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Frage Nr. 29499 von 01.04.2020

Liebes Lilli-Team
Ich bin 43 und leide seit meiner Schwangerschaft vor 4 Jahren an Lichen Sclerosus. Mit dem körperlichen Symptomen komme ich ganz gut zurecht, aber was mir meine Beziehung vermiest ist, dass ich meine komplette Libido verloren habe. Mein Freund (38) ist nicht der begnadedste Lover aller Zeiten, aber auch kein Trampeltier. Ich versuche gerade händeringend zu unterscheiden; ödet er mich eigentlich an, oder ist Libido-Verlust tatsächlich ein großes Thema bei LS.

Manchmal denke ich, dass sich diese Erkrankung als Abwehrmechanismus bei mir eingestellt hat, um seiner knabenhaften Sexualität zu entkommen. Spielt so ein psychischer Faktor bei dieser Krankheit eine Rolle? Versteht mich nicht falsch; mein Freund ist nicht lieblos, oder grob. Eher wie ein immergeiler, aufgeregter Teenager. Er versucht es immer mal wieder- auf dieselbe Art, die schon beim letzten Mal nicht funktioniert hat, und bekommt viele, viele Körbe, die mir sehr Leid tun, aber am Ende eines Tages mit meiner 3jährigen Tochter will ich einfach nur noch chillen.

Ich bin müde und lustlos. Sex erscheint mir wie Arbeit die ich ableisten muss. Mein Freund will auch ganz gern mal wieder angeturnt werden, aber ich denke nur; ich bin doch kein Dienstleister. Das ist doch nicht normal, das man Sex als so eine Zumutung erlebt. Dabei sind Schmerzen nicht das Problem. Wir kommen mit Sheabutter ganz gut zurecht. Diese körperliche Unverbundenheit zerfrisst gerade meine Liebe. Wir sind unausgeglichen und keifen uns an. aber ein Leben ohne ihn kann ich mir nicht vorstellen. Ich empfinde uns wie Bruder und Schwester. Kann eine Beziehung so bestehen?
Verzweifelt

Unsere Antwort

Ich kann deine Lustlosigkeit gut nachvollziehen. Wieso solltest du auf diesen Sex Lust haben? Mir fällt da beim besten Willen auch kein guter Grund dafür ein. Aber der Sex könnte für dich wieder lustvoller werden. Dafür kannst du selbst etwas tun. Dazu findest du bei uns ganz viele Sextipps, mit denen du allein üben kannst.

Ich würde den Lichen Sclerosus als Grund für die Lustlosigkeit mal zur Seite packen. Denn selbst wenn er einen Beitrag leistet zu deiner Lustlosigkeit, ist er etwas, woran du nur sehr wenig ändern kannst. Du sagst auch selbst, dass ihr schon einen guten Umgang mit den Symptomen gefunden habt. Neben dem Lichen Sclerosus gibt es aber sehr viel, was du tatsächlich selbst in die Hand nehmen kannst.

Ich habe den Eindruck, dass du schon auf einem sehr guten Weg bist, denn du schaust der aktuellen Situation ziemlich schonungslos ins Gesicht. Nicht alle Menschen sind bereit dazu, sich und ihre Beziehung so zu betrachten, wie du das tust. Das ist ein guter Anfang. Du bist an einem Punkt, wo du findest: Also so soll das auf gar keinen Fall weiter gehen. Ich will, dass sich was ändert. Leider ist es ausweglos, zu versuchen, den anderen zu ändern.

Ich schreib das nochmal, weil wir das alle unglaublich ungern hören: Es ist ausweglos, zu versuchen, den anderen zu ändern. Die Schlussfolgerung daraus ist: Du kannst nur dein eigenes Verhalten ändern. Wie kannst du die Frau sein, die sich im Spiegel anguckt und zu sich selbst sagt: «Ich bin in dieser Beziehung genau die Frau, die ich sein möchte. Ich stehe für meine Bedürfnisse ein und ich gehe in respektvolle Verhandlung mit meinem Partner über seine Bedürfnisse» Bitte lies dazu auch diesen Text.

Viele denken, das Problem in Beziehungen sei zu wenig Verbundenheit. Doch eigentlich ist das Problem eher zu viel Verbundenheit – und deshalb zu wenig Eigenständigkeit. Wenn ihr beide auf eigenen Füssen steht, könnt ihr einander sagen, wann ihr Ruhe braucht und wann ihr Lust auf Sex habt und der andere kann das gelassen hören und seine Meinung dazu sagen. Ihr habt eine Basis, auf der ihr verhandeln könnt. Wenn ihr aber stark verbunden seid, reagiert ihr beide emotional total auf das, was der andere sagt. Er nervt dich damit, dass er ständig Sex will. Ihn nervt es, dass du keinen willst. Ihr habt dann keine gute Basis für Verhandlungen. Es hilft also eurem Miteinander, wenn ihr euch wieder wie zwei eigenständige Personen verhaltet.

Du könntest dich zum Beispiel fragen: «Was brauche ich, damit ich meinen Freund nicht ankeife?» Du schreibst, du willst am Abend einfach nur chillen. Kannst du dir so einen richtigen Chillabend gönnen und in eine Entspannung kommen, die dir wieder erlaubt, Lust auf Nähe mit deinem Freund zu entwickeln? Im Stressmodus erscheint der andere viel eher als Feind. Das ist in unserem Körper so angelegt. Wenn du es schaffst, dich körperlich in einen Zustand zu versetzen, in dem du ruhig und entspannt bist, kannst du viel einfacher Nähe zulassen. Dein Körper kann dir hierbei also ein grosser Helfer sein.

Die Entwicklung hin zu mehr Eigenständigkeit ist nicht einfach, aber sie lohnt sich. Ihr könntet euch auch bei euren Entwicklungen begleiten lassen. In Zeiten der Corona-Krise gibt es auch viele paartherapeutische Angebote online, teilweise sogar kostenlos. Schaut euch doch mal um. Wenn du Lust auf anspruchsvolle Lektüre hast, empfehle ich dir das Buch «Intimität und Verlangen» von David Schnarch.

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