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Frage Nr. 34442 von 14.01.2022

Liebes lilli-Team,

über den größten Teil meines Sexuallebens hinweg hatte ich (m, 49) Mühe, in der Paarsexualität zum Orgasmus zu kommen. Mal mehr, mal weniger. Als ich mich dann auch bei der Selbstbefriedigung zunehmend mehr anstrengen musste, habe ich begonnen, mich intensiver mit Sexualität zu beschäftigen. Erst der Blick, den mir das Sexocorporel-Konzept darauf vermittelt hat, hat mich ermutigt, "diesen Stier endlich bei den Hörner zu nehmen". Seit Ende letzten Jahres übe ich fleissig. Und, ja, es macht mir Spass. Nicht nur, weil ich merke, dass ich mich schon ein ganzes Stück auf den neuen Erregungsmodus umgestellt habe.

Als ich mir einigermaßen sicher war, habe ich begonnen, mich auch in unserer Paarsexualität mehr und vor allem aus dem Becken heraus zu bewegen und dabei tief und entspannend zu atmen. Zu meiner Überraschung veränderte sich nicht nur bei mir etwas, sondern auch bei meiner Partnerin. Sie genießt es seitdem noch mehr. Und das führte zu einer Veränderung: Nach einer meinem Empfinden kurzen Zeitspanne signalisiert sie mir, dass sie nun satt und befriedigt sei, die Penetration möglichst umgehend beenden und zum Kuscheln übergehen möchte. Weil ich nun nicht mehr so sehr auf sie fokussiert bin, wie ich das bisher war, trifft mich das meist unvermittelt. Sie fühlt sich rundum zufrieden, ganz ohne einen Orgasmus erlebt zu haben oder ihm nahe gewesen zu sein. Ihn gar nicht anzustreben, gehört für sie zur neuen Dimension des Genießens. Deswegen bittet sie mich, dabei nicht zu beschleunigen oder stärker zuzustoßen. Ich bewege mich in unserer neuen Sexualität ruhig, gleichmäßig, aber durchaus kraftvoll. Wenn sie mit ihrem Körper mitschwingt, bekommt unsere Sexualität einen spielerischen Aspekt, den wir beide gerne auskosten: Ich bin die Welle, sie der Strand.

Obwohl ich mich dabei gut erregen kann, gelingt mir auf diese Weise dennoch nicht den Orgasmusreflex auszulösen. Zumindest noch nicht. Den Wunsch meiner Partnerin kann ich dennoch gut respektieren. Wir haben schon seit langem uns beide von jeder Art von Orgasmuspflicht befreit. Weil ich zu diesem Zeitpunkt jedoch hoch oben in meiner Erregungskurve bin, ist der für mein Empfinden plötzliche und nahezu übergangslose Abbruch eine große Herausforderung. Wir haben eine unausgesprochene Vereinbarung: Wenn Du Dir von mir etwas wünscht, darf ich überlegen, ob und wann ich diesen Wunsch erfülle. Wenn Du mich bittest etwas zu unterlassen oder zu stoppen, mache ich das sofort und ohne es in Frage zu stellen. Das Einhalten dieser Vereinbarung trifft damit unvermittelt auf meinen gesunden Egoismus.

Über die Auflösung dieses Dilemmas haben wir beim ersten Mal gleich gesprochen. Ich hätte in dieser Situation prinzipiell die Möglichkeit, mehr oder weniger direkt auf Selbstbefriedigung zu wechseln. Das vor dem jeweils Anderen zu machen, gehört für uns durchaus zum sexuellen Menü. Für mich fühlt es sich nach diesem schönen Wellenspiel jedoch geradezu wie ein Bruch an und würde meine Zufriedenheit mit dem gerade Erlebten stören. Als Variante dazu, die für mich sehr viel stimmiger wäre, könnte ich meine Partnerin um Befriedigung durch Hand oder Mund bitten. Weil sie zunächst aber erst das Nachspüren und Kuscheln genießen möchte und ihre Lust auf weitere sexuelle Handlungen sich dabei verändern kann, stellt diese Option eine unsichere Erwartung dar. Wir haben uns ebenfalls vor langer Zeit darauf geeinigt, dass sie so etwas nur macht, wenn sie wirklich Lust dazu hat. So bleibt mir in der Regel nur die dritte Option: Die hohe sexuelle Erregung zu genießen - ohne sie unmittelbar zu entladen. Diese dritte Option ist für mich durchaus reizvoll, weil ich mich und meinen Körper dadurch neu kennenlernen und neues sinnliches Potenzial ausschöpfen kann. Bis jetzt ist das für mich aber noch eindeutig außerhalb der Komfortzone, weil ich das bei einem so hohen Erregungsniveau bis jetzt nicht kenne und nur schwer aushalten kann. Dennoch wähle ich diese Option mit Neugier.

