Liebes Team von Lilli!
Ich bin weiblich und Mutter von 2 Kindern, beide spontan geboren. Bei beiden Kindern hatte ich einen Dammriss. Bei der ersten einen DR 2 (war wohl aber recht tief), bei der zweiten einen DR 1. Beide Erfahrungen waren für mich furchtbar. Unsensibles Verhalten der Fachpersonen, Nähen ohne adäquate Betäubung u.v.m.. Also gar nicht so beschönigend wie es Frau in den Kursen gerne vorher erzählt wird.
Jetzt ist es so, dass mich das Thema so verändert hat. Es hat mich verängstigt, ich habe Schuldgefühle weil ich verletzt wurde (hab ich was falsch gemacht, „schlechtes“ Gewebe?) und diese Odyssee hinterher erleben musste. Es hat mir außerdem eine riesige Portion Wut beschert. Also Wut auf diese (inzwischen alle) Fachpersonen in dem Bereich und das schwierigste: auf Freundinnen/Frauen die ohne Verletzungen geboren haben. Ich fühle das sogar so weit, dass ich es total bescheuert finde, dass man nicht alle Frauen sektioniert. Auch bezüglich der Beckenbodengesubdheit. Für mich war das ein riesiger Eingriff in meine intime und sexuelle Gesundheit/Unversehrtheit und je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr habe ich den Eindruck dass es den Frauen mit Sectio besser geht.
Wie soll ich vorgehen um diese Gefühle zu heilen? Können Sie mir eine andere (konstruktivere) Perspektive geben? Fühle mich leider sehr kaputt und defizitär seitdem. Hab mir immer vorher vorgestellt, dass Geburten so bereichernd sind und wollte alles „richtig“ machen (heißt Spontangeburt ohne Eingriffe). Das habe ich auch geschafft. Nur hinterher hab ich mich gar nicht gut gefühlt oder gar stolz. Ich war schockiert (auch über den Zustand meines Körpers hinterher), die Verletzungen/Behandlung postpartal und hab mich von Anfang an mit anderen verglichen.
Die letzte Geburt ist 6 Jahre her und ich möchte endlich Frieden finden mit dem Thema. Wie kann das gelingen? Viele Grüße und danke im Voraus!
Unsere Antwort
Du hast zwei Kinder auf die Welt gebracht. Das ist eine Leistung, für die du starke Strapazen auf dich genommen hast.
Hast du auch weiterhin körperliche Beschwerden? Oder sind die körperlichen Wunden gut verheilt, aber es bleibt ein seelischer Schmerz?
Die körperliche Unversehrtheit ist ein hohes Gut. Und wir sind froh, dass mittlerweile mehr und mehr öffentlich darüber gesprochen wird, wie belastend bis traumatisierend Geburtserfahrungen sein können. Wir können uns vorstellen, wie schlecht es dir damit geht. Ich verstehe deinen Wunsch sehr gut, Frieden finden zu wollen.
Du hast bereits einen guten Blick darauf, welche Folgen sich aus dem Erleben ergeben haben. Du kannst die Ereignisse nicht ungeschehen machen, aber du kannst für die Zukunft die Erfahrung integrieren und so verarbeiten, dass du davon Abstand gewinnen kannst. Ich halte es für eine sehr gute Idee, dass du dir Unterstützung suchst. Wir sind eine anonyme Online-Beratung und können dich ein Stück deines Heilungsweges begleiten. Wir können dir allerdings vieles nicht bieten, was dir eine Fachperson vor Ort bieten kann. In deinem Fall scheint mir eine persönliche Begleitung sehr hilfreich.
Die letzte Geburt ist jetzt schon 6 Jahre her und du bist da allein bisher nicht weitergekommen. Es kann gut sein, dass du die Geburten traumatisch verarbeitet hast. Eine Psychotherapie mit Schwerpunkt Traumaverarbeitung könnte dir für die erfolgreiche Verarbeitung weiterhelfen. Du schreibst auch von einigen Bezügen zu allgemeinen Lebenseinstellungen und deiner Erfahrung unter der Geburt. Auch die könnt ihr gemeinsam weiter beleuchten.
Falls das nicht direkt geht, kannst du dich auch an eine Beratungsstelle zur sexuellen Gesundheit und Familienplanung wenden. In einigen Städten gibt es sogar spezielle Angebote zum Verarbeiten von traumatischen Geburtserfahrungen.
Fühlst du dich in der Lage, in wohlwollenden Kontakt mit deinem Damm zu kommen? Mach an dieser Stelle nur so viel, wie du gut verkraften kannst. Bitte vereinbare mit dir selbst, dass du dich nicht überforderst. Langsamkeit hilft viel auf deinem Heilungsweg. Du könntest in einer warmen und wohligen Umgebung mit den Händen oder einem Spiegel Kontakt mit deinem Damm aufnehmen. Du kannst erforschen, ob die Spannung im Damm niedrig oder hoch ist, was du spürst, wie es ihm heute geht. Wie geht es ihm, wenn du dich an diese Situationen erinnerst? Auf diese Weise kannst du die Beziehung zu deinem Damm und deiner Vulva und Vagina stärken. Wenn du diese Körperstellen mit neuen Erlebnissen verbinden kannst, kann das heilend wirken. Eine praktische Übung dazu ist die Beckenschaukel, sowie das achtsame Erkunden deiner Geschlechtsregion. Du kannst auch zunächst mit einem Abendritual anfangen, bei dem du eine Hand auf deine Vulva legst und sie im hier und jetzt spürst.
Wir wünschen dir alles Gute.
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