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Frage Nr. 37736 von 20.01.2024

Liebes beratungsteam! Ich bin 30 Jahre und habe 2 Kinder vaginal geboren. Das Thema Geburtsverletzungen triggert mich massiv, vor allem wenn ich höre dass Frauen unverletzt geblieben sind. Ich habe meine Kinder vollkommen selbstständig und ohne analgetika geboren. Dabei aber einen DR II bei der ersten und einen DR I bei der zweiten Geburt erlitten. Die Naht des DR II belastet mich bis heute mental. Ich wurde ohne Absprache anal untersucht und unter größten Schmerzen genäht und es wurde über die schwere des risses vor meinen Ohren besprochen. Die Schmerzen beim infiltrieren waren so massiv, dass ich einen Schock bekam. Auch hat die Wirkung nicht ausreichend eingesetzt. Es wurde jedoch einfach weiter gemacht. Ich habe gezittert, geweint und geschwitzt und alle haben einfach zugesehen. Mein Partner mit Baby auf dem Arm ebenfalls.

Bisher nahm mich niemand ernst damit. Die Naht des DR I ist leider nicht korrekt was mich optisch auch nicht los lässt da das Erlebnis mit starken Emotionen verbunden ist. Bei der zweiten Geburt habe ich mich jedoch geschützt und beim nähen immer wieder stop gesagt wenn es zu viel wurde. Denn auch da bestand das gleiche Problem. Meine Frage ist: wie kann man so ein Erlebnis integrieren? Natürlich im Rahmen dieser online Beratung-die Grenzen sind mir klar. Mit körperübungen komme ich nur bedingt weiter (masturbation vorm Spiegel, hinfühlen, hinschauen, vulvaabdruck etc.). Eine traumatherapie würde mich aktuell finanziell und kräftemäßig überfordern. Ich bedanke mich schon jetzt und freue mich auf ihre Antwort! Viele herzliche Grüße!

Unsere Antwort

Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu deinen beiden Kindern. Eine Geburt ist immer eine grosse Leistung, und du darfst stolz darauf sein, es geschafft zu haben.

Ich kann aufgrund deiner Schilderungen gut nachvollziehen, dass die Art und Weise wie die Nahtversorgung durchgeführt wurde, grenzverletzend und aufgrund der beschrieben Schmerzen auch unprofessionell war. In der Regel sollte eine ausreichente Lokalanästhesie verabreicht werden, bei der man zwar noch spürt, dass etwas gemacht wird, aber es nicht schmerzhaft sein darf.

Bei rund der Hälfte aller Spontangeburten kommt es zu einem Dammriss. Die Faktoren, welchen diesen begünstigen, sind von so vielen Einflüssen abhängig, dass es schwierig ist, diese vorgängig zu verhindern. Wichtig ist, dass dir bewusst ist, dass du dabei nichts richtig oder falsch gemacht hast. Von einem Vergleich mit anderen Frauen würde ich dir abraten, da ich denke, dass dieser nicht zielführend ist. Jede Geburt ist anders. Mit einem solchen Erlebnis bist du jedoch nicht alleine, und es ist gut, wenn du ernst nimmst, dass dich dieses Erlebnis bis heute mental so beschäftigt. Ein wichtiger erster Schritt zur Integration ist, anzuerkennen, dass diese Art von Behandlung nicht ok war.

Ich weiss nicht, wie sich der Schock, welchen du beschreibst, gezeigt hat. Da du sagst, dass du gezittert, geweint und geschwitzt hast. Dein Körper hat also klare Warnsignale gezeigt, dass das, was passiert nicht gut ist. Es ist super, dass du beim zweiten Mal Nähen deine Grenzen wahren konntest und das Tempo selbst bestimmt hast, in dem genäht wurde. Und doch scheint das Erlebte noch nicht verarbeitet sein. Du hast dich deinem Geschlecht bereits angenommen, was sicher ein weiterer wichtiger Schritt ist.

Ich kann mir vorstellen, dass es helfen würde, noch einmal mit einer Fachperson über das Erlebte zu sprechen. Mein Vorschlag ist, dass du dich an dem Ort meldest, wo du geboren hast. In der Regel ist es möglich, ein Nachgespräch zu haben, auch wenn die Geburt schon etwas länger zurückliegt. Das können die damals zuständigen Hebammen oder auch die beteiligten Ärzte sein. Dann hättest du die Möglichkeit, das was du erlebt hast, dort zu besprechen, wo die verantwortlichen Personen sind, und ein entsprechendes Feedback geben. Vielleicht kannst du dann auch einen Teil deiner negativen Gefühle dort platzieren und somit etwas loslassen?

Wenn du merkst, dass du doch ein Bedürfnis hast, eine Fachperson zu kontaktieren, welche nicht in die Situation involviert war, könntest du auch nochmal deine ambulante Hebamme, sofern du eine hast, kontaktieren für ein Gespräch.

Zudem würde ich dir raten, das Erlebte noch einmal aufzuschreiben. Das kann hilfreich sein, um es besser einsortieren zu können. Vielleicht fühlst du dich zu einem späteren Zeitpunkt bereit für eine Therapie oder ein Gespräch mit der Klinik, in welcher du geboren hast. Gib dir Zeit!

In der Schweiz gibt es den  Verein «Gewaltfreie Geburt». Dort gibt es diverse Informationen, Beratung und die Möglichkeit, das Erlebte zu platzieren. Schau dir die Site doch mal an. Vielleicht kann man dir dort auch sagen, was es allenfalls in deiner Gegend gibt. Möglich ist auch, dass du dich bei einer Beratungsstelle der Familienplanung/zur sexuellen Gesundheit meldest.

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