Mit dieser besonderen Situation habe ich nun zwei sich widersprechende Ziele für meine Übungen. Einerseits möchte ich meine Erregung in der oben beschriebenen ruhigen, gleichmäßigen und wellenförmigen Art und Weise frei bestimmt so steigern können, dass ich innerhalb der Zeitspanne, in der meine Partnerin das genießt, kommen kann. Dem von ihr gesetzten Ende also gewissermaßen zuvorkommen. Und andererseits möchte ich lernen, diese hohe sexuellen Erregung auch dann als etwas ganz eigenständiges zu genießen, wenn ich sie nicht entlade. Die praktische Frage, die sich mir stellt: Ist es besser beim Üben die Fähigkeit zum schnellen Erregungsaufbau bis zum Orgasmus anzustreben oder ist es besser davor aufzuhören und das Aushalten der Erregung als Teil der Übung zu betrachten?

Unsere Antwort

Bevor ich auf deine eigentliche Frage eingehe, möchte ich etwas beschreiben, was mir beim Lesen deiner Frage aufgefallen ist:

Ihr seid gerade auf einer Entdeckungsreise von neuen Qualitäten in eurer Sexualität. Es ist bemerkenswert, welche Fortschritte du bereits gemacht hast. Und es ist in der sexualtherapeutischen Erfahrung alles andere als ungewöhnlich, dass Veränderungen in der sexuellen Erregungstechnik auch Veränderungen im Paar bewirken.

Du schreibst von Vereinbarungen, die ihr vor einiger Zeit getroffen habt. Findet ihr diese Vereinbarungen heute beide noch gut? Wenn ich deine Beschreibung so lese, klingt es für mich so, als könntet ihr da mal im offenen Gespräch neu darüber verhandeln. Was denkst du?

Ich würde hier noch in eine andere Richtung denken. Wie kannst du deine Partnerin für deine Wünsche gewinnen? Was könnte sie davon haben, wenn ihr noch etwas länger die sexuelle Erregung miteinander steigert? Schau dazu doch mal in unsere Texte Wieso lohnt es sich für mich (m), das Verführen zu üben? und Jemanden für mich gewinnen: Tipps für Männer. Die Tipps lassen sich gut auch auf deine Situation anwenden.

Hast du sie mal gefragt, was sie genau erlebt, kurz bevor sie zum Kuscheln wechselt? Das könnte interessanter Gesprächsstoff sein.

Nun zu deiner eigentlichen Frage: So, wie du das beschreibst, klingt das für mich etwas technisch. Dein Penis soll so funktionieren, dass du bestimmte Ziele erreichen kannst. Oder wie würdest du deine Beziehung zu deinem Penis beschreiben? Mir fällt auch auf, dass du etwas geniessen willst, was du nicht geniesst. Wie wäre es, wenn du dich öffnest für die Erfahrung, die du tatsächlich machst? Das wäre meine Empfehlung für das Üben: spür genau das, was du spürst. Denn das Üben bringt dich näher zu deinem körperlichen Erleben. Für deine weiteren Übungen möchte ich dir auch sehr das Buch Klappt's? – ein Übungsbuch für Männer ans Herz legen. Darin beschreibt Michael Sztenc sehr schön Visionen, denen du mit dem Üben näher kommen kannst.

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