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Frage Nr. 37318 von 29.08.2023

Hallo Lilli Team

Ich m. 27 fühle mich sehr einsam. Ich habe keinen einzigen Menschen, der mich wirklich versteht. Ich habe schon viel durchgemacht in meinem Leben. Ich vertraue mittlerweile niemandem mehr und erzähle auch niemandem mehr etwas von mir, einfach weil ich viele schlechte Erfahrungen gemacht habe.

Ich wurde schon zwei Mal Opfer von Straftaten, war schon drei mal stationär in der Klinik. Vor einiger Zeit habe ich auch noch meinen Job verloren weil ich mit meiner Cheffin nicht mehr klar kam. Ich habe eine Angst- und Zwangsstörung, die so stark ist, dass ich es manchmal nicht mal mehr aus dem Haus schaffe und lieber zu Hause bleibe. Ich muss immer wieder meine Hände waschen, weil ich mich sonst "schmutzig" fühle. Dann bin ich einfach in meinem Zimmer am weinen. Ich weiss nicht was tun.

Die Ärzte haben gesagt, ich sei nun ein Fall für die IV. Aber damit komme ich nicht klar. Der Psychiater hat gesagt, ich solle doch einfach mal einen Spaziergang machen oder ein Buch lesen. Das setzte ich auch um, wenn ich genug Kraft dazu habe, aber ansonsten ist mein Leben nur noch grau und langweilig. Ich fühle mich komplett überflüssig in dieser Gesellschaft. Manchmal wünsche ich mir einfach nur, dass jemand da ist, mich in den arm nimmt und mich tröstet wenn ich so traurig bin. Der Psychiater hat mich noch nie in den Arm genommen, er darf das ja gar nicht. Was soll ich bloss machen?

Andere Leute aus meinem Jahrgang unternehmen ganz viele Dinge, da kann ich einfach nicht ganz mithalten. Ich könnte höchstens mal jemand zum Essen einladen in ein Restaurant, das wäre das Maximum was ich einer anderen Person geben könnte, wenn sie im Gegenzug manchmal etwas zeit für mich hätte.

Unsere Antwort

Deine Verzweiflung ist verständlich. Vor allem, wenn du an alle schwierigen Erfahrungen aufeinmal denkst. Dann kann dir gar keine Entlastung einfallen, weil immer wieder aus irgendeiner Ecke  Erinnerungen an belastende Situationen auftauchen. Wir raten dir, dich in deiner Therapie nur auf eine Sache zu konzentrieren. Könntest du zum Beispiel deine Angst- und Zwangsstörung mit einer fokussierten Verhaltenstherapie angehen? Solche Therapien haben am ehesten Erfolg, wenn du mit dir verabredest, dass du tatsächlich aus dem Angst-Zwang-Verhaltenskreis aussteigst. Zusammen mit einem Therapeuten könntest du herausfinden, wie es dir gelingt, die Wohnung zu verlassen und wir allem, was du ausserhalb der Wohnung für Aufgaben löst. Du könntest dich auch ganz darauf konzentrieren, wen du zum Essen einladen möchtest? Auch hier hast du am ehesten Erfolg, wenn du deine Negativ-Gedanken vorwegnimmst und so lange suchst, bis dir jemand einfällt, den du fragen kannst.

Du hast nämlich recht. Wenn du dir von deinem Psychiater  eine Umarmung wünschst, wirst du immer enttäuscht bleiben. Wenn du dir hingegen eine Massage leistest, könntest du dich darauf konzentrieren, die Berührung zu geniessen. Du könntest Berührungen auch beim Coiffeur oder Barbier geniessen. Wichtig ist, dass du das geniesst, was da ist. Wenn du immer innerlich «es reicht nicht» fühlst, kann passieren was will. Es entsteht ein Teufelskreis, aus dem du nur schwer herausfindest. Vielleicht meinte dein Psychiater etwas Ähnliches wie wir, als er dir ein Buch oder einen Spaziergang empfahl.

Deine Gefühle ändern sich nur, wenn du sie änderst. Das kannst du. Du machst es wahrscheinlich schon dauernd. Wenn du deine Welt grau erlebst, überleg wie du sie hellgrau machst. Und lass nicht zu, dass dir zu hellgrau nichts einfällt. Wenn du übst, die kleinen Veränderungen wahrzunehmen, veränderst du deine Stimmung mit vielen kleinen Schritten.

Lass nicht zu, dass du dich als «schmutzig» oder in der Gesellschaft als «überflüssig» ansehen darfst. Beides bist du nicht. Es ist doch schon schlimm genug, dass du nicht so viel unternehmen kannst, wie viele Personen deines Alters. Mach dich nicht nieder! Du hast richtig erkannt: Du brauchst Trost. Wenn niemand dich tröstet, fang schon mal selbst damit an.

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