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Frage Nr. 36135 von 07.01.2023

Hallo Lilli
Ich m. fühl mich sehr einsam. Früher in der Schule war es noch ein wenig besser. Aber jetzt ist es richtig schlimm. Vor kurzem hatte ich Geburtstag und keiner aus meiner Altersgruppe hat mir geschrieben an diesem Tag. Ich habe schon noch ein paar "Freunde", aber die haben nur sehr wenig zeit. Ich sehe sie höchstens 2 mal im jahr. Sie haben oft Stress im Job/Studium oder Freundinnen, die sehr viel zeit brauchen. Das verstehe ich, aber ich kann nicht gut damit umgehen. Mich stresst auch, wenn jemand mehrere wochen braucht, um zurückzuschreiben oder sich nicht an abmachungen hält. Ich getraue mich auch gar nicht, eine geburtstagsparty zu machen, weil niemand herausfinden soll, dass ich keine richtigen Freunde habe.

Früher hatte ich mal sowas wie einen "besten Kumpel", der hatte immerhin etwa 6 mal im Jahr zeit, um sich mit mir zu treffen. Aber dann ist er in eine andere stadt gezogen. wir haben uns noch 4 mal mit dem zug besucht, bekamen aber immer mehr streit und er hat dann irgendwann einfach meine handynummer blockiert. Seit 3 Jahren schon hab ich jetzt nichts mehr gehört von ihm. Das ist so traurig.

In meiner Familie ist es auch schlimm, da sind alle miteinander zerstritten und viele Leute sind auch schon gestorben. Mir fehlt oft einfach die Kraft, um nach draussen zu gehen und ausschau nach potentiellen Freunden zu halten, weil ich ziemlich krank bin. Ich war schon 3 mal stationär in der psychiatrischen Klinik und hatte mehrere Operationen wegen einem Unfall. Ich fühle mich nicht mehr wohl in meinem Körper.

Das alles versuche ich natürlich jeweils zu verheimlichen, einfach weil ich gemerkt habe, dass sowas viele Leute abschreckt. Naja, trotzdem schaffe ich es nicht, jemand neues für mich als richtigen Freund zu gewinnen. Oft habe ich das gefühl ich sei minderwertig im Vergleich zu anderen. Ich weiss gar nicht, was ich mit meinem Leben anfangen soll und sehe keinen Sinn darin. Aber mein wunsch wäre es, nicht mehr so alleine zu sein.

Unsere Antwort

Du bist nicht minderwertig! Aber: du steckst in einer sehr schwierigen Lebenssituation. Du schreibst, du bist durch Unfallfolgen eingeschränkt. Und du musstest mehrmals stationäre Behandlung in Anspruch nehmen. Das ist wirklich schwer zu ertragen. Zudem musst du deine Kraft gut einteilen, sonst reicht sie nicht. Wenn du mit all dem haderst, ist das verständlich.

Du schreibst nicht, wie alt du bist. Ich lese aus deinem Text, dass dein Schulabschluss noch nicht lange her ist. Deine ehemaligen Schulkolleg*innen sind darum vollständig mit ihrem eigenen neuen Lebensabschnitt beschäftigt. Sachen wie Berufsausbildung, Studium und ein neues soziales Umfeld bringen neue Beziehungen mit sich. Das hast du verstanden. Jetzt stellt sich die Frage, wie du dir ein eigenes Umfeld erarbeitest. Dein jetziger Versuch, abzuwarten und sich nichts anmerken zu lassen, schreckt zwar andere nicht ab. Du selbst wirst damit aber auch nicht glücklich. Die körperlichen Verletzungen durch Unfall und Operationen mindern deine Körperzufriedenheit. Darum braucht es jetzt deine Aktivität. Was kannst du tun, dass du deinen Körper wertschätzen kannst, auch wenn er leidet und versehrt ist?

An deinem Text merke ich, dass deine früheren Freunde eine grosse Rolle in deinen Erwartungen und Gefühlen spielen. Dir tut weh, dass sich niemand von früher zu deinem Geburtstag meldet. Wenn du weisst, dass alle sehr beschäftigt sind, warum machst du sie nicht auf das Datum aufmerksam? Warum wünschst du dir keinen Geburtstagsgruss? Möchtest du dir beweisen, dass die anderen dich vergessen haben? Du weisst auch genau, wie oft du in der Vergangenheit welchen Freund gesehen hast. Bemerkst du auch die Leute, die dich heute umgeben? Oder sind die es in deinen Augen nicht wert, bemerkt zu werden? So wie du dich minderwertig fühlst? Minderwertigkeitsgefühle sind sehr hinderlich. Sie machen blind für Möglichkeiten in der Gegenwart. Sie wiederholen ja dauernd, dass du für diese Welt nicht ausreichst. Und das ist Unsinn. Es stimmt, deine Situation ist anders als die deiner Kolleg*innen. Du musst Schmerzen und Verluste in einem Lebensabschnitt bewältigen, in dem andere ihr Leben aufbauen. Du hast darum ganz besondere Erfahrungen gemacht. Die unterscheiden dich von den anderen. Sie haben dir aber beim Überleben geholfen und machen dich zu etwas Besonderem.

Unser Rat: Nimm dein Leben wie es ist. Lass dich nicht in der Hilflosigkeit sitzen. Du hast viele Fragen: Was fange ich mit meinem Leben an? Was soll der Sinn meines Lebens sein? Wie gebe ich meinem Leben einen Sinn? Was kann ich tun, damit ich mich NICHT so allein fühle? Wie finde ich Freunde? Mach dich auf den Weg, sie zu beantworten. Weil ich weiss, dass dir die Antworten auf deine Fragen nicht einfach so einfallen werden, schlage ich dir eine Psychotherapie vor. Gut wäre, du hättest eine mitfühlende Begleitung, die dich aufmerksam macht, wenn du dich wieder verurteilst. Und die dir Wege zeigt, wie du zu aufbauenden Urteilen über dich selbst kommst. Und wenn in deinem privaten Umfeld dich gerade niemand mitfühlend begleitet, ist eine professionelle psychotherapeutische Begleitung der beste Weg. Vielleicht kann dir unser Kapitel «Meine Stimmungen und meine Gefühle» bei der Entscheidung helfen.

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