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Frage Nr. 37624 von 14.11.2023

Ich bin weiblich 27 Jahre.Warum wird es gesellschaftlich als selbstverständlich angesehen das eine Frau sich etwas (Penis, Spielzeug) in die Vagina steckt? Bei Männern wird ja auch nicht so selbstverständlich davon ausgegangen das sie sich etwas in den Anus stecken, obwohl die da ja auch eine Prostata haben. Ich hatte noch nie das Bedürfnis mir etwas in die vagina zu stecken. Es fühlt sich gut für mich an der Vulva zu berühren. Was anderes brauche ich nicht. Warum wird gesellschaftlich davon ausgegangen das Frauen das brauchen? Das einzige Problem ist das ich sehr starke Blutungen und braunen Ausfluss habe der öfter auftritt. Und starke Menstruationschmerzen. Ich kann mich nicht untersuchen lassen weil ich mir da unten nichts reinstecken lassen will, höchstens mit Betäubung. Außerdem redet meine Frauenärztin davon das ich eh nicht untersucht werden muss, wenn ich Jungfrau bin und geht dabei wie selbstverständlich von hetero Sex aus. Dabei bin ich lesbisch und sehe in Männern nicht mehr als bekannte und Kumpels. Was gibt es da für eine Lösung.

Unsere Antwort

Deine Frage erfordert eigentlich eine ziemlich komplexe Antwort. Denn es gibt mehrere Gründe, wieso das oft als selbstverständlich oder „normal“ angesehen wird. In unserer westlichen Gesellschaft ist die Sicht auf Sex historisch geprägt. Zum einen durch die, vor allem christlich-katholische, Moralvorstellung, dass Sex nur oder mindestens vorrangig der Fortpflanzung dienen soll. Das setzt zum einen Sex mit Penis-in-Vagina-Geschlechtsverkehr gleich und schließt natürlich auch alle nicht-heterosexuellen Aktivitäten aus. Zum anderen wurden Sex – und vor allem sexuelle Lust – sehr lange Zeit fast ausschließlich aus der männlichen Perspektive betrachtet. Gleichzeitig wurde (und wird oft noch immer) es fälschlicherweise mit Homosexualität gleichgesetzt, wenn ein Mann sich gern etwas in den Anus einführt. Homosexualität, insbesondere für Männer, galt sehr lange offiziell als Sünde, Straftat oder psychische Störung. Leider ist das ja teilweise auch heute noch der Fall. Zusammengefasst heißt das: Sich als Mann etwas in den Anus einzuführen, wurde gesellschaftlich bestraft, während das Einführen eines Penis in eine Vagina gesellschaftlich erwünscht war (zumindest unter den richtigen Umständen). Und da Frauen außerdem so wenig Zugang zum öffentlichen Raum hatten und ihre Stimmen nicht gehört wurden, war auch die weibliche sexuelle Lust generell lange unsichtbar, genau wie lesbische Frauen. Das ist jetzt nur ein ganz kurzer und vereinfachter Abriss. Es gäbe noch viel mehr dazu zu sagen, aber das sprengt den Rahmen unserer Beratung. Wenn dich diese gesellschaftlichen Themen näher interessieren, dann gibt es viele Bücher und andere Materialien dazu. Zum Einstieg kann ich dir zum Beispiel die Bücher „Der Ursprung der Welt“ und „Der Ursprung der Liebe“ von Liv Strömquist empfehlen. Das sind Graphic Novels, die sich sehr gut lesen lassen. Du könntest auch mal nach Kursen oder Vorlesungen zum Thema Gender und Diversität in deiner Nähe oder im Internet schauen.

All das bedeutet, dass es völlig in Ordnung ist, wenn du keine Lust dazu hast, etwas mit der Vagina aufzunehmen, um dich sexuell zu erregen. Allerdings wäre es schon wichtig, dass du deine Beschwerden abklären lässt. Denn bei akuten Beschwerden solltest du natürlich untersucht werden – ganz egal, ob du Geschlechtsverkehr mit einem Penis hattest oder nicht. Was ist es denn, was dich daran so abschreckt? Hast du Angst vor Schmerzen? Zu deiner momentanen Frauenärztin scheinst du kein gutes Verhältnis zu haben. Wie wäre es, wenn du dir mal eine neue suchst? Mit einer Gynäkologin, der du vertraust, könntest du besprechen, welche Art der Untersuchung wirklich nötig ist und wie ihr das so angenehm wie möglich für dich gestalten könnt.

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