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Frage Nr. 38062 von 23.03.2024

Liebes Team,

Erstmal vielen Dank für eure wertvolle Arbeit. Ich finde das ganze Thema Sexualität ist so sehr mit Scham verbunden und man weiß nie so richtig, an wen man sich wenden könnte.
Erstmal zu mir, ich bin weiblich 25 Jahre alt und Mutter von zwei Söhnen( die ich relativ früh, mit 20 und 23 bekommen habe).

Mir ist damals in der Stillzeit mit meinem ersten Sohn etwas passiert. Ich habe ihn im Bett gestillt und plötzlich Erregung gespürt und so etwas wie einen Orgasmus. Ich war damals so geschockt von mir, habe mich geekelt und wollte eigentlich am aller liebsten sofort abstillen. Nach diesem Vorfall habe ich natürlich gegoogelt, darüber zu sprechen war mir viel zu peinlich. Ich habe im Internet aber überhaupt nichts über dieses Thema gefunden, nur Anfeindungen und Aussagen man hätte sich am eigenen Kind vergangen. Seit diese Ereigniss plagt mich die schrecklich Angst Pädophil zu sein und meinem Sohn damals etwas angetan zu haben.

Eine Weile danach hatte ich mich wieder beruhigt und mit diesem Thema abgeschlossen. 2021 war ich mit meinem 2. Sohn schwanger und habe durch Zufall einen Bericht über Missbrauch an Kindern und Jugendlichen gelesen. Ich kann mich nicht mehr genau an meine Gedanken dazu erinnern, aber damals hatte ich so eine Anspannung und ein komisches Gefühl in mir, das ich mich anfassen muss. ( Vll auch um zu testen ob mich das erregt hat oder nicht?) Ich habe mich dann angefasst und mit diesem Ereignis von damals komme ich nicht klar. Ich kann mich nicht mehr erinnern ob ich aus Angst testen wollte ob ich erregt bin, oder ob mich das wirklich erregt hat. Ich finde Missbrauch schrecklich und bin mir eigentlich 100 % sicher nicht Pädophil oder ähnliches zu sein. Aber ich kann mir den Vorgang damals nicht erklären. Vielleicht könntet ihr mir helfen die Geschehnisse einzuordnen oder zu bewerten? Ich bin von schrecklichen Schuldgefühlen geplagt und habe manchmal sogar Suizid Gedanken, weil ich mich so sehr dafür schäme.

Herzliche und ein schönes Wochenende

Unsere Antwort

Zu allererst: Du bist nicht pädophil.

Es erstaunt mich, dass du gar nichts gefunden hast über Stillen und sexuelle Erregung. Gib doch bitte nochmal "Stillen" und "sexuelle Erregung" in Google ein. Oder noch besser "breast feeding" und "sexual arousal". Da kommst du auf diverse Studien, die die Zusammenhänge zwischen Stillen und sexueller Erregung beschreiben.

In einer Studie etwa wurden 153 niederländische Mütter zu den Empfindungen während des Stillens befragt. Von ihnen berichteten 71% angenehme Kontraktionen im Bereich der Gebärmutter, und 34% von sexueller Erregung. 8% gaben an, allein durch das Stillen einen Orgasmus erlebt zu haben. (Gianotten WL. Zwangerschap en orgasme (Pregnancy & Orgasm). Tijdschr Verloskundigen. 1988;13:326–9.) Oder: In einer umfangreichen Metaanalyse von Forschungsartikeln beschrieb ein Drittel bis die Hälfte der stillenden Mütter das Stillen als erotisch ("ein intensives körperliches Lusterleben") (von Sydow K.: Sexuality during pregnancy and after childbirth: a metacontent analysis of 59 studies. J Psychosom Res. 1999;47:27–49.).

Das heisst: Die sexuelle Erregung und auch das orgasmusähmliche Erleben beim Stillen ist normal. Das hat nichts mit Pädophilie zu tun. Sexuelle Erregung ist ein rein körperliches Geschehen, das unwillkürlich ausgelöst wird. Das heisst, wir werden sexuell erregt, ohne dass wir das bewusst entscheiden. Brustwarzen haben viele Nervenendigungen und sind daher sehr empfindsam. Ihre Stimulation kann sexuelle Erregung auslösen und begünstigen. Das Saugen an der Brustwarze kann also sexuelle Erregung auslösen. Lies bitte auch diesen Text über sexuelle Erregung.

Die Natur hat es so eingerichtet, dass Stillen für Mütter mit angenehmen Gefühlen einhergeht. Das macht Sinn, denn bei unseren Vorfahren hing das Überleben des Kindes davon ab. Beim Stillen werden die Hormone Oxytocin und Prolaktin ausgeschüttet. Oxytocin, das so genannte "Liebeshormon", sorgt dafür, dass die Bindung zwischen Mutter und Kind gestärkt wird, und zusammen mit dem Prolaktin wird dafür gesorgt, dass neue Milch gebildet wird. Oxytocin kann Glücksgefühle auslösen. Und so ist es gut möglich, dass eine Frau die sexuelle Erregung während des Stillens mit schönen Gefühlen verbindet. In sexueller Erregung wird übrigens auch Oxytocin ausgelöst. Du siehst, wie verwandt das alles ist.

Hinzu kommen die Gebärmutterkontraktionen während des Stillens, die eigentlich ein Aspekt der Gebärmutterrückbildung sind. Diese Kontraktionen können, wie die obengenannte Studie zeigt, als angenehm erlebt werden, und sie können auch sexuelle Erregung auslösen.

Du hast also etwas sehr natürliches erlebt. Du hast das nicht ausgelöst, und du wolltest deinen Sohn dabei nicht ausnutzen. Du hast deinem Sohn in diesem Moment nichts angetan. Alles, was er erlebt hat ist, dass er sich an deiner Brust ernähren könnte und dir nah war. Für ihn ist es die natürlichste und intuitivste Sache der Welt.

Wie du in unserem Text über sexuelle Erregung nachlesen kannst, muss sexuelle Erregung nicht mit angenehmen oder lustvollen Gefühlen einhergehen, denn es ist ein rein körperlicher Ablauf. Du hast das, was du erlebt hast, mit starker Scham, mit Ekel und Schuldgefühlen verbunden. Das sind unangenehme Zustände, die mit körperlicher Anspannung einhergehen. Diese körperliche Anspannung hat aber zusätzlich das Potential, sexuell erregend zu sein – wie du ja auch in unserem Text über sexuelle Erregung nachlesen kannst.

Und das erklärt auch, warum du sexuell erregt wurdest, als du den Artikel über Pädophilie gelesen hast. Ich vermute, dass diese Anspannung im Körper in Kombination mit der Erinnerung an dieses Stillerlebnis erneut und völlig unbeabsichtigt sexuelle Erregung ausgelöst haben. Auch das hängt nicht mit pädophilen Gedanken zusammen. Sondern es war einfach eine Erinnerung deines Körpers, welche unwillentlich ausgelöst wurde.

Ich hoffe sehr, dass dir diese Antwort weiterhilft und aus deinen Schuld- und Schamgefühlen erlöst. Wenn du weitere Fragen hast, schreib uns einfach wieder. Gib dann bitte die Nummer dieser Frage an.

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