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Bulimie: Essen und Erbrechen

Bulimie ist eine Essstörung. Du erbrichst das Essen oder nimmst Abführmittel oder machst ganz viel Sport, wenn du findest, du hast zu viel gegessen. Vielleicht hast du unkontrollierte Essanfälle. Um aus der Bulimie herauszukommen, musst du sie zuerst verstehen.

Was ist Bulimie?

Bulimie (Bulimia nervosa) ist eine Essstörung. Möglicherweise hast du auch Essanfälle oder «Essorgien»: Du isst in bestimmten Situationen besonders viel. Oder du isst, wenn du nicht eigentlich Hunger hast. Egal wie viel du vorher gegessen hast: Wenn das aus deiner Sicht zuviel war, versuchst du es durch Erbrechen wieder loszuwerden. Oder du nimmst Abführ- oder Entwässerungsmittel. Oder du treibst nach dem Essen intensiv Sport, um Kalorien abzubauen. All das nennt man Bulimie. Auch bei Anorexie (Magersucht) kann es zu Erbrechen kommen. Wegen dem Untergewicht spricht man dann aber nicht von Bulimie, sondern von Anorexie.

Wie gehe ich das Problem am besten an?

Kein Mensch hat grundlos Bulimie. Und jeder Mensch hat andere Gründe. Du findest vielleicht, dass du diese Essstörung eigentlich nicht möchtest. Aber wenn du es wirklich aus tiefster Seele nicht möchest, hörst du damit auch auf. Wenn dir das Aufhören schwerfällt, gibt es eben auch etwas in dir, was die Bulimie behalten möchte. Vielleicht ist dir das nicht bewusst. Aber es ist sehr hilfreich, wenn du genauer hinschaust. Was gibt dir die Bulimie? Du findest eher eine Antwort auf diese Frage, wenn du dir überlegst: Was wäre, wenn du sie nicht mehr hättest? Irgend etwas würde dir fehlen. Was? Vielleicht müsstest du dann auch irgend etwas anders tun. Was? Oder du müsstest etwas spüren oder gar aushalten. Was? In den nächsten Abschnitten liest du mehr Gedankenanstösse. Sie helfen dir vielleicht, deine ganz persönliche Bulimie besser kennen zu lernen.

Wieso habe ich Essanfälle?

Es gibt fast nichts, das so einfach geht wie Essen. Und die Belohnung kommt sofort. Der Zucker und die Botenstoffe, die das Essen im Körper freisetzt, bringen Entspannung und Beruhigung. Vielleicht versuchst du mit dem Essen, unangenehme Zustände und Stimmungen in den Griff zu bekommen. Vielleicht versuchst du, Gedanken auszublenden. Vielleicht versuchst du, dein Bedürfnis nach Lust und Genuss, Wärme und Geborgenheit zu stillen. Andere holen sich das in Beziehungen mit anderen Menschen. Warum du nicht? Oder vielleicht schiebst du mit einem Essanfall unangenehme Dinge auf, die du tun solltest. Oder du vermeidest damit Situationen, die irgendwie schwierig sind. Vielleicht erlebst du den Essanfall als die beste Möglichkeit, dich mal gehen zu lassen und ganz bei dir zu sein. Möglicherweise kaufst du dafür besonders kalorienreiche oder kohlehydratereiche Lebensmittel ein (Süssigkeiten, Pommes, Chips etc.), die du dir sonst nicht gönnst. Vielleicht versteckt sich hinter einem Essanfall auch Hunger – weil du sonst sehr kontrolliert isst und vielleicht sogar Diät machst. Mehr über das unkontrollierte Essen erfährst du in diesem Text über Essanfälle.

Wieso erbreche ich?

Erbrechen macht nicht nur den Magen leerer. Nachher bist du möglicherweise auch entspannter. Denn da werden bestimmte Botenstoffe im Körper ausgestossen. Die machen, dass es dir besser geht und du dich besser entspannen kannst. Vielleicht erlebst du das Erbrechen wie eine Entladung – ganz ähnlich einem Orgasmus. Durch die Entspannung und das intensive Körpererleben des Erbrechens spürst du dich vielleicht wieder besser als vor dem Essanfall. Vielleicht ist das der Moment, wo du dir ganz nah bist. Das Erbrechen vermindert auch Schuldgefühle und Angst, zu dick zu werden. Oder du erlebst es als eine Form von Selbstbestrafung. Es kann auch sein, dass das Erbrechen wehtut und stressig ist, weil das Essen nicht so richtig rauswill. Oder vielleicht ist es für dich auch einfach Routine, die nach dem Essen sein muss. Jede Person mit Bulimie erlebt das Erbrechen ganz anders. Wie erlebst du es?

Wie gehts mir damit, dass ich erbreche?

