nicht allein, denn das hilft weder dir noch deiner Freundin. Je mehr Unterstützung du hast, umso besser kannst du auch für sie da sein.

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Frage Nr. 39724 von 05.05.2025

Ich bin weiblich und möchte nicht mehr leben. Was soll ich tun

Unsere Antwort

Du scheinst gerade in einer schwierigen Situation zu stecken. Du musst da nicht alleine durch. In dieser Liste findest du Anlaufstellen, an die du dich wenden kannst. Dort kannst du Hilfe und Unterstützung finden. Wenn du in Deutschland wohnst, findest du weitere passende Angebote auch in diesem Text.

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Frage Nr. 39715 von 04.05.2025

Hallo Lili
Ich habe eine etwas kompliziertere Frage. Wie kann die Depression der Mutter die Tochter prägen? Hat die Tochter ein erhöhtes Risiko selbst eine Depression zu entwickeln? Was sind Schutzfaktoren, was sind Belastungsfaktoren?
Danke für eure Hilfe!

Unsere Antwort

Ja, Kinder von Eltern mit Depressionen haben ein erhöhtes Risiko selbst an Depressionen zu erkranken. Es wird vermutet, dass es auch eine gewisse genetische Veranlagung für Depressionen gibt, allerdings ist das allein nicht der Grund. Wenn ein Elternteil Depressionen hat, kann sich das in vielerlei Hinsicht auf Kinder auswirken. Die Erziehungskompetenz ist durch die Erkrankung meist geringer, was bedeutet, dass Kinder oft weniger Unterstützung und mehr Konflikte oder andere negative Ereignisse erleben. Auch typisch depressive Denkmuster wie „Ich bin wertlos" können an Kinder weitergegeben werden, wenn der Elternteil sie wiederholt äußert oder durch Verhalten zeigt. Grundsätzlich orientieren sich insbesondere jüngere Kinder sehr am Verhalten der Eltern. Wenn der Elternteil also depressiv ist, ist es auch für das Kind schwerer, einen guten Umgang mit Emotionen zu lernen oder zu lernen, wie man gut für sich sorgt. 

Besondere Risikofaktoren sind ein jüngeres Alter des Kindes, ein niedriger sozioökonomischer Status und natürlich auch der Schweregrad der Erkrankung. Auch wie mit der Depression umgegangen wird, spielt eine große Rolle. Man sollte vermeiden, dass es zu einer sogenannten Parentifizierung kommt, bei der das Kind die Aufgaben der Eltern übernimmt und sich quasi um die Eltern kümmert statt andersherum. Schützen kann daher, wenn der Elternteil anerkennt, dass er erkrankt ist und sich entsprechende Hilfe holt. Dem Kind sollte, falls es alt genug ist, erklärt werden, was eine Depression ist, um zu vermeiden, dass es sich selbst die Schuld gibt. 

Gute Kommunikation mit dem Kind und Unterstützung bei der Bewältigung der Situation sind enorm wichtig. Dabei hilft idealerweise der zweite Elternteil oder eine andere enge Bezugsperson. Generell ist soziale Unterstützung für Eltern und Kind ein großer Schutzfaktor. Für Kinder kann es sehr überfordernd sein, wenn sie sich mit dieser Situation allein fühlen. Sie proaktiv und frühzeitig zu unterstützen, kann sehr viel abfedern.

Sehr viele Kinder, die depressive Eltern hatten, entwickeln später keine Depressionen. Es ist also nicht vorprogrammiert oder unausweichlich. Wichtig ist eine gute psychosoziale Unterstützung von Eltern und Kind und natürlich eine möglichst frühzeitige und effektive Behandlung der Depression. Falls dich das persönlich betrifft, empfehle ich dir sehr, dich an eine Familienberatungsstelle zu wenden. Oder natürlich eine psychologische Beratung oder Therapie aufzusuchen, falls das deine Vergangenheit betrifft.

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Frage Nr. 39687 von 13.04.2025

Hallo, ich studiere Medizin. Leider habe ich des öfteren die Erfahrung gemacht, dass bei praxisbezogenen Praktikas, wie Untersuchungskursen, Venenpunktionskursen, usw., unterschwellig ein Druck aufgebaut wird, seinen Körper zur Verfügung zu stellen, obwohl immer wieder betont wird, dass das ja alles freiwillig sei. Unter anderem kam es beim gegenseitigen Blutabnehmen zu einer Situation, bei der sich ein Student, der sich nicht Blut abnehmen lassen wollte, von dem zuständigen Lehrarzt so lange unter Druck gesetzt wurde, bis er schliesslich zustimmte. Teils folgten dann auch noch Kommentare von anderen, er solle sich doch nicht so anstellen.

