Hallo Lilli.
Ich habe eine Frage zu Kommunikation mit einem - mal mehr mal weniger nahe stehenden - Menschen, verbunden mit Sexualität. Es gibt sexuelle Situationen, infolge deren ich ein Bedürfnis nach Austausch bzw. danach habe, angehört und angenommen zu werden. Zum Beispiel wenn etwas unangenehm, befremdlich, fragwürdig oder verletzend für mich war. Es kommt vor, dass, wenn ich das versuche, die andere Person abwiegelnd reagiert, oder das Thema viel schneller abzuschließen scheint als ich. Wenn ich nochmal darauf zurückkomme, entsteht oft ein Gefühl von Miskommunikation und Frustration, irgendwie auch Ohnmacht. Ich versuche, über meinen Schatten zu springen, die Person ist aber irgendwie wie ein Stein und verweist, wenn ich ein bisschen (zu?) hartnäckig bin, auf ihre Scham: „Sorry, I can only talk about Sex while being sexual, I‘m ashamed to talk about it outside of it.“ Mir fällt es ja auch nicht leicht, aber wahrscheinlich ..will ich irgendwie weiterkommen, insbesondere, wenn es um Grenzerfahrungen geht. Leider wird dabei auch oft als Vorwurf wahrgenommen, was nur Ausdruck der eigenen Verletzlichkeit ist, so glaube ich.
Habt ihr vielleicht Ideen dazu, wie man diese Kommunikationsschwierigkeiten angehen kann? Oder weist es darauf hin, dass „fundamental“ etwas im Argen ist? Inwiefern seht ihr einen selbst in der Verantwortung, mit der eigenen Fragilität umzugehen, inwieweit „muss“ man auf ein Entgegenkommen des Anderen „bauen können“?
Ich finde es so schwierig, zu wissen, was man in diesem Bereich nur mit sich selbst ausmachen kann und wofür man den anderen braucht und ab wann man Konsequenzen für sich ziehen muss..
Vielen Dank im Voraus !!
+++
Ergänzend zu 40178:
Ich empfinde es als grenzüberschreitend, zu stark an den Schamgrenzen des Anderen zu rütteln. Anderserseits bin ich manchmal wütend auf die Scham, stelle mir Fragen über deren kulturelle Prägung und habe ja auch ein Bedürfnis, dem die Scham dann eben im Weg steht. Und ich überwinde ja auch Scham, wenn ich manche Themen anspreche, jedenfalls, wenn ich gerade nicht hochemotional und sehr verzweifelt, sondern „nüchterner“ bin.. Inwieweit darf, soll, muss man Scham als gültig anerkennen, inwieweit darf, soll, muss man etwas von ihr fordern, z.b. eine Überschreitung, ein Wackeln, ein…- ?
(Habe im Übrigen selbst ziemlich starkes Schamempfinden, aber eben auch Interesse, damit irgendwas anzustellen..)
Unsere Antwort
Es ist ganz normal, wenn dem dir nahestehenden Menschen das Reden über Sex schwer fällt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn man es noch nie gemacht hat. Denn das Reden über Sex will geübt sein. Und es ist verständlich, dass du trotzdem nicht auf den Austausch verzichten möchtest.
Was du tun kannst, ist einen Raum zu schaffen, in dem die andere Person sich sicher fühlt und sich mehr und mehr öffnen kann. Das kann gelingen, wenn du zeigst, dass du Verständnis hast und die Person nicht verurteilst. Es hilft auch, Kritik nicht in einem Moment anzusprechen, in dem du aufgebracht und wütend bist. Warte lieber, bis du dich selbst wieder ruhig fühlst, bevor du das Gespräch beginnst. Denn wenn du selbst ruhig und gelassen bist, kann das auf die andere Person abfärben. Woran das liegt, kannst du in diesem Text über das autonome Nervensystem nachlesen. Und in diesem Text erfährst du, wie du dich selbst beruhigen kannst.
Du kannst auch noch einmal ganz direkt fragen, wann und auf welche Art es für die andere Person möglich wäre, über Sex zu sprechen. Sie hat ja gesagt, dass sie nur beim Sex über Sex sprechen kann. Vielleicht ist das ja eine Möglichkeit für dich. Denn das Reden über Sex beim Sex kann sogar ziemlich erotisch und erregend sein.
Wenn du Dinge ansprechen möchtest, die dich gestört haben, ist es besser, Vorschläge statt Vorwürfe zu machen. Auch wenn du in dem Moment vielleicht ziemlich unglücklich oder frustriert bist. Denn wenn du Vorwürfe machst, fühlt sich dein Gegenüber angegriffen und rechtfertigt oder verschliesst sich. Beginne stattdessen mit positivem Feedback und füge dann Vorschläge an. Anstelle von "Das hast du falsch gemacht!" könntest du zum Beispiel sagen: "Das und das hat mir gefallen. Was ich mir auch noch wünschen würde wäre..." Und wenn dir etwas nicht gefällt, gib nicht der anderen Person die Schuld, sondern sprich von deinem Erleben. Zum Beispiel indem du sagst: "Irgendwie bin ich kein Fan von …, möglicherweise würde es mir helfen, wenn du…" Und Vorschläge kannst du auch gut ansprechen, während ihr sexuell aktiv seid. In diesem Text findest du weitere Tipps, wie das Reden über Sex leichter fallen kann.
Diese Antwort gilt auch für Frage 40179.
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