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Frage Nr. 38146 von 11.04.2024

Hallo,
ich bin 46 (w) und befinde mich in einer seltsamen Beziehungssituation. Es sind zwei Fragen an sich die ich hier stelle…
Wir sind schon Jahrzehnte ein Paar und hatten immer wieder wegen Kleinigkeiten nervenzehrende Streitigkeiten. Er mauert anschließend und lässt mich am ausgestreckten Arm verhungern- vorangehend stichelt er so lange rum- bis ich komplett ausflippe - woraufhin er jedes Mal die Begründung sieht- dass er sich anschließend mit dem Ignorieren meiner Person verhalten „darf“. Wir kommen aus diesem Verhalten auch nicht raus- jedes Jahr 2-3x wonach teilweise wochenlang Funkstille herrscht- und immer wegen wirklich Nichtigkeiten. Mittlerweile weiß ich nicht mehr- ob ich dieses Verhalten weiter akzeptieren kann. Ich liebe meinen Partner- und wir haben über die Jahre sehr schwierige Zeiten zusammen bewältigt- wären da nicht diese streitigkeiten. Außenstehende oder auch die Kinder verstehen nicht warum ich noch mit ihm zusammen bin- da es Narzisstische Züge sind die er - aber nur in Streitsituationen an den Tag legt - aufzeigt. Er ist dann manipulativ, macht mich ohne Schimpfworte runter und stellt mein gesamtes Sein und Tun im Vergleich zu dem was er alles macht (er macht wirklich viel- aber damit ist das nicht zu rechtfertigen) als minderwertig dar. Auch verdreht er von mir gesagte Worte- dass sie ihm besser in den Kram passen. Ich weiß- dass dem nicht so ist- und meine, dass sein verstorbener Vater- mit dem ich bestens auskam und den wir gepflegt haben- in dieser Hinsicht prägend war- da dieser auch mit seiner Frau so umging.
In der übrigen Zeit ist er ein fürsorglicher und sehr strebsamer Mann- der immer nur das beste für seine Familie will und macht: also komplett verschieden. Zwei Gesichter. Wie kommt man aus solch einer Situationsspirale raus? Es wird immer schwieriger für mich damit umzugehen.
Ich habe mich selber bei einem Psychotherapeuten gemeldet- um zumindest meine Person zu reflektieren. Ich merke einfach auch- dass ich nicht mehr so belastbar bin. Mir fehlt auch die Nähe zu meinem Mann- wie ich sie aus früheren Beziehungen kenne. Mehr kuscheln, nachts im Bett aneinander schmiegen- von selber mal ankommen- dies fiel mir nicht so ins Gewicht als unsere fast erwachsenen Kinder noch kleiner waren- mittlerweile haben wir aber neben der Arbeit viel Zeit fur einander- haben auch gemeinsame Hobbies- aber wir sind dennoch auf Abstand. Wenn ich ankomme- dann nimmt er es nicht voll- ich habe es auch angesprochen - aber dauerhaft hat sich nichts geändert. Auch der Sex ist weniger geworden- was total untypisch ist und mich umso mehr verunsichert. Kann es eine Midlifecrisis- sein- oder hormonell bedingt? Mein Mann ist 2 Jahre älter. Ich habe auch gedacht ob er vielleicht ein burnout hat oder depressiv ist. Und auch deshalb seine Wut in Streitigkeiten steckt. Ich sehne mich einfach nach einer normalen Beziehung - die auch Streit beinhalten kann- aber nicht über Tage oder Wochen und brauche auch die Nähe und den Sex - die beide immer weniger werden. Ich liebe ihn und kann mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen - spiele aber manchmal dennoch mit dem Gedanken ob es nicht besser wäre mich zu trennen und mit Glück eine Beziehung zu finden- die mir all das gibt was mir jetzt fehlt. Eigentlich will ich das nicht- und es macht mich unglaublich wütend- dass er nicht ein paar Schritte auf mich zu kommt. Aber irgendwie sind mir die Hände gebunden. Durch diese unliebsame Situation habe ich auch immer weniger Freude im Alltag und mag mittlerweile kaum noch Urlaube oder dergleichen planen- weil mir halt so einiges fehlt. Dies ist natürlich nicht besonders beziehungsförderlich- aber ich bin so müde der ganzen Situation.
Danke für euer „Ohr“..

