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Frage Nr. 35886 von 10.11.2022

Hallo :)
ich bin w, 23. Ich bin seit 6 Monaten in einer Beziehung und eigentlich sehr glücklich. Ich merke, dass die Phase von rosaroter Brille langsam weggeht und ich auch die schlechteren Eigenschaften meines Freundes sehe. Ich weiß, dass diese Phase eine Stufe in einer Beziehung ist und wir uns jetzt nochmal viel besser kennenlernen.
Jetzt ist es aber so, dass ich aus einer muslimischen Familie komme und er aus einer christlichen (nicht sonderlich religiös). Meine Mama ist auch weniger religiös und hat sich gefreut zu hören, dass ich einen Freund habe. Mein Papa hingegen war alles andere als begeistert, da in der muslimischen Religion eine muslimische Frau keinen nicht-muslimischen Mann heiraten darf. Ich habe mittlerweile schon recht starke Gefühle für meinen Freund und sonderlich religiös bin ich selber auch nicht. Aber ich tu mir so schwer, weil ich meinen Papa es gerne recht machen würde. Gleichzeitig würde auch das Verhältnis, dass ich mit den Tanten/Kusinen habe auch relativ schlecht werden, sollte ich es mal so richtig offiziell machen. Dass mein Freund konvertiert ist nicht eine Option. Ich bin hin und hergerissen, weil Religion in meinem Leben nicht keine Rolle spielt, aber bei der Partnerwahl das für mich nicht so relevant ist. Er respektiert auch die minimale Form von Religion, die ich ausübe. Nur hätte mein Papa gerne einen muslimischen Mann an meiner Seite und mein jetziger Freund versucht zwar offen zu sein, aber so richtig verstehen tut er es nicht. Da ich selber nicht so muslimisch bin, wie es sich mein Papa wünschen würde und ich diesem Thema oft entweiche, weiß ich jetzt auch, dass mir ein religiöser muslimischer Mann auf meiner Seite nicht wirklich glücklich machen würde und ich nicht nur meinen Papa sondern dann evtl. auch meinen Mann zu meinen Wertvorstellungen anlügen müsste. Ich würde so gerne mit jemanden reden, der sich in der muslimischen Religion auskennt und ebenfalls in zwei verschiedenen Kulturen aufgewachsen ist und offen an das Thema angeht, um dann vielleicht eine Lösung für diese situation zu finden, weil ich habe momentan das Gefühl daran zu ersticken und gegen eine Mauer zu fahren.

Unsere Antwort

Du hast dir viele Gedanken gemacht. Du weisst, wie dein Papa zur Religion steht. Du weisst, dass du nicht gläubiger sein kannst als du bist. Du weisst, dass du dir eine Beziehung zu einem sehr gläubigen Mann nicht vorstellen kannst. Du hast dir also schon eine Meinung gebildet. Jetzt stellst du fest, dass deine Meinung und dein Wunsch, es deinem Papa recht zu machen, nicht zusammen passen. Deine Gefühle sind zwischen der Achtung für deinen Papa und die Liebe zu deinem Freund hin- und hergerissen. So geht es sehr vielen Jugendlichen. Eigentlich stehen alle Jugendlichen irgendwann vor der Frage, ob sie die Kultur und die Werte ihrer Ursprungsfamilie übernehmen können oder ob sie durch Einflüsse anderer Kulturen eigene Werte bilden. Dadurch können grosse Spannungen entstehen. Bei dir sind es die verschiedenen Religionen, die dich vor die Frage stellen, wie eigenständig du dich entwickeln möchtest/kannst. Dabei merkst du, dass du den Konflikt mit deinem Vater nicht umgehen kannst. Du kannst zwar dem Thema immer wieder ausweichen. Die Spannung in dir wird dadurch aber nicht kleiner. Die Vorstellung, vor deinem Vater für deine eigenen Werte einzustehen, macht dir noch Angst. Das ist sehr verständlich. Darum verstehe ich auch deinen Wunsch gut, mit Menschen in ähnlichen Situationen in Kontakt zu kommen. In der Schweiz könntest du dich an Fabrina wenden. In Deutschland gibt es den Verband binationaler Familien, der auch Beratung anbietet. In Österreich gibt es FIBEL. Wenn du mehr lesen willst, gibt es im Familienhandbuch einen längeren Text. 

Wir möchten dich sehr ermutigen, deine Eigenständigkeit zu entwickeln. Deine Vorstellungen sind deiner Zufriedenheit und deinem Glück am nächsten. Du bist sehr rücksichtsvoll und hast bereits geprüft, dass dein Freund deine Religion toleriert. Jetzt könntest du daran arbeiten, wie du deinen Vater von deiner Zukunft überzeugst. Für ihn ist es sicher wichtig, dass du dich nicht vollständig von deiner Familie entfernst und dich nicht im Streit von ihr trennst. Er wird sich aber auch wünschen, dass seine Tochter Liebe erlebt und einen verständnisvollen Partner hat. Hoffentlich findest du Gesprächspartner*innen, die dir Mut zusprechen, deinen eigenen Weg zu gehen.

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