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Frage Nr. 33128 von 20.06.2021

Hallo
Ich (w) komme einfach nicht damit klar, älter zu werden. Ich bin vor ein paar Wochen 17 geworden aber ich habe mich überhaupt nicht darauf gefreut. Denn ich muss immer daran denken, dass die ,,jugendlichen,, Jahre jetzt einfach bald vorbei sind und ich nie mehr 12 sein werde und vor allem, dass ich bald ,,erwachsen,, sein werde.

Nächstes Jahr mache ich Matura und danach werde ich nicht mehr in die Schule gehen können und werde für mich selbst verantwortlich sein müssen aber ich glaube, dass mich das überfordern wird und eigentlich möchte lieber noch länger in die Schule gehen.

Manchmal habe ich sogar das Gefühl, das Leben vor einem sei nur noch dazu da, dass alles vorbeigeht und man somit immer näher am Lebensende ist. Und dass alles, was vorbei ist, nie mehr zurückkommen wird und auch das, was vor uns liegt, nur vorübergehend und bald vorbei ist.

Und das Blöde daran ist, dass ich irgendwie einfach nicht glücklich bin im Moment und ich denke dann stets; die Zeit geht umsonst dahin. Das macht mich dann einfach sehr traurig und irgendwie habe ich auch sehr grosse Angst.

Eigentlich habe ich mich immer gefreut, selbstständiger sein zu können und erwachsen zu sein aber seit letzter Zeit will ich lieber wieder ein paar Jahre zurück, auch wenn ich weiss, dass es vielleicht auch in Zukunft schön werden kann. Was soll ich tun, um meine Ansichten zu ändern? (ihr könnt meinen Text auch etwas kürzen und vielen Dank für die Antwort)

Unsere Antwort

Ich kürze deinen Text nicht, weil ich vermute, dass du vielen Menschen in deinem Alter aus dem Herzen sprichst. Du beschreibst das so gut, womit sich Menschen an der Schwelle zum Erwachsensein herumschlagen können.

Unser Gehirn kapiert zwar, was Zeit ist, und dass sie vorbeigeht. Und dass wir geboren werden und irgendwann sterben werden. Aber niemand erklärt uns, warum das Ganze sein soll. Wenn wir an irgend eine Religion oder etwas Ähnliches glauben, wird es einfacher, aber viele Menschen können das nicht. Das einzige, was wir wirklich können, ist leben. Und das fühlt sich in der Regel besser an, wenn wir aktiv Dinge tun.

Das Entscheidende ist, den Sinn im Leben für sich zu entdecken. Dieser Sinn liegt darin, dass du Dinge tust, die für dich sogenannt "sinnspendend" sind. Der Sinn liegt auch in sinnspendenden Beziehungen. An dem Punkt bist du noch nicht. Du bist nicht glücklich, du bist nicht erfüllt. Verständlich: Du hast, gemessen an der Länge eines Lebens, noch kaum Lebenserfahrung, du hast noch ganz vieles nicht entdeckt, was dir gefällt und was sich wirklich gut für dich anfühlt.

Ich verstehe, dass du lieber weiter in die Schule gehen möchtest und Angst vor der Eigenverantwortung hast. Angst ist sinnvoll vor allem Neuen, Unbekannten. Angst macht vorsichtig, und ein bisschen Vorsicht ist sinnvoll. Die Angst sollte dich aber nicht daran hindern, Dinge zu tun, vor denen du Angst hast. Wenn du die Dinge tun willst, tu sie. Denn nur wenn du Dinge tust, sammelst du Lebenserfahrung und kommst näher an ein Leben heran, das sich sinnvoll anfühlt.

Schön wäre, wenn du nach der Matura erst mal Lebenserfahrung sammeln könntest. Das sogenannte "Zwischenjahr" finde ich sinnvoll als Möglichkeit. Du könntest bei irgend einem Job Geld verdienen und dann reisen gehen. Es ist eigentlich ziemlich egal, welcher Job oder welche Jobs das sind, und es ist auch egal, wohin du reist: Du wirst Lebenserfahrung sammeln, egal was du tust. Und es ist ein gutes Gefühl, endlich mal eigenes Geld zu verdienen und ein bisschen Unabhängigkeit zu schnuppern.

Vielleicht weisst du danach besser, was dir liegt. Vielleicht beginnst du eine Ausbildung, vielleicht machst du etwas anderes. Gut möglich, dass dich das nach einigen Jahren nicht mehr reizen wird. Der Durchschnittsmensch macht heutzutage mehrere Karrieren durch, das ist völlig normal. Und vielleicht gründest du irgendwann eine Familie und schlägst danach einen völlig neuen Weg ein. Alles möglich. Das Leben ist so lang, dass es immer wieder mit Neuem gefüllt werden kann.

Eigentlich kannst du das Leben als einen Ablauf von Zyklen ansehen: Du beginnst etwas, du machst es, irgendwann ist es fertig und es kommt was Neues. Am Schluss von so einem Zyklus ist oft eine Unzufriedenheit, oder eine Trauer, und auch das Gefühl, uralt zu sein.

Du bist jetzt am Schluss der Schule. Und am Schluss deiner Kindheit. Da ist Trauer passend. Du nimmst Abschied von etwas Vertrauten, und das Neue ist aus lauter Angst noch nicht reizvoll. Doch wenn du das Neue beginnst, kann es sein, dass du dich wieder blutjung und neugierig und sehr lebendig fühlst.

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