Unsere Antwort

Als erstes möchte ich dich auf unser Kapitel «Wie löse ich Beziehungsprobleme» hinweisen. Darin liest du, dass euer Streitverhalten nicht ganz selten ist. Auch kleine Streitigkeiten können verletzen. Sie können auch alte Verletzungen wachrufen. Und schon führen Gefühle wie Hilflosigkeit, Ablehnung und  zu Gedanken wie «Immer werde ich nicht ernst genommen», «Nie hört sie/er mir zu», «Immer muss ich nachgeben» und auch zu Wünschen nach einer ‚normalen‘ Beziehung oder nach mehr Zärtlichkeit und einem anderen Partner.

Du kennst deinen Partner schon sehr lange. Euch verbinden Hobbies und du kennst ihn vor allem als fürsorglichen und strebsamen Mann. Hast du dir schon mal überlegt, wie er zu dem provozierenden, aggressiven und unfairen Verhalten kommt? Und wie es sein kann, dass du dann seine Fürsorglichkeit vergisst und ihm nicht mehr entgegenkommen kannst? Du bist doch eine kompetente Frau. Offensichtlich kennt ihr gegenseitig eure Schwachstellen und Verletztheiten sehr genau. Ein falsches Wort und die Eskalation ist da.

Du fragst, wie du aus so einer Situationsspirale aussteigen kannst. Wenn der Streit einmal begonnen hat, ist es sehr schwer, auszusteigen. Da kann eine Auszeit helfen. Wir haben dazu einige Hinweise in unserem Text «Was bringen uns Streitauszeiten». Besser wäre, wenn du gar nicht erst in die Spirale einsteigst. Euer Streit ist ja immer gleich. Du kennst den Weg, den ihr immer geht. Du kennst seine Provokationen. Bleib stehen. Sag deinem Partner «Ich spiele heute nicht mit». Dazu findest du Verhaltenstipps in «Konflikte: Wie bleibe ich fair?»

Du fragst auch, ob weniger Sex hormonell bedingt sein kann. Mir scheint, du beschreibst eindrücklich, wie ihr euch miteinander und aneinander ermüdet. Auch du fühlst ja die Verbitterung. Du schreibst, dass du müde bist, dass ihr auf Abstand seid und dass das deine Stimmung im Alltag bereits prägt. Diese Dynamik ist kein Futter für sexuelle Erregung und keine Quelle für sexuelles Begehren. 

Da du deinen Mann liebst und dein Leben ohne ihn gar nicht vorstellbar ist, lohnen sich wahrscheinlich Wertschätzungsübungen. Ihr habt viel miteinander erlebt, habt Kinder bis zum Erwachsensein begleitet, jetzt verbinden euch Hobbies. Warum sollte der Streit über Kleinigkeiten jetzt der Sieger über eure Lebensleistung und -erfahrung sein und euer gegenseitiges Vertrauen zerstören? Da euer Streitverhalten seit Jahren eingeübt wurde und es immer sinnvoll ist, Streiten zu lernen, könntet ihr über eine Paartherapie nachdenken. Die gelingt am besten, wenn ihr beide an Änderungen interessiert seid. 

Und zu deinen Träumen von einem neuen Mann: Wenn man sich mit dem ‚alten‘ Partner so richtig müde und hoffnungslos gestritten hat, fühlt sich ein neuer Partner frisch und ideal an. Oft wiederholen sich in den neuen Beziehungen nach einiger Zeit allerdings die alten Konflikte. 

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