Ich weiss, dass es für viele Leute einfach dazugehört, dass angehende Mediziner auch am eigenen Leib erleben, was für die Patienten unangenehm ist - auch, um an der eigenen Empathie zu arbeiten und die teils sehr trockenen Vorlesungseinheiten aufzulockern. Ausserdem ist es natürlich ganz ein anderes Lernen, wenn man eine klinische Intervention auch einmal selbst erfahren kann und gerade der professionelle Umgang mit Nacktheit und der eigenen Scham kann sehr gut trainiert werden. Trotzdem finde ich es sehr problematisch, da so einen subtilen Zwang auszuüben; gerade, weil doch das Erkennen und Wahren der eigenen Grenzen so wichtig im späteren Arztberuf ist. Ausserdem: Wie soll ein Arzt die Grenzen des Patienten wahren und respektieren, wenn er im Studium mitbekommt, dass bei ihm und anderen einfach so lange Druck aufgebaut wird, bis zugestimmt wird? Und weil es ja gerade im Studium bereits so wichtig ist, einen professionellen Umgang mit Nacktheit zu erlernen, ist so ein Druck doch gerade kontraproduktiv, da er die Scham einfach nur noch steigert?!

Ich habe selbst erlebt, wie unangenehm es ist, sich nicht ausziehen zu wollen und dann komische Blicke zu ernten, auch weil das Ausziehen untereinander oft als Transaktion betrachtet wird: Ich habe mein Shirt ausgezogen und mich dir zur Verfügung gestellt, also erwarte ich das Gleiche von dir. Ich verstehe das gut, aber genau deshalb halte ich mich bei Praktikas, bei denen ich weiss, dass ich mich nicht zur Verfügung stellen möchte, auch immer zurück und lasse die anderen untersuchen.

Das klingt jetzt vielleicht so, als würde mein Studium nur aus Untersuchungskursen bestehen, obwohl es vielleicht gerade mal vier Kurse gab im letzten Jahr, in dem wir an uns selbst lernen durften/mussten. Aber trotzdem beschäftigt mich das sehr, besonders, weil ich das Gefühl habe, dass ich der einzige bin, der sich so stört an der ganzen Sache. Viele meinen dazu einfach, klar stört es sie manchmal, sich teilweise so präsentieren zu müssen, aber so sei es halt einfach. Ich hingegen halte es für eine Doppelmoral meiner Uni, sich gegen Belästigung und Zwang aller Art im Studium einzusetzen und dann trotzdem so einen unterschwelligen Druck aufzubauen, seine eigenen Grenzen zu überschreiten.

Meiner Meinung nach gilt Selbstbestimmung und körperliche Autonomie sowohl für Patienten als auch für medizinisches Personal und ich sehe nicht ein, wie die körperliche Autonomie von Patienten geschützt werden kann, wenn man nicht mal selbst weiss, wie man seine eigene effektiv schützt. Was denkt ihr dazu?

Unsere Antwort

Da hast du offensichtlich sehr wichtige Erfahrungen gemacht, die deine Haltung prägen. Dir ist es besonders wichtig, dass Einvernehmlichkeit herrscht in der Arzt-Patient*innen-Beziehung. Es fällt dir negativ auf, wie diese Interaktion gehandhabt wird und deines Erachtens entspricht das nicht den Werten, die sich die Uni vornimmt.

Nun ist die Frage, wie du mit dieser Erkenntnis umgehen möchtest. Du sagst, du bist allein mit deiner Haltung. Ich könnte mir vorstellen, dass das nicht stimmt. Es gibt mit Sicherheit deutsch- oder englischsprachige Gruppen, die sich mit einer Consent-Kultur im medizinischen Bereich auseinandersetzen, die großen Wert auf Selbstbestimmung legt. Schau doch mal, wo du Gleichgesinnte finden kannst.

Die Erfahrungen können ein Anstoß dafür sein, womit du ganz persönlich dich weiter beschäftigen möchtest. Du kannst dein Verhalten unabhängig von den Rahmenbedingungen an dem ausrichten, was dir wichtig ist. Die Reaktionen anderer darauf sind nicht zwangsläufig positiv.

Es könnte ebenfalls interessant sein, dir zu überlegen, wie du mit Menschen reden kannst, um ihnen deine Sicht der Dinge näher zu bringen. Welche Beispiele könnten für sie relevant sein? In welchen Punkten könnten sie dir am ehesten zustimmen?

