Stell deine Frage...

Frage Nr. 33958 von 28.10.2021

Hallo zusammen,
ich bin männlich und 24 Jahre alt, zum Zeitpunkt meines Problems war ich 23.
Also mein Problem ist, das ich diesen Sommer leider zweimal für Sex bezahlt habe. Ich war im Juli in einem Bordell und ein paar Wochen später bei einer escort Dame. Im Nachhinein habe ich das ganze sehr bereut und weiß nicht, wie das passieren konnte, weil ich sowas nie machen wollte oder in Erwägung gezogen habe.

Ich kann jetzt seit mehr als 3 Monaten fast an nichts anderes mehr denken das verarbeiten und fühle mich schlecht. Ich war immer sehr selbstbewusst, reflektiert und konnte auch alle negativen Erfahrungen gut wegstecken, weshalb ich immer stolz darauf war wer ich bin und wie ich mich entwickelt habe. Allerdings ist es in dem Punkt irgendwie anders. Mein Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl hat darunter klar gelitten und ich bin nicht mehr so stolz darauf wer ich bin wie es vorher der Fall war. Es fühlt sich so an als hätte sich etwas geändert, als würde es ein Leben davor und danach geben und ich ein anderer Mensch bin. Und ich denke oft an die Zeit davor, als ich das noch nicht getan habe und wünsche mir diese zurück. Ich hatte nie ein Problem damit, Frauen kennenzulernen, ich war immer offen und an Sex hat es auch nicht gemangelt, aber ich hatte auch nie ein Problem damit, mal über eine längere Zeit keinen Sex zu haben. Deswegen kann ich es umso weniger verstehen so etwas gemacht zu haben. Ich habe auch das Gefühl das kennenlernen von Frauen hat sich für mich geändert, weil ich immer diese Sache im Hinterkopf habe und Angst habe, wie es ist, wenn das rauskommt oder es zu erzählen, weil es ja schon etwas ist, was schlecht angesehen wird und ich mich dann der Person, die ich wohmöglich mag, schwach gegenüber fühle.

Aber ich würde sowas auch nie verschweigen wollen, weil ehrlichkeit für mich das wichtigste ist, in einer Beziehung und im Leben auch. Ich habe einfach das Gefühl mich dadurch angreifbar gemacht zu haben und das wollte ich nie. Zudem hat man das Gefühl es "nötig" gehabt zu haben und stempelt sich dadurch selbst ab. Ich steigere mich in die Situation gerade sehr rein, denke ich, und bräuchte einfach mal eine Meinung und Hilfe von euch. Vielen Dank im Voraus.

Unsere Antwort

Deine Gedanken scheinen dich momentan sehr zu belasten. Je mehr du darüber nachdenkst, umso mehr Raum nimmt dieses Ereignis natürlich auch in deinem Selbstbild ein. Es ist gut, dass du dich selbst reflektierst und über deine Handlungen nachdenkst. Dennoch finde ich, dass du hier sehr hart mit dir umgehst. Du wertest deine sexuellen Bedürfnisse ziemlich ab, wenn du sagst, dass du es "nötig hattest" und dich nun "angreifbar" und "schwach" fühlst. Sexuelle Bedürfnisse sind nichts, wofür man sich schämen muss. Sie durch die Inanspruchnahme von Sexarbeit zu befriedigen ist legitim. Wir bei Lilli sehen legale Sexarbeit, die respektvoll und ohne Zwang passiert, als nichts Unmoralisches an. Natürlich hast du recht: Sexarbeit ist in unserer Gesellschaft stigmatisiert. Aber das heißt nicht, dass dieses Stigma gerechtfertigt ist. Im Gegenteil, es schadet vor allem den Sexarbeiter*innen. Angreifbar machen kannst du daher nur dich selbst. Wenn du hinter deiner Entscheidung aus dem Sommer stehen kannst, dann kann dich damit auch niemand angreifen.

Die Frage ist also, wie kannst du dich mit dieser Entscheidung besser fühlen? Ich habe den Eindruck, dass hier vor allem helfen würde, wenn du dich besser verstehst. Du scheinst selbst sehr verwundert zu sein über deine Entscheidung – fast als wäre das ein anderer Mensch gewesen. Was war im Sommer los? Wie und wann kam der Gedanke das erste Mal auf? Welche Gefühle waren da im Spiel? Wolltest du einfach mal etwas ausprobieren und fandest die Vorstellung erregend? Das ist ein völlig legitimer Grund. Vielleicht hatte es aber auch gar nichts mit sexuellem Interesse zu tun, sondern du musstest Stress abbauen oder brauchtest Ablenkung von einer schwierigen Situation. Ich empfehle dir, mit viel Selbstmitgefühl auf Spurensuche zu gehen, um herauszufinden, was dich zu deiner Entscheidung bewegt hat. Selbstmitgefühl heißt, dass du nicht urteilst, sondern erst einmal neugierig und mitfühlend deine Gedanken und Gefühle wahrnimmst. Versuch mal, dich selbst so zu behandeln wie deinen besten Freund. Wie würdest du mit ihm sprechen, wenn er in deiner Situation wäre?

Die Situation und deine Beweggründe besser zu verstehen, kann dir dabei helfen, nicht mehr dieses Gefühl vom "Leben davor und danach" zu haben. Dann kann es sich wieder mehr als ein Teil von dir anfühlen. Ein Teil, für den du dich nicht schämen musst.

Schau dir mehr Antworten und Infotexte an zum Thema