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Frage Nr. 28480 von 08.01.2020

Liebes Lilli Team,
ich bin männlich, Mitte 30, heterosexuell. Mit Interesse habe ich den Abschnitt zur Erklärung von Sexphantasien gelesen. Da stand beschrieben, dass z.B. eine hohe Muskelanspannung bei der Frau eher gewalttätige Phantasien fördert, auch wenn sie das in Echt gar nicht wollen würde.
Gelten solche Korrelationen auch für Männer? Also wenn sich ein Mann z.B. etwas Krasses vorstellt?
Also zum Beispiel, wenn er es generell mag, wenn er großes Spielzeug benutzt. Und sich dann vorstellt, dass er von einem Pferd gef*** wird oder sich mal sowas im Internet anschaut, ob als Cartoon (vorzugsweise) oder als "Echtfilm"? Ist das dann auch so "harmlos" erklärbar, oder deutet das auf eine perverse Störung oder so etwas hin?
Danke für die Antwort!

Unsere Antwort

Das sind keine perversen Störungen: Grundsätzlich sind alle sexuellen Fantasien normal. Denn sie sind ja nicht die Wirklichkeit. In sexuellen Fantasien können krasse Dinge passieren, die man in der Wirklichkeit nicht machen möchte. Das ist das gleiche wie bei Träumen.

Zum einen hat das tatsächlich mit dem körperlichen Zustand zu tun, in dem du eine sexuelle Fantasie hast. Das ist bei Männern genau gleich wie bei Frauen. Anhaltend hohe Muskelspannung und kurze Atmung ist der Zustand des Körpers in Stress und Gefahr. Und dieser Zustand des Körpers ist verbunden mit Gefühlen wie Angst, Scham, Wut, Ekel, und mit Gedanken an Feinde und schlimme Dinge, die passieren können. Man nennt das auch die «Kampf-Flucht-Reaktion». (Verantwortlich dafür ist dein vegetatives Nervensystem, genau genommen ein Nerv, der Sympathikus heisst, falls du das mal googlen willst.)

Viele Menschen sind in sexueller Erregung in diesem Zustand von anhaltend hoher Muskelspannung und kurzer Atmung. Und eigentlich wähnt sich jetzt ihr ganzes System in Gefahr. Logisch, dass dann eher sexuelle Fantasien auftauchen, in denen es hart zu und hergeht, und in denen durchaus auch «schlimme» Dinge geschehen können. In der Regel wollen die Menschen diese Fantasien nicht in Wirklichkeit umsetzen. Und wenn, dann machen sie es in BDSM-Rollenspielen. In diesen Rollenspielen ist immer ganz klar: Es ist ein Spiel, es ist keine Wirklichkeit.

Nicht selten ist es übrigens auch so, dass eine sexuelle Fantasie ihren Ursprung irgendwo in der Kindheit hat: Man hat irgend etwas erlebt oder gesehen, das intensive Gefühle ausgelöst hat. Gute Gefühle oder auch schlechte Gefühle. So intensive Gefühle können sexuelle Erregung auslösen. Und das Gehirn speichert das Erleben und die sexuelle Erregung zusammen ab. Dann macht man irgendwann, vielleicht Jahre später, Selbstbefriedigung und löst so sexuelle Erregung aus. Und das Gehirn erinnert sich an die Verbindung von damals. Und prompt denkt man wieder an das Erlebnis von damals. Mit jedem Mal Selbstbefriedigung klappt die Verbindung besser, und man findet das erregender. Daher kann grundsätzlich alles auch zur sexuellen Fantasie werden. Nochmal: Alle sexuellen Fantasien sind normal.

Das erklärt nun noch nicht die Fantasie von dem grossen Spielzeug. Hier kommt noch was anderes dazu: Sexuelle Fantasien sind voll von übertriebenen Bildern. Ganz oft sind sie ja dazu da, sexuelle Erregung bis zu einem Orgasmus zu steigern. Für diese Steigerung braucht es intensive Reize. Die Vorstellung von einem Riesenspielzeug oder dem riesigen animalischen Penis eines Riesentiers ist viel intensiver als der normalgrosse Penis eines normalsterblichen Menschen. Wenn eine Mann von riesigen Penissen fantasiert, zeigt das auch seinen Wunsch, richtig viel Männlichkeit zu fühlen. Das ist normal.

Wovon wir fantasieren hängt damit zusammen, wie wir gelernt haben uns zu stimulieren. Nehmen wir an, ein Mann fantasiert ausschliesslich davon, dass er penetriert wird. Dann hängt das in der Regeln damit zusammen, dass er gelernt hat, sich auf eine Weise zu stimulieren, bei der die Sensibilität des After gefördert wird. Nicht selten ist das so, dass er dabei auf den Penis drückt und auf dem Bauch liegt. Das heisst: Es ist nicht nur die Muskelspannung, sondern auch die Körperhaltung bei der Selbstbefriedigung, die sich in die Fantasiebilder übersetzt. Ich mache noch ein Beispiel. Stell dir vor, ein Mann steht bei der Selbstbefriedigung unter der Dusche und lässt seinen Penis mit Beckenbewegungen in die Hand eindringen. Dieser Mann entwickelt eher Fantasien davon, dass sein Penis irgendwo eindringt, als ein Mann, der still daliegt bei der Selbstbefriedigung.

In der Regel finden Menschen ihre Träume weniger pervers als ihre sexuellen Fantasien. Dabei passieren in Träumen auch die unglaublichsten Dinge. Viele Menschen schämen sich über ihre «komischen», «extremen», «perversen» Fantasien. Die Scham ist ein wichtiges Gefühl. Denn sie hält uns davon ab, Dinge zu tun, die wir nicht tun sollten, weil jemand dabei zu Schaden kommt. Die Scham sollte allerdings nicht so weit gehen, dass man sich selbst oder die eigene Sexualität wegen der sexuellen Fantasien abwertet. Nochmal: In sexuellen Fantasien ist alles möglich. In ihnen gelten nicht die Grenzen, die in der Wirklichkeit gelten.

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