Du könntest dir ebenfalls überlegen, wie du zu einer lernfähigen Uni beitragen kannst. Es kann schwierig sein, den eigenen Werten treu zu sein, besonders wenn es alte Traditionen gibt, die diesen Werten entgegen stehen. Es braucht dann Personen wie dich, um diese Werte hochzuhalten und einen Beitrag zu leisten, dass eine Entwicklung in Gang kommt in Richtung dieser Werte. Wer in der Uni könnte Einfluss darauf nehmen, und wie kannst du mit diesen Personen oder Gruppen in Kontakt treten?

Schau doch mal, wie diese Gedankenanregungen bei dir ankommen.

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Frage Nr. 39685 von 13.04.2025

Ich habe mir in den letzten Tagen häufig Gedanken zu diesem Thema gemacht. Ich habe in letzter Zeit einige Zusammenhänge machen können zwischen meiner Geschichte und meinen Symptomen. Es fühlt sich aber dennoch an als wäre viel im Dunkeln.

Ich habe zum Beispiel teilweise Momente gehabt, an denen ich einen guten Zugang zu meiner Kindheit hatte und teilweise fühlt es sich an, als wäre da eine Wand oder ein schwarzes Loch. Ich kann teilweise über Erinnerungen sprechen und dennoch fühlt es sich an als wäre da eine Trennung. Es ist etwas schwierig diese Gefühl in Worte zu fassen. Ich denke Trennung zwischen den Gefühlen und den Erinnerungen beschreibt es recht gut. Man kann auch sagen als wäre eine Trennung da, zwischen dem unter dem ich heute leide und dem was früher vielleicht dieses Leiden ausgelöst hat. Ich habe in einer stressigen Zeit Panikattacken und stärkere Ängste entwickelt. Ich hatte auch teilweise mit depressiven Episoden zu kämpfen. Ich kenne mehr oder weniger meine Trigger aber nicht oder nicht komplett die Ursachen meiner Probleme und Symptome. Ich habe auch Mühe mit Stress umzugehen und diesen zu regulieren. Teilweise bin ich einfach verzweifelt.

Ich habe bereits zwei Therapien hinter mir, welche mir gelernt haben, wie ich mit den Symptomen umgehen kann. Ich habe mich dann auch überfordert gefühlt, wenn mich die Therapeutin oder eine andere Person gefragt hat, weshalb ich solche Ängste habe. Ich konnte es einfach nicht sagen. Ich habe nicht eine Erinnerung an ein Ereignis, welches dieses Leiden oder die Ängste ausgelöst hat. Ich habe das Gefühl ich müsste alleine herausfinden, was mit mir los ist und weiss es selber nicht. Ich komme mir dann auch wie ein Versager vor, da ich es trotz Therapie nicht schaffe und ander Menschen im Internet, gute Verbindungen zwischen ihren Symptomen und ihrer Geschichte herstellen können.Wie kann ich da weiter vorgehen?
Danke für deine Hilfe!

Unsere Antwort

Allgemein kann man sagen, dass wenn du schwierige Dinge in hohem Stress erlebt hast, es zu dieser Trennung kommen kann und diese Trennung in der Vergangenheit eine Schutzfunktion hatte. Nachher wenn du älter wirst, kann genau diese Schutzfunktion, die einmal nützlich war, Schwierigkeiten verursachen.

Ich empfehle dir, dass du das so siehst: Die Trennung, die du spürst, hat einen guten Zweck. Insofern ist das kein Versagen, sondern eine Fähigkeit, dass du die Trennung machst. Es ist ein Schutz. Dein Gehirn tut das, was nötig war in dieser Situation. Es hat eine Logik, dass dein Gehirn das so macht.

Wir unterscheiden übrigens das chronologische Gedächtnis – das sind die Erinnerungen, die du erzählen kannst – und das implizite Gedächtnis – das sind Erinnerungen, die sich in Form von Bildern, Gefühlen und Empfindungen melden, und die sich sehr realistisch und gegenwärtig anfühlen. Du hast vielleicht auch schonmal von einem Flashback gehört. Das meinen wir damit. Vielleicht kennst du das, dass du dich manchmal in einer Situation fragst, warum du auf eine bestimmte Situation reagierst oder warum sie dich übermäßig stresst oder beängstigt. Das könnte so etwas sein. Das ist quasi der emotionale Anteil, der aber nicht wirklich als Erinnerung verstanden wird. Bitte lies dazu unseren Text über Flashbacks. Vielleicht spricht dich das ja an.

Wichtig ist: Du bist ein völlig individueller Mensch und gehst deinen eigenen Weg. Lass dich nicht beirren von Erfahrungsberichten von anderen Menschen im Internet. Ihre Geschichte ist eine völlig andere als deine.

