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Frage Nr. 35590 von 06.09.2022

Liebes Team von Lilli, ich bin eine 30-Jährige Frau und habe 2 Kinder. Beide Kinder spontan geboren. Dauernd stelle ich mir die Frage, ob 2 Kaiserschnitte für meine Gesundheit und mein Körpergefühl besser gewesen wären. Natürlich weiß ich um die Vorteile einer vaginalen Geburt für die Kinder, aber mein schlechtes Gefühl in Bezug auf meinen Körper bleibt.

Vor 2 Jahren hab ich mein zweites Kind mit einem DR °1 geboren. Dieser wurde nicht korrekt genäht-es fehlt circa ein halber cm. Da mein Damm ohnehin sehr kurz ist, fallen diese durchaus ins Gewicht. Meine Vaginalöffnung ist nun verlängert, was bei sexueller Errgeung besonders auffällt. Ich schäme mich vor meinem Partner und vor medizinischem Personal. Vor Kurzem sagte ein Gynäkologe zu mir, dass "viel Platz sei", was es nicht besser machte.

Ich habe bereits Hebamme, Gynäkolgin und eine Beckenbodentherapeutin befragt und alle rieten mir von einer Dammkorrektur in meinem Falle ab. Abschließen kann ich mit dem Thema allerdings nicht und überlege monatlich doch auf eigene Gefahr und ohne Indikation einen Korrektureingriff vornehmen zu lassen. Auch dass beim Schwimmen unangenehm viel Wasser in meine Vagina gerät, stört mich und lässt mich mit meinem Körper nach den Geburten hadern.

Mein zweites Problem bezieht sich auf meine Brustwarzen nach langen Stillzeiten. Diese sind nun stark verlängert und klappen nach unten, was in meinen Augen sehr eigenartig aussieht und ich auch noch niemals bei anderen Frauen so gesehen habe. Auch das könnte man chirurgisch korrigieren, was auch wieder deutliche Risiken birgt. Von der finanziellen Belastung abgesehen. Stark verkleinert und weich sind meine Brüste auch, die Größe ist nicht mehr messbar bzw. ein AAA wenn man möchte. Woran liegt das? Überall hab ich gelesen, dass die brüste sich wieder erholen. In meinem Fall nicht. Silikonimplantate sind aber keine Option.

Ich tue mich sehr schwer mit meinem Körper nach den Geburten und fühle mich nicht mehr begehrenswert.

Eine Beckenbodenschwäche welche bereits in Behandlung ist, tut ihr übriges. Soll ich mich chirurgisch behandeln lassen oder betrüge ich mich damit selbst?

Herzliche und gespannte Grüße!

Unsere Antwort

Schwangerschaften und Geburten können manchmal zu recht grossen Veränderungen im Aussehen und im Wahrnehmen der Vulva, der Vagina und den Brüsten führen. Das erfordert oft eine grosse Anpassungsarbeit und ein sich an den "neuen" Körper gewöhnen.

Das ist manchmal wirklich nicht einfach und kann zum Wunsch nach operativen Behandlungen führen. Dies ist sicher eine Möglichkeit und für gewisse Frauen kann das der richtige Weg sein. Von dem her ist es gut, wenn du dich von verschiedenen Fachleuten beraten lässt über die Möglickeiten, aber auch die Risiken von operativen Eingriffen. Am Schluss entscheidest du selbst, welchen Weg du gehen möchtest.

Du scheinst dich gut zu informieren und wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen. Von dem her: wenn sich der operative Weg am Richtigsten anfühlt für dich, dann verfolge ihn weiter. Ich habe einige Frauen begleitet, bei denen eine Korrektur des Dammes nach nicht optimal vernähten und verheilten Dammschnitten wirklich eine positive Veränderung in ihrem Erleben gebracht hat. Ich habe aber auch Frauen begleitet, bei denen operative Behandlungen nicht den gewünschten Erfolg brachten oder sogar zu neuen Problemen führten. Beides ist möglich.

