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Frage Nr. 35922 von 15.11.2022

Rückmeldung zur Frage 35891. Vielen Dank für die konstruktiven Vorschläge und die Beratung. Das tut gut, denn das Thema ist aktuell sehr emotional für mich. Der Satz "alles ist super mit vaginalen Geburten und danach merkt man körperlich nichts mehr davon", spiegelt die landläufig verbreiteten Informationen dazu wieder.

Selbst hier habe ich gelesen, dass die vagina in ihren ursprungzustand zurück kehrt. Tatsächlich würde ich meinen beckenboden als weitestgehend austherapiert bezeichnen. Da Hilfe zu bekommen, war auch schwieriger als gedacht, da meine Frauenärztin auch "alles super" fand. Ich bin dann selbst in ein Beckenbodenzentrum und hab dort erfahren, dass ich senkungen grad 1-2 in allen 3 kompartimenten habe. Das lässt mich mit Sorge in meine gesundheitliche Zukunft schauen. Ich bin noch nicht mal 30 und hab wirklich viel getan und auf ein besseres outcome gehofft.

Bei einer spezialisierten Therapeutin war ich auch und trainiere auch weiterhin und trage ein pessar. Was bleibt, sind negative Gefühle und ein beeinträchtigtes Selbstbewusstsein. Ich denke nun häufig, dass meiner Gesundheit mit 2 kaiserschnitten besser geholfen wäre. Aber wie Sie schon sagten, bringen mich solche Gedanken an "was wäre wenn" nicht weiter. Ich wünsche mir nur für alle anderen Frauen eine bessere Aufklärung. Deshalb finde ich es ganz wunderbar, dass sie sich diesem Thema widmen. Viele Grüße und herzlichen Dank :-)

Unsere Antwort

Danke, es freut uns, dass unsere Antwort dir geholfen hat!

Es ist tatsächlich so, dass man oft im Nachhinein nicht erkennen kann, ob eine Frau spontan geboren hat. Aber die Vagina kehrt nicht in den Ursprungszustand zurück. Die Formulierung war ungeschickt. Im menschlichen Körper kann man nicht von Ursprungszuständen sprechen, denn der Körper verändert sich ständig.

Auch wenn zwei Spontangeburten den Beckenboden ziemlich beanspruchen können, wären zwei Kaiserschnitte vom Medizinischen her gesehen nicht die bessere Option gewesen, ausser sie wären wegen Geburtskomplikationen absolut nötig gewesen. Beim Kaiserschnitt wird der Bauchraum eröffnet und die Gebärmutterwand durchschnitten – das Risiko für Komplikationen wie Infektionen, Blutungen oder Verwachsungen im Bauchraum sowie für Thrombosen ist viel grösser als bei einer vaginalen Geburt.

Ich denke, dass du stolz sein kannst, dass dein Körper diese Meisterleistung, zwei Kinder selbst zu gebären, vollbracht hat. Und eigentlich könnte das dein Selbstbewusstsein eher stärken als schwächen. Wir leben aber leider in einer Kultur der Idealisierung des perfekten, unversehrten, jugendlichen Frauen-Körpers. Statt Frauen für Ihre einzigartige Fähigkeit, Kinder in ihrem Körper heranbilden und gebären zu können, zu feiern, werden Frauen nach Geburten oft als irgendwie "beschädigt" und nicht mehr unversehrt dargestellt. Und leider verinnerlichen Frauen diese Haltung oft selbst. 

Ich könnte mir vorstellen, dass deine negativen Gefühle und Ängste bezüglich deiner Beckenbodenveränderungen mit diesem Erleben im Zusammenhang stehen. Von dem her empfehle ich dir neben dem Beckenboden- und generell körperlichem Training, das sicher ein Leben lang sinnvoll ist, auch deine verletzten Gefühle ernst zu nehmen und dir zu überlegen, wie du deinem Körper zunehmend mit Wertschätzung und vielleicht sogar Bewunderung begegnen könntest – und ihn ehren könntest für sein wundersames Funktionieren in so vielen Bereichen. 

Es muss nicht sein, dass du wegen der leichten Senkungszuständen in Zukunft Probleme haben wirst. Insbesondere wenn du deinen Körper mit regelmässiger Bewegung, Beckenbodengymnastik, gesunder Ernährung und genügend Schlaf fit hältst, ist es sehr wahrscheinlich, dass du trotz der zwei vaginalen Geburten auch später im Leben auf einen gut funktionierenden Körper zählen kannst. 

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