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Frage Nr. 40145 von 08.09.2025

Liebes Team, ich (36,w) habe vor einem Monat nach achtjähriger Beziehung die Liebe meines Lebens geheiratet und habe nun erfahren, dass mein Partner mit ADHS seit seiner Jugend pornosüchtig und ephebophil ist und verbotene Bilder und Videos von 14-18 jährigen Mädchen anschaut. Mir ist richtig schlecht bei dem Gedanken und ich spüre eine totale Ablehnung im Gegenüber, wenn er sich aktuell in meiner Nähe aufhält.

Er hat sich mir, seinen engsten Freunden und seiner Mutter semifreiwillig anvertraut, weil er als Jurist (!) plötzlich Sorge hatte, entdeckt zu werden. Er hatte sich auf einer russischen Seite herumgetrieben hat, die den Behörden bekannt ist und wohl geahndet wird. Bis jetzt hat sich aber niemand bei ihm gemeldet. Er sagt, er sei nie übergriffig geworden, könne sich das auch niemals vorstellen, auch abgespeichert hat er nie etwas.

Strafbar ist sein bisheriges Handeln natürlich trotzdem bereits und ich weiß nicht, ob ich ihn eigentlich anzeigen müsste, um mich nicht selbst strafbar zu machen. Er möchte sich beim Programm "kein Täter werden" anmelden. Ich weiß nicht, ob ich ihn überhaupt noch mit zu meinem Nichten nehmen kann und ob ich meiner Familie davon berichten kann, die ihn verurteilen wird und mich wohl gleich mit, sollte ich bleiben.

Ausserdem arbeitet er auch noch mit jungen Erwachsenen. Ich habe das Gefühl, als würde ich ihn garnicht mehr kennen, als wäre unsere bisherige Beziehung eine Lüge. Ich dachte zwischendurch mal, er könnte schwul sein, weil wir kein sonderlich intensives Sexualleben führen, was mich persönlich aber nie gestört hat, da ich wohl tendenziell asexuell (sexpositiv) bin. Dann habe ich es mir so erklärt, dass er einfach ziemlich verklemmt und konservativ ist - im Gegensatz zu mir. Ich habe ihm immer Gelegenheiten geboten, offen mit mir über Sexualität zu sprechen.

Ich weiß nicht, ob es überhaupt weiterhin möglich ist, eine romantische Beziehung zu einer Erwachsenen zu führen mit diesem Hintergrund. Seine Liebe zu mir ist schon echt, das bezweifle ich nicht, aber es hat sich doch mit einem Schlag alles geändert. Und dann befinden wir uns auch noch in einer Kinderwunschbehandlung und ich weiß noch nicht mal, ob so jemand überhaupt Kinder bekommen sollte. Ich kann das alles überhaupt nicht glauben. Ich kann keine produktiven Gedanken fassen, ich kann überhaupt nicht vorhersagen, wie sich meine Gefühle in dieser Sache entwickeln werden. Ich weiß noch nicht mal, was ich ganz genau fragen soll oder wie ich genau vorgehen soll.

Ich glaube, Abstand zu ihm täte mir zunächst gut. Ich werde wohl auch in diesem Programm bei ihm mal ein Gespräch haben. Aktuell war meine Hemmschwelle aber noch zu groß, weshalb ich diese Variante mit dem Schreiben vorgezogen habe. Vielleicht könnt ihr mir helfen, meine Gedanken etwas zu sortieren. Danke euch und viele Grüße von einer verzweifelten frischgebackenen Ehefrau.

Unsere Antwort

Ich verstehe sehr, dass du jetzt durcheinander und verzweifelt bist. Auch dein Bedürfnis nach Abstand ist nachvollziehbar. Falls der Abstand räumlich möglich ist, könntest du mit ihm besprechen, dass du jetzt mal eine Pause brauchst und deine Gedanken ordnen musst.

