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Frage Nr. 34966 von 03.05.2022

Hallo Lilli, mein Freund kritisiert mich dauernd wegen meinem Kind. Dass, ich ihn zu lasch erziehe und ihn nicht in seiner Selbstständigekeit fördere. Dass ich mir vom Vater des Kindes auf der Nase herumtanzen lasse, wegen der Aufteilung der Ferien und der Wochenenden.

Mein Sohn ist sehr wenig bei seinem Vater. Irgendwie sitze ich immer zwischen den Stühlen. Sagt der leibliche Vater einen Termin ab, dann habe ich sofort Stress mit meinem Freund, weil ich es nicht richtig geregelt habe. Ich versuche für mein Kind da zu sein. Er soll nicht das Gefühl haben dass er von mir auch nicht gewollt ist.

Ich weiß, dass ich nicht alles perfekt mache und mehr fordern sollte von meinem Kind (mehr helfen im Haushalt usw.) das meckert mein Freund auch an. Aber es ist als würde er wenn er mit uns zusammen ist alles beobachten was nicht gut läuft und es mir hinterher unter die Nase reiben. Ich bin dann sehr angespannt.

Viele Sachen laufen auch sehr gut. Da mein Sohn Asperger hat haben wir viele Baustellen mit Therapie und Schule u.v.m. Ich gebe was ich kann aber er gibt mir das Gefühl, dass es nie genug ist. Das tut meinem Selbstbewusstsein nicht gut. Es ist sowieso nicht wirklich gut.

Ich habe ihm gesagt, dass mir diese ständige Kritik nicht gut tut aber es scheint ihn nicht zu interessieren. Er sagt er will mir helfen aber so fühlt es sich nicht an. Wenn ich meinen Sohn habe geht er grundsätzlich trotzdem aus anstatt mit uns Zeit zu verbringen.

Er sagt er sei halt ein Kritiker und ein A... und er sei jetzt in dem Alter, dass er sich nicht alles geben müsse. Er war lange verheiratet und hat sich in der Ehe unterdrückt gefühlt. Das bekomme ich immer wieder zu spüren.

Ich weiß nicht ob es noch Sinn macht in dieser Beziehung zu bleiben. Ich fühle mich abhängig und ausgeliefert und nicht glücklich. Wie kann ich es ansprechen dass er es versteht. er ist sehr schnell beleidigt und es ist schwierig sich richtig auszudrücken. LG

Unsere Antwort

Es ist immer schwierig, so etwas aus der Ferne zu beurteilen. Ich habe mir beim Lesen einige Vermutungen gebildet. Schau mal, ob du mit denen etwas anfangen kannst: Du sagst, dein Selbstbewusstsein sei nicht wirklich gut. Das könnte erklären, warum du das zulässt, dass dein Freund ständig an dir rumkritisiert. Eine selbstbewusstere Frau hätte ihrem Freund ein Ultimatum gestellt und klare Regeln im Umgang miteinander eingefordert. Und wenn ihr Freund sich daran nicht gehalten hätte, hätte sie die Beziehung beendet. Die Frage ist: Warum ist dein Selbstbewusstsein nicht wirklich gut? Was hat das für eine Geschichte?

So wie du deinen Freund beschreibst, übernimmt er wenig Verantwortung für sein Verhalten. Du schreibst, er hat sich in der Ehe unterdrückt gefühlt, und du bekommst das zu spüren. Schau das mal genauer an. Wenn er sich unterdrückt gefühlt hat, hatte er die Wahl, sich weiter unterdrücken zu lassen oder nicht. Er hätte sich auch konstruktiv mit seiner Frau auseinandersetzen können, um herauszufinden, warum er sich so unterdrückt fühlt, und was ihre Probleme mit ihm sind. Er hätte sich selbst konfrontieren können und schauen, was sein Beitrag daran war, dass er sich unterdrückt gefühlt hat. Das hat er nicht. Und nun lässt er irgendwas an dir heraus. Erst war seine Frau "Schuld" und jetzt du. So klingt das für mich, wenn du das so beschreibst. Das klingt wie ein Mann, der für seine Lebenssituation und sein Verhalten nicht wirklich Verantwortung übernimmt – sondern sie anderen zuschiebt.

Du schreibst, dass es schwierig ist, Dinge bei deinem Freund anzusprechen, weil er schnell beleidigt ist. Beleidigtsein ist eine Form von Manipulation: Wir schmollen und möchten die andere Person so in einen unangenehmen Gefühlszustand versetzen. Dadurch wird die andere Person gehemmt und konfrontiert uns das nächste Mal vielleicht nicht. (Ich schreibe "wir", weil ich glaube, dass jeder Mensch beleidigt reagieren kann, und dass jeder Mensch auch manipulatives Verhalten zeigen kann). Beleidigt sein ist das Gegenteil von Verantwortung übernehmen. So wie du deinen Freund beschreibst, übernimmt er wirklich nicht gern Verantwortung.

Nun schreibst du zusätzlich, dass du dich abhängig und ausgeliefert fühlst. Hier empfehle ich dir nun umgekehrt, dass du deinem Freund nicht die Verantwortung dafür gibst, sondern dass du Verantwortung übernimmst. Was ist dein Anteil an der Schwierigkeit der Beziehung? Warum fühlst du dich abhängig und ausgeliefert? Was machst du, dass du dich so fühlst? Du bist eine erwachsene Frau. Wenn du nicht materiell von deinem Freund abhängig bist, geht es um eine emotionale Abhängigkeit. Wie kam es dazu? Was ist dein Beitrag, dass es soweit gekommen ist? Ausgeliefert bist du als erwachsene, gleichberechtigte Frau deinem Freund auch nicht. Hier handelt es sich wieder um etwas Emotionales. Wie kam es dazu? Was war dein Beitrag? Was kannst du tun, damit du dich weniger ausgeliefert und abhängig fühlst?

Verantwortung übernehmen heisst auch, dass du für dich selbst sorgst, wenn dein Freund dich schlecht behandelt: Wenn dein Freund beleidigt reagiert, könntest du ihm zum Beispiel so etwas sagen wie: "Ich sage dir das jetzt, obwohl du beleidigt reagierst. Denn es muss gesagt werden. Es ist für mich wichtig, dass du mich hörst. Denn es geht mir wirklich schlecht hier, und ich möchte, dass du dich mir gegenüber anders verhältst". Und dann sagst du ihm, was du dir wünschst. Er muss wissen, welches Verhalten er in einer bestimmten Situation zeigen sollte. Klar versteht er das. Auch wenn er es vielleicht nicht gern hört. Verantwortung übernehmen heisst auch, dass du notfalls die Konsequenzen ziehst und deinen Freund verlässt, wenn du siehst, dass er nicht bereit ist, sein Verhalten dir gegenüber zu verändern.

Wir kommen im Leben nur weiter, wenn wir Verantwortung für unsere Lebenssituationen und unser Verhalten übernehmen. Nur so können wir auch etwas tun, um unsere Situation zu ändern. Sonst erleben wir uns als hilflose Opfer. Und das ist im Grunde ein furchtbarer Zustand. Falls du selbst nicht weiter kommst, könntest du sicherlich von der Unterstützung bei einer Beratungsstelle oder in einer Psychotherapie profitieren. Denn du bist als alleinerziehende Mutter eines Kindes mit Asperger und zwei schwierigen Männerbeziehungen in einer sehr herausfordernden Situation. Ich würde dir wirklich jemanden gönnen, der dir hilft, selbstbewusster und unabhängiger zu werden, so dass du den Männern den Tarif durchgeben könntest und eine stolze Frau und Mutter werden kannst.

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