Vielleicht stehst du gelassen zum Erbrechen. Vielleicht hast du es als notwendiges Übel akzeptiert. Vielleicht erlebst du auch eine gewisse Genugtuung – du drückst mit dem Erbrechen Trotz auf etwas oder jemanden aus. Vielleicht leidest du darunter, dass du erbrichst. Du wärest gern «stark» und würdest das Essen gern besser im Griff haben. Du fühlst dich vielleicht disziplinlos, schwach und dreckig. Oder du leidest darunter, dass du eine «Sucht» hast. Du leidest unter der Heimlichkeit. Du findest vielleicht, du verschwendest Geld. Es tut dir leid um das Essen, was du einfach so rauskotzt. Vielleicht denkst du auch, die anderen würden dich nicht akzeptieren, wenn sie wüssten, wie es wirklich um dich steht. Du fühlst dich deshalb möglicherweise sehr einsam mit deiner Bulimie. Vielleicht ist es eine Mischung aus ganz verschiedenen Gedanken und Gefühlen. Überleg mal, wie das bei dir ist.

Was tu ich meinem Körper an?

Bulimie wird vom Körper als Stress erlebt. Falls du Gewichtsschwankungen hast, ist das Stress für den Körper. Wenn du sehr schwankenden Nahrungsmengen zu dir nimmst, kannst du Mangelerscheinungen kriegen. Die können zu noch grösseren Ess-Suchtgefühlen führen. Hier schreit nicht nur die Seele, sondern auch der Körper nach Nahrung. Häufiges Erbrechen kann die Speiseröhre verätzen und der Zahnschmelz zerstören. Es kann zu Schwäche und chronischer Müdigkeit führen. Wenn du mehr als einmal täglich erbrichst, bringst du deinen Salzhaushalt durcheinander, das kann den Herzrhytmus stören. Das kann lebensgefährlich werden. Der körperliche Stress, die Mangelerscheinungen und die Gewichtsschwankungen können dazu führen, dass Frauen mit Bulimie Störungen des Menstruationszyklus haben. Wie gehst du damit um, dass du deinen Körper so stresst?

Wie stehe ich zu meinem Körper?

Bulimie findet im Körper statt. Vielleicht möchtest du deinen Körper irgendwie zerstören, weil du ihn ablehnst. Vielleicht findest du besonders deine Bauchregion schlimm und willst einfach alles draussen haben, was da drin ist. Möglicherweise willst du insgeheim aber auch in Kontakt mit diesem Bauch treten, der ja der Kern des Körpers ist. Das Zu-sich-Nehmen und wieder Von-sich-Geben kennen wir auch vom Atmen oder vom Geschlechtsverkehr. Überleg dir mal: Das Essen und Erbrechen ist mit ganz intensiven körperlichen Gefühlen verbunden; du bist dir sehr nah. Darin steckt eigentlich was Gutes. Das hat sich möglicherweise einfach noch nicht so richtig gefunden. Eigentlich ist Essen ja Körpergenuss. Kennst du das Gefühl? Kennst du Körpergenuss? Wie stehst du dazu, dass du einen Frauenkörper oder einen Männerkörper hast? Traust du dir zu, Frau zu sein oder Mann zu sein? Wir empfehlen dir, dass du Dinge tust, die das Körpergefühl verbessern. Hier findest du Tipps für Frauen. Ausserdem empfehlen wir dir unsere Tipps für die Sexualität für Frauen und für Männer. Vielleicht gönnst du dir auch eine Sexualtherapie.

Bin ich mit meinem Leben zufrieden?

Ganz ehrlich: Wie zufrieden bist du in deinem Leben? Bist du dort, wo du sein möchtest? Machst du, was du machen möchtest? Bist du mit deiner Wohnsituation zufrieden? Fehlt dir eine Partnerschaft? Wenn du in einer Beziehung ist, wie geht ihr als Paar mit der Bulimie um? Weiss dein Partner oder deine Partnerin davon? Oder ist die Bulimie wie eine heimliche «Aussenbeziehung»? Wieso braucht es das? Was gibt dir die Bulimie, was dir dein Partner oder deine Partnerin nicht geben kann – oder will? Welchen Situationen oder welchen Auseinandersetzungen weichst du aus? Oder was willst du mit der Bulimie mitteilen? Willst du deinen Partner oder deine Partnerin irgendwie bestrafen? Für was? Wenn du Kinder hast, wie gehts dir mit denen? Wenn du genau hinschaust, fällt dir vielleicht auf, dass da nicht alles «im grünen Bereich ist». Irgendwie weisst du, dass du etwas ändern solltest. Aber es fehlt dir der Mut. Oder du möchtest nicht aus vertrauten, bekannten Mustern raus und Neues ausprobieren. Vielleicht hast du überhaupt keine Ahnung, wie das gehen könnte. Oder du meinst, dass du das nicht kannst oder darfst. Da ist es einfacher, sich Auszeiten mit Essanfällen zu «gönnen» oder den ganzen Mist in die Kloschüssel zu kotzen. Anders gesagt: Eine Bulimie kann unbefriedigende oder ungute Lebenssituationen besser aushaltbar machen – vielleicht Jahre oder gar Jahrzehnte lang. Die Gefahr dabei ist: Du verpasst damit die Möglichkeit, glücklicher und zufriedener zu werden. Ist das bei dir so? Mit fachlicher Unterstützung gelingen dir eher Schritte aus dem vertrauten Trott heraus. Wenn deine Paarbeziehung problematisch ist, schau, ob eine Paartherapie möglich ist.

