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Frage Nr. 35651 von 20.09.2022

Hallo liebes Lilli Team!

Bevor ich diese Frage stelle, habe ich mir einen Überblick verschafft, was denn bereits über das Thema Pornographie hier geschrieben wurde.

In meinem unmittelbaren Umfeld erfahre ich starke Ablehnung zu allem „Pornographischem“, während ich selber eigentlich in dem Ganzen auch viel Positives erkennen kann.
Selber habe ich Gefallen an der sogenannten Pornographie gefunden, da ich sozusagen nach Gleichgesinnten suchte, die auch Freude am Körper, unbekleidet, wie gewachsen haben. Freude an der Sinnlichkeit, die sich ja nicht nur auf die Sexualität beschränkt. Alltägliche Szenen, idealerweise nicht gestellt, wie beim Schwimmen, am Strand, beim Sport, halt alles nur nackt. Würde ich auch selber gerne mehr machen.
Also habe ich gesucht und im Netz schnell gefunden.
Unvermeidlich sieht man da auch viel Kommerzielles, was dann auch wieder meist weltfremd erschient, oder wenigstens unter Menschen, die sich respektvoll und auf Augenhöhe begegnen, nicht so stattfinden sollte. Sicher kein geeignetes Aufklärungsmaterial.

Aber was ich nun über Zeit bei mir selber beobachtet habe, ist dass der menschliche Körper entmystifiziert wird. Es ist gut, verschiedene Ausformungen z.B. der Vulvalippen oder Penis (was ist eigentlich der Plural von Penis?), kurz des ganzen Körpers zu sehen und zu akzeptieren. Und sich selber zu akzeptieren.
Manche Bilder oder Videos sind tatsächlich erotisch stimulierend, andere auch nicht. Dennoch freue ich mich immer, Bilder von nackten Menschen zu sehen, die sich nachvollziehbar in ihrer Haut wohlfühlen.

Nun, ist das denn immer und notwendigerweise Pornographie, wenn ein Mensch nackt auf einem Foto zu sehen ist? Oder nackt beim Yoga? (Habe ich auch selber gemacht). Ich freue mich natürlich besonders über Bilder meiner Enkelkinder, wenn diese nackt im Wasser planschen. Da ist von Erotik natürlich keine Spur. Mir scheint, dass wir, sobald wir den „Kurzschluss“ Nackt=Sex einmal behoben haben, viel eher auf die Signale unserer Mitmenschen achten, subtile Signale der Körpersprache, Blickkontakte, nette Worte, Einladungen sich kennen zu lernen oder aber auch auf Distanz zu bleiben, etc.

Ich hätte mir für mich selber gewünscht, eine „reale“
Aufklärung zu erfahren, anstatt eines Buches das mir als Teenager in die Hand gedrückt wurde. Ich hätte gerne selber gesehen, wie denn Frauen nun wirklich aussehen, oder andere Männer. Unabhängig vom eigenen Geschlecht oder Vorlieben. Lernen, mit den eigenen Trieben umzugehen, sie zu akzeptieren und auch leiten, kontrollieren zu können.
Ich hätte mir gewünscht, das zum Aufklärungsunterricht ein Team von Pädagogen selber nackt und anschaulich im Klassenzimmer steht. Die Angst vor dem (nackten) Körper zu nehmen.
Mir ist klar, dass das noch ein weiter Weg ist, das überhaupt anzudenken.
Vielleicht wäre ich dann nicht so naiv in meinen ersten Beziehungen gewesen, vielleicht hätte ich dann nicht aus falsch verstandenem Verantwortungsbewusstsein meine erste Partnerin geheiratet, was dann ja auch nach ein paar Jahren in die Brüche gegangen ist. (Dass daraus meine beiden Töchter hervorgegangen sind, darüber freue ich mich allerdings noch jeden Tag!)

Was mir bei der breiten Ablehnung von Pornographie so überhaupt nicht eingehen mag, ist dass wir mit großer Selbstverständlichkeit im Fernsehen, in Filmen , in Videospielen etc. Gewalt, auch Waffengewalt präsentiert bekommen, ohne dass das die Jugendschützer und Moralapostel auf den Plan gerufen werden. Oder eben staatliche Einrichtungen, die genau das regulieren.

Wie sehr ihr denn das? Ihr habt ja viel mehr Erfahrung und das fachliche Wissen zu der Angelegenheit.

Ich freue mich auf Eure Antwort!
Liebe Grüße von der anderen Seite des Großen Teiches.

Unsere Antwort

Wir bei Lilli sind auch der Meinung, dass die Sexualaufklärung oft unzureichend ist. Und dass es Leuten guttut, zu wissen, wie „echte“ nackte Körper aussehen. Denn sonst entstehen viele Ängste und Sorgen darüber, ob man selbst normal ist.

Ich stimme dir ebenfalls zu, dass es auffällig ist, dass wir Gewalt gesellschaftlich mehr darstellen und zeigen als Nacktheit. Du hast vollkommen recht, dass in den Medien Gewalt oft weniger problematisch zu sein scheint als Nacktheit und Sex. Das ist im Übrigen auch schon von vielen Soziolog*innen und anderen Wissenschaftler*innen angemerkt worden.

Du fragst, ob alle Nacktbilder automatisch Pornografie sind. Nein, das sind sie nicht. Tatsächlich ist die Definition von Pornografie gar nicht so klar. Das sieht man auch, wenn man sich mal Gesetze und Urteile zu diesem Thema anschaut. Als pornografisch kann man grob das bezeichnen, was mit dem Ziel hergestellt wurde, sexuelle Erregung hervorzurufen. Das macht die Sache aber nicht immer einfacher. Denn was ist zum Beispiel, wenn ein Kunstwerk diese Absicht hat, aber eben auch weitere, wie etwa das Spiel mit Farben oder das Auslösen von Freude? Die Grenzen sind hier also oft schwammig.

Du scheinst schon viel über deine Erfahrungen und Wünsche zum Thema Nacktheit gelernt zu haben. Ich würde dir wünschen, dass du das gut als Ressource für dich nutzen kannst, als eine Quelle von Freude und Lebendigkeit – egal, was dein Umfeld davon hält.

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