Zu frage 40455: ja es ist auf der einen Seite Scham, was Familie und Freunde darüber denken könnten, dass ich nicht einfach ein date habe oder eine Beziehung, sondern für Sex bezahle und dann Sex mit einer fremden Frau habe. Und dann ist auch ein Gefühl in mir, dass ich mich komisch fühle wegen meiner sexuellen Triebe Sex zu kaufen. Aber ich brauche das endlich mal. Mein Penis ist ständig steif und ich denke permanent daran Sex mit einer Frau zu haben. Es ist auch das Ding dass das so einen schlechten Ruf hat, sich für Geld Sex zu bestellen.
Unsere Antwort
Sexarbeit ist in unserer Gesellschaft immer noch stark stigmatisiert – sowohl für die Menschen, die sie anbieten, als auch für diejenigen, die ein solches Angebot nutzen möchten. Weil so wenig offen darüber gesprochen wird, entstehen viele Vorurteile. Und das kann dazu führen, dass Schamgefühle sehr groß werden oder bestehende Unsicherheiten sich verstärken.
Wir von Lilli sind der Meinung, dass Sexarbeit ein legitimer Weg sein kann, Sexualität zu erleben. Gleichzeitig ist uns wichtig klarzustellen: Es gibt Formen von Sexarbeit, die mit Gewalt oder Zwang verbunden sind – davon distanzieren wir uns ausdrücklich. Wenn aber bestimmte Bedingungen erfüllt sind, wie Safer Sex, Freiwilligkeit, Einvernehmlichkeit, klare Absprachen und ein respektvoller Umgang, spricht aus unserer Sicht nichts dagegen, ein seriöses Angebot zu nutzen.
Du schreibst, dass du gerade nicht in einer Beziehung lebst und dass sich bisher keine entwickelt hat. Das ist viel häufiger, als man denkt – und es sagt nichts darüber aus, ob man Nähe verdient oder ob mit einem „etwas nicht stimmt“. Auch ohne Beziehung bleibt dein Wunsch nach Sexualität ein ganz normales, berechtigtes Bedürfnis. Für manche Menschen ist es entlastend, sich bewusst zu machen, dass Sexarbeit eine Form von Dienstleistung ist – ähnlich wie andere körpernahe Dienstleistungen, die wir auch bezahlen, ohne sie moralisch zu bewerten. Dieser Blick kann helfen, etwas Scham aus dem Thema zu nehmen.
Menschen haben aus ganz unterschiedlichen Gründen Sex. Das verbreitete Ideal, Sexualität müsse „von selbst“ entstehen, aus tiefer Liebe und ganz ohne Zutun, stimmt so nicht. Die Forschung zeigt sehr deutlich, dass gelebte Sexualität vielschichtiger ist als dieses romantisierte Bild. Viele Menschen suchen über Sex Nähe oder Bestätigung, möchten sich begehrt fühlen oder Geborgenheit erleben. Manchmal wird über Sexualität Verbundenheit hergestellt oder ein Konflikt beruhigt. Andere nutzen Sex, um sich zu entspannen, Stress abzubauen oder sich selbst besser zu spüren. Manche handeln unausgesprochene Bedürfnisse oder Erwartungen innerhalb einer Beziehung aus. All diese Gründe sind menschlich und legitim. Und sie zeigen: Sexualität entsteht bei den meisten Menschen aus einer Mischung verschiedener Bedürfnisse. In gewisser Weise kann Sexarbeit sogar klarer und transparenter sein, weil alle Beteiligten genau wissen, worum es geht und welche Grenzen gelten. Das kann für manche Menschen eine Form von Ehrlichkeit sein, die in Beziehungen sonst selten so explizit ausgesprochen wird.
Dass du darüber nachdenkst, Sexarbeit zu nutzen, ist also nichts Ungewöhnliches. Es ist eine persönliche Entscheidung, die du in Ruhe für dich treffen darfst. Niemand außer dir kann einschätzen, was du gerade brauchst oder was sich für dich stimmig anfühlt. Und es gehört zu deiner Privatsphäre, ob du Sexarbeit nutzt oder nicht – und ob du darüber mit Familie oder Freunden sprechen möchtest oder eben nicht.
Wenn du dich dafür entscheidest, kann es hilfreich sein, dir ein seriöses Angebot zu suchen und dich im Vorfeld gut zu informieren. So kannst du sicherstellen, dass du dich wohlfühlst und deine Grenzen ebenso respektiert werden wie die der anderen Person. Mehr Infos zum Sexgewerbe findest du in diesem Artikel über Sexarbeit der Aids-Hilfe Schweiz.
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