Es ist gut, dass er sich bei "Kein Täter werden" gemeldet hat. Diese Beratungsstellen sind auch für Angehörige, und es ist gut, wenn ihr dort auch zusammen hingeht. Unabhängig davon empfehle ich dir, dass du dich anonym bei Beforemore beraten lässt. Das würde ich jetzt sofort tun: Die Leute dort sind auf deine Fragen spezialisiert.

Sprich zuerst mit der Beratungsstelle, bevor du mit irgend jemand anderem redest. Ich empfehle dir, nur dann mit deinen Eltern zu reden, wenn du gute Gründe dafür hast. Derzeit wäre das offenbar keine gute Idee, denn du vermutest, sie würden dich verurteilen, wenn du bei ihm bleibst. Sie würden dich also unter Druck setzen. Es ist wichtig, dass du Entscheidungen für dich selbst fällen kannst. Für das brauchst du eben den Kontakt zu unabhängigen Fachpersonen.

Was die Anzeige betrifft: Du musst ihn jetzt nicht anzeigen. Ihr solltet mit den Fachpersonen besprechen, was da nötig und möglich ist.

Man unterscheidet "Hands off"-Täter und "Hands on"-Täter. Die meisten Menschen, die Pornos mit Jugendlichen schauen, sind "Hands off"-Täter, das heisst, sie werden nicht tatgreiflich und können sich das auch niemals vorstellen. Wenn dein Mann das jetzt so behauptet, kann das also durchaus stimmen. Wenn du mit ihm früher schon zu den Nichten gegangen bist und wenn das unproblematisch war, dann kannst du das jetzt auch machen. Dass er mit jungen Erwachsenen arbeitet, sehe ich auch als unproblematisch.

Nur weil du jetzt über die sexuelle Neigung deines Mannes mehr weisst, macht ihn das nicht zu einer anderen Person. Dein Partner kann eine erwachsene Frau lieben, auch wenn er Pornos mit Jugendlichen schaut. Von einer Lüge könntest du sprechen, wenn er dich angelogen hätte, oder wenn er irgend eine Vermutung von dir abgestritten hätte. Das hat er ja nicht gemacht. Was die Zukunft eurer Beziehung betrifft: Die hängt wohl nun davon ab, was er bereit ist, zu tun und zu investieren, damit er mit den strafbaren Handlungen aufhört. Da ist es sinnvoll, wenn du für dich herausfindest, was die Bedingungen für ein Zusammenbleiben sind, und dass du ihm das mitteilst – und dass ihr hier zu einer Vereinbarung findet, an die er sich hält.

Aus meiner Sicht ist eine Tätertherapie ein Muss. Hier kann er ganz konkret angehen, was er machen kann, damit er in Zukunft keine weiteren Straftaten macht. Ebenfalls wird er zur Selbstkonfrontation eingeladen und setzt sich damit auseinander, was er sich allenfalls selbst vormacht. Ich fände es ausgesprochen sinnvoll, wenn das Thema ADHS auch in der Therapie behandelt wird. Denn die Impulskontrolle und der Aufschub unmittelbarer Bedürfnisse ist für Menschen mit ADHS oft eine besondere Herausforderung. Hier können sowohl Medikamente helfen als auch Strategien, die man einübt.

Zusätzlich zur Tätertherapie finde ich eine Sexualtherapie ausgesprochen empfehlenswert: Was uns sexuell anzieht, ist nicht in Stein gemeisselt. Wir können sexuell immer wieder dazu lernen. Bei einem eingeschränkten Anziehungs-Fokus auf etwas Bestimmtes kann dieser Fokus wieder erweitert werden: Neues kann sexuell interessant werden und Altes kann dadurch uninteressanter werden. Ich empfehle deinem Mann eine Sexualtherapie nach Sexocoporel-Konzept, denn da lernt er ganz konkret, was er bei der sexuellen Erregung mit dem Körper machen kann, damit neue Fantasien und Erregungsquellen für ihn interessant werden, und damit er in seinem Körper und in seiner Sexualität so selbstsicher wird, dass er sich den Sex mit gleichaltrigen Frauen wirklich zutraut.

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