Wie stehe ich zu mir selbst?

Die Bulimie ist eigenartig: Du isst und isst, und dann gibst du wieder von dir weg. Du kannst nicht genug kriegen, und dann ist es gleich zu viel. Warum? Findest du, du habest das Essen nicht verdient? Was hast du verdient? Hast du Genuss und angenehme Gefühle verdient? Darfst du das einfach haben? Wie sehr bist du bereit, dir selbst etwas zu geben? Wie sehr bist du bereit, dich selbst zu lieben? Wenn das schwierig ist, was setzt du an dir aus? Gibt es Zustände, Eigenschaften oder «Anteile» von dir, die du nicht magst? In der Regel ist Bulimie verbunden mit einem gestörten Verhältnis zu sich selbst. Wie ist das bei dir? Seit wann hast du das? Wie fing das an?

Wann fing das an?

Auch wenn die Bulimie vielleicht erst im Erwachsenenalter deine Begleiterin wurde, hat sie ihre Wurzeln oft in frühster Kindheit. Wie war das bei dir im Elternhaus? Wie sinnvoll und hilfreich war die Erziehung deiner Eltern für deine Selbstentwicklung? Und für deinen Selbstwert? Wenn du findest, deine Eltern haben alles richtig gemacht, aber du warst einfach irgendwie falsch oder «zuviel» – hinterfrage diese Aussage mal kritisch. Welches Kind ist «falsch»? Hatten deine Eltern vielleicht schwierige Erwartungen an dich? Haben Sie dich kritisiert oder runtergemacht? Haben sie dich missbraucht? Oder manipuliert? Oder vernachässigt? Oder haben sie dich in den Himmel gelobt – und du hattest ständig das Gefühl: «Das bin nicht wirklich ich, ich bin anders?» Vielleicht hattest du Geschwister. Vielleicht war die Beziehung da auch kompliziert. Es ist hilfreich, wenn du deine Herkunftsfamilie unter die Lupe nimmst. Dazu empfehlen wir psychotherapeutische Unterstützung, weil es schwierig ist. Denn vielleicht möchtest du ein Bild aufrecht erhalten, dass alles «gut» ist. Dass deine Eltern das beste für dich wollen und dich lieben. Aber Liebe kann ganz schön egoistisch sein.

Wir empfehlen dir hierzu diesen Text.

Wie komme ich aus der Bulimie heraus?

Wenn du die Bulimie überwinden willst, musst du sie erst mal annehmen: Du hast sie als Strategie gewählt, um mit deinem Leben irgendwie klar zu kommen. Nach dem Lesen der obigen Abschnitte denkst du vielleicht: «Uii, ganz schön vielschichtig, wo fang ich da nur an?». Ja, Bulimie ist in der Regel vielschichtig, und deshalb empfehlen wir fachliche Unterstützung. Vielleicht gehst du erst mal zu einer Ärztin und erzählst ihr davon. Es ist wirklich gut, wenn du eine ärztliche Fachperson hast, der du dich anvertrauen kannst. Es ist gut, wenn diese Person dich begleitet und mit dir dafür sorgt, dass gesundheitlich alles im grünen Bereich bleibt. Vielleicht brauchst du auch eine Ernährungsberatung, weil du dir deine Hungergefühle und Sättigungsgefühle so abtrainiert hast, dass du gar nicht mehr weisst, wie viel Essen richtig ist. Vielleicht möchtest du auch erst mal mit einer Selbsthilfegruppe anfangen. Oder du schaust dich vielleicht um, welche Psychotherapeut*innen angeben, dass sie sich mit Esstörungen auskennen. Schnuppere: Mach Termine mit mehr als einer Person ab. Das muss passen, und die Person muss dich überzeugen. Denn je nach Thema, das du bearbeitest, brauchst du wirklich eine Person, zu der du Vertrauen aufbauen kannst. Auf unserer Linkliste kannst du dich nach Angeboten in deiner Nähe umsehen.