Wir alle vergessen ganz viel. Wir können Sachen vergessen, die unwichtig sind und wir können Sachen vergessen, die unangenehm sind und so weiter. Das Vergessen kann dem Gehirn helfen, eine gewisse Ordnung zu haben. Und nicht ständig überflutet zu werden, von all dem, was passiert ist. Vergessen ist also ebenso eine Fähigkeit wie die Trennung von Erinnerungen und Emotionen.

Ich möchte dich dazu einladen, uns wieder zu schreiben. Was waren das denn für konkrete Sachen mit denen du eine Verbindung zu deinen Ängsten und Depressionen herstellen konntest?

Du fragst, was du machen kannst. Ein Ziel einer Therapie könnte sein, emotionsbefreite Erinnerungen und das emotionale Erleben wieder zu verbinden. Das ist in einer guten Traumatherapie möglich.

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Frage Nr. 39672 von 09.04.2025

Ich hatte einvernehmlich Sex mit meinem ehemaligen Psychotherapeuten. Die Therapie ist seit ca. zwei Monaten beendet und wir sind erst vor kurzem wieder privat in Kontakt getreten. Ich habe ihn gerne um mich, aber trotzdem fühlt es sich nicht richtig an, weil er mal mein Therapeut war. Wie soll ich damit umgehen?

Unsere Antwort

Vertrau deinem Gefühl. In deiner Psychotherapie warst du die Patientin, die sich mit einem Leiden in Behandlung begeben hat. Der Psychotherapeut hat viel von dir erfahren und hat dich sehr intim kennen gelernt. Er weiss wie du reagierst, was dir Angst macht, was dich freut und wahrscheinlich auch, wie das alles mit deiner Biografie zusammenhängt. Er war der Helfer in der Beobachtungsposition, der dich studieren konnte und dem du wahrscheinlich vertraut hast. Damit hattet ihr in der Therapie sehr verschiedene Rollen, die ihr zwei Monate nach Therapieende sicher nicht abgelegt habt. Darum fühlt es sich merkwürdig an, wenn dein Behandler auch dein Sexualpartner ist.

Zudem ist eine therapeutische Beziehung sehr hierarchisch. Das ist für eine medizinische /therapeutische Behandlungsbeziehung sinnvoll. Es ist besser, wenn der Arzt/Psychotherapeut ein Setting anbietet, indem er sich auskennt und Bescheid weiss. Das ist die Grundlage für Behandlungserfolge. Du kannst als Patientin den Behandler wechseln und dir ein passenderes Setting suchen. Aber du kannst nicht eine Praxis ummodeln und Behandlungsmethoden fordern, die der Behandler nicht gelernt hat. Diese Hierarchie wird weiter in eurer aktuellen Beziehung spürbar sein.

Therapeutischen Beziehungen sind darum Abhängigkeitsbeziehungen. Darum haben alle Behandlungsberufe eine Berufsordnung oder ethische Richtlinien. Alle diese Richtlinien enthalten des Verbot des sexuellen Kontakts zu Patient*innen, dass auch die Zeit nach der Therapie betrifft.

In der Berufsordnung der Föderation der CH-Psycholog*innen (FSP) wird das in Art. 31 so formuliert: «Mitglieder dürfen das besondere Vertrauens- oder Abhängigkeitsverhältnis in psychotherapeutischen Beziehungen nicht missbrauchen. Ihre Verantwortung für die Patientinnen und Patienten geht jederzeit ihren persönlichen Interessen vor, und sie unterlassen insbesondere jede Form von sexueller Beziehung, finanzieller Ausbeutung oder ideologischer oder religiöser Beeinflussung. Das Verbot missbräuchlicher Beziehungen bleibt nach Abschluss von Psychotherapien während einer dem konkreten Einzelfall angemessenen Zeitdauer, aber mindestens zwei Jahre bestehen.»

Auch dein Therapeut wird einer Berufsordnung verpflichtet sein. Er hat damit die Verantwortung, wenn er gegen seine Berufsordnung verstösst. Das weiss auch der Gesetzgeber. In der Schweiz z.B. steht die «Ausnützung einer Notlage oder Abhängigkeit» im Artikel 193 StGB Schweiz unter Strafe. 

Wenn du also das Gefühl hast, es sei etwas nicht richtig, hast du recht. Vielleicht hast du das Gefühl, dass die Abhängigkeit und die frühere Hierarchie heute keine Rolle mehr spielen. Vielleicht haben sie aber mit deinem Nicht-Richtig-Gefühl zu tun. Darüber könntest du dir Gedanken machen und schauen, wie sich deine Gefühle entwickeln. Ihn könntest du fragen, aus welchem Grund er seine Berufsordnung missachtete. Deine Gefühle werden dir den für dich richtigen Weg zeigen.

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