Ich denke vor allem, dass das Schamthema sehr wichtig ist und auf jeden Fall eine gute Beachtung braucht. Meiner Erfahrung nach sind operative Korrekturen oft nicht der beste Weg, um das Schamgefühl zu verbessern. Scham ist eines der unangenehmsten Gefühle, die es gibt. Von dem her kann ich sehr gut nachvollziehen, dass du etwas dagegen tun möchtest. Schamgefühle wirken oft wie ein starkes Vergrösserungsglas. Der Fokus richtet sich immer mehr auf den vermeintlichen Makel, wie bei dir die Länge des Dammes oder wie gross die Öffnung des Vaginaeingangs ist, oder die Form deiner Nippel.

Scham führt oft dazu, dass die betroffene Person ihren Körper meist nur noch mit diesen kritischen Augen anschaut und das Gefühl bekommt, dass diese körperliche Veränderung auch jeder anderen Person sofort ins Auge stechen muss, zum Beispiel dem Sexual-Partner, obwohl es diesem vielleicht nicht einmal auffallen würde oder es ihn gar nicht stören würde. Oder dass er sich schnell an das neue Aussehen gewöhnen würde. Wenn aber die betroffene Person Scham und eigene Abwertung verspürt, kann sie sich immer mehr zurückziehen und an ihrer Attraktivität zweifeln. Das führt dann oft zu einem Teufelskreis und nur die Person selbst kann sich aus diesem selbst wieder rausführen. Denn auch wenn der Partner sagen würde, dass für ihn alles in Ordnung ist, würde sie es ihm vielleicht nicht glauben, eben weil es sich für sie selbst ganz anders anfühlt. Oft verliert die Person die innere Verbindung zu ihrem Körper, insbesondere zu ihren Geschlechtsorganen.

Es gibt aber einen Weg hinaus, und der führt über die Re-Integration des "verletzten" oder abgelehnten Körperteils. Es geht darum, die innere abwertende Haltung zu hinterfragen und neu zu gestalten. Würden wir zum Beispiel ein eigenes geliebtes Kind mit einem kleinen körperlichen Makel abwerten und deshalb nicht mehr lieben? Das würden wir wahrscheinlich nicht tun. Dennoch tun wir dies oft mit uns selbst, meistens unbewusst und eben sehr häufig nach Geburtsverletzungen oder Veränderungen durch die Schwangerschaft. Könnte es uns gelingen, mit einem freundlicheren Auge auf unseren "neuen" Körper zu schauen? Könnten wir versuchen, uns mit ihm wieder anzufreunden, in seiner neuen Form? Dies geschieht oft in kleinen Schritten.

Wichtig ist die Absicht die eigene Haltung zu diesen Körperbereichen neu zu gestalten. Du beschliesst also die Selbst-Abwertung nicht mehr weiter aurechtzuerhalten, und dich stattdessen mit deinem neuen Körper anzufreunden.

Dann kannst du das jeden Tag üben. Du könntest jeden Abend beim Einschlafen die Hand auf die Vulva legen und freundliche Gedanken dorthin schicken. Du könntest den Damm und die Geschlechtslippen täglich mit einem extra dafür ausgewählten guten Öl pflegen und einreiben, ebenfalls mit einer zugewandten, freundlichen Absicht. Du könntest dir die Vulva in einem Spiegel anschauen und statt der kritischen Brille versuchen, eine "Wohlwollen-Brille" aufzusetzen und schauen, was du nun neu entdecken kannst. Du könntest diesen Bereich berühren und diesen Vulvabereich fragen, welche Art von Berührung er angenehm fände. Dasselbe kannst du auch mit deinen Brüsten machen. Am Anfang fühlt es sich vielleicht noch ziemlich schwierig an, aber je länger du dranbleibst und mehrmals pro Woche so mit deinem Geschlecht oder deinen Brüsten in Kontakt gehst, desto leichter wird es und du kannst eine neue Beziehung mit diesen Körperbereichen aufbauen.

Wenn du es dir zutraust und du dieses Projekt wirklich mit Engagement verfolgst, gelingt es mit grosser Wahrscheinlichkeit. Ich drücke dir die Daumen, dass es gelingt. Du kannst dich dabei natürlich auch von einer Sexualtherapeut*in begleiten lassen. Und lies doch auch mal unseren Text zu Körperbild und Körpergefühl.

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