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Frage Nr. 35162 von 09.06.2022

Zu 35042:
Hallo Lilli-Team,
ganz wie ihr schreibt, war ich auf diesen Angriff nicht gefasst. Da ich bereits als Kind von meinem Vater öfters mal geschüttelt wurde, wenn ich etwas nicht verstanden habe, hat mein Gehirn in dem Moment nicht einen Angriff wahrgenommen, sondern eine Bestrafung. Ich dachte, ich habe was falsch gemacht, ich werde bestraft. Vereinfacht gesagt. Die Folge war, dass ich Angst hatte, noch etwas falsch zu machen. Also habe ich mich passiv verhalten. Daher klingt das Verhalten für Außenstehende nicht logisch, wenn man den Hintergrund nicht kennt. Dieses Verhalten wurde vor allem auch dadurch verstärkt, dass ich wegen irgendwelcher Fehler meine damalige Ausbildung verlor und als Autistin diagnostiziert wurde. Ich sollte in eine Behindertenwerkstatt und wurde als dumm hingestellt. Heute nach fast 10 Jahren kam raus, dass ich ganz normal bin. Die Diagnose kann mittels genetischem Nachweis nicht stimmen.
Auch das hat dazu geführt, dass ich bei jeglichen Fehlern erstmal erstarre und die Lage checke.

Meinen Job als Prostituierte habe ich aufgegeben. Grund war, dass die Kunden in Deutschland seit dem Corona Lockdown letzten Jahres (Die Bordelle mussten schließen. Die Frauen arbeiteten illegal.) sich jegliche Rechte durch den Schwarzmarkt nehmen. Vor allem eine Arbeit ohne Kondom ist mittlerweile Standard, aber verboten und riskant. Aber auch so kann ich die Forderungen nicht erfüllen, da ich nicht nachts um Uhres ohne Auto durch die Gegend stolpern kann.
Anreiz für den Job war, dass ich keine Alternativen hatte. Aber mittlerweile regen mich diese Männer so sehr auf, dass ich lieber ohne Einkommen bin. Ich kann das einfach nicht mehr.

Ab Juli 2022 bin ich erstmal auch wirklich komplett ohne Einkommen. Mir wurde mein Minijob gekündigt, der mich noch teils etwas auffing. Bisher wurden meine Sozialhilfen in Deutschland trotz Widerspruch noch nicht bewilligt und jetzt bin ich auch noch gekündgt. Es hilft nur noch der Gang zum Gericht mit Eilantrag.

In der Psychiatrie hat man mir leider nicht geholfen. Man ist nicht zuständig, da es kein Krankheitsbild gibt, dass man dort behandlen könnte.
Ich wurde wiedermal vor die Tür gesetzt.
Bei anderen Ärzten ist es ähnlich. Überfüllte Praxis, keine Annahme von Neupatienten.

Jetzt fängt mein Cousin über mir auch noch an wieder so am Rad zu drehen. Vor zwei Tagen hat er sich so besoffen oder Drogen genommen, dass er erst stundenlang immer tranceartig dieselben Schmerzschreie von sich gegeben hat und dabei wohl noch gegen die Wand geschlagen hat. Polizei rufen nützt leider nichts. Es ist seine Wohnung und solange keine akute Gefahr besteht, kann die Polizei da auch nichts machen und tut es auch nicht.
Nach einigen Stunden und ein bisschen Schlaf, den ich haben konnte mitten in der Nacht, ging es morgens dann weiter mit dem Theater. Seine Freundin redete auf ihn ein und er schrie die ganze Zeit nur noch belanglos immer lauter "Jaaaa". Ich habe nur darauf gewartet, dass es wieder knallt. Da er ein Mann ist, darf er das. So ist mein Umfeld und so geht es hier Tag und Nacht.
Wenn ich es nicht mehr aushalte, setze ich mir Kopfhörer auf, dann höre ich nichts mehr. Das anrufen der Polizei ist mir nicht erlaubt und führt nur zu Zoff.

Bezüglich des Typen glaube ich mittlerweile, selbst eine Schuld mitgetragen zu haben, wie das Gericht schrieb. Ich hätte reagieren können und ich hätte flüchten können, da ich ihn kurz ins Bad geschickt habe.
Aber genau wegen der Situation mit meinem Cousin damals und der Polizei, die sich beschwerrte, ich hätte sinnlos angerufen, habe ich nichts getan. Ich hatte subsumiert, ich habe etwas falsch gemacht, ich habe erst einen Fehler begangen, jetzt mach ich nicht nochmal den gleichen Fehler.
Mein Gedanke war: Ein Tod durch Ermordung ist immernoch ehrenvoller als ein Tod als arme Irre auf der Straße oder ganz alleine und vergessen.
Ich war bereit zu sterben. Und ich bin es immernoch.

Ich wüsste nicht, wie mir eine Opferberatungsstelle helfen kann.
Juristisch ist der Fall abgeschlossen, weil ich schuld war.
Schutz ist nicht notwendig. Der Täter hat kein Interesse an mir.
Die Schuld bleibt bei mir und ich muss dafür sorgen, dass sowas nicht nochmal vorkommt, weil ich bin die Frau.

Sollte es dennoch mal vorkommen, so muss ich den Täter direkt angreifen und notfalls töten, weil ich darf keine Polizei rufen, geschweige denn, ich könnte so schnell wählen und Hilfe anfordern, wenn ich alleine bin.

Unsere Antwort

Wir möchten dich weiter ermuntern, dich an eine Opferhilfestelle zu wenden. Möglicherweise können sie dich bei der Suche nach einer Psychotherapeutin unterstützen. Möglicherweise können sie dir auch Stellen vermitteln, die Auswege aus deiner jetzigen schwierigen Situation kennen.

Wir wollten dich mit unserer letzten Antwort (35042) zum Handeln ermuntern. In deiner heutigen Frage beschreibst du nun, dass du in der Kindheit das Erstarren gelernt hast. Dann ist es verständlich, dass dein Körper bei späteren Angriffen immer wieder erstarrt, ohne dass du das willst. Und du wirst immer wieder denken, du würdest bestraft. Gewalt als Gewalt interpretieren und sich dann wehren, ist dann nicht möglich. Die alten Reaktionen sind einfach schneller. In einer Psychotherapie könntest du lernen, mit solchen Körperreaktionen fertig zu werden und dich um dein Selbstwertgefühl kümmern. Du wurdest wohl oft schlecht behandelt und bist jetzt in einer schwierigen Situation. Da ist es auch logisch, dass dein Selbstwertgefühl nicht sehr stabil ist. Es braucht also deine Zuwendung und Unterstützung. Das gelingt am besten, wenn du professionelle Hilfe suchst und dann auch annimmst. In deinen bisherigen Fragen hattest du immer einen «guten» Grund, warum eine Beratung oder Therapie nicht mehr passt. Auch wenn das Urteil bereits gesprochen ist und du keine Sexarbeit mehr machst, könnte dir ein bisschen Unterstützung nicht schaden, finden wir.

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