Liebes Lilli-Team, ich bin massiv begeistert von Eurer Arbeit. Eher per Zufall bin ich auf Euren Artikel zu den sexuellen Fantasien gestossen und er hat mir Antworten geliefert, die ich mein Leben lang suche, aber nie gefunden habe. Ich bin männlichen Geschlechts und 58 Jahre alt. Seit frühester Kindheit habe ich einen Hang zu allem Aufblasbaren. Dies lange bevor ich meinen ersten Orgasmus erleben durfte. Entwachsen aus einer panischen Angst vor platzenden Luftballons in frühen Jahren, hat sich die Verbindung zu meiner Sexualität gelegt. In den 90er Jahren durfte ich, dank dem neu aufkommenden Internet, feststellen, dass ich nicht die einzige Person auf dem Planeten mit dieser "Vorliebe" bin. Heute habe ich fundierte Antworten von Euch bekommen. Danke dafür. Eine kleine Frage bleibt: "Wieso sind Vorlieben / Fetische bei Männern öfter anzutreffen als bei Frauen?" Ich danke Euch für Eure wertvolle Arbeit.
Unsere Antwort
Schön, dass der Text über sexuelle Fantasien dir helfen konnte!
Wieso sind ausgefallene Vorlieben und Fetische bei Männern öfter anzutreffen als bei Frauen? Das ist eine interessante Frage. Wir vermuten dazu folgendes: Jungen und Männer merken schneller und besser, wenn sie körperlich sexuell erregt sind, als Mädchen und Frauen. Denn der Penis wird steif.
So wie du das beschreibst, hast du schon als Kind sexuelle Erregung erlebt in Zusammenhang mit Aufblasbaren. Wenn du ein Mädchen gewesen wärest, wäre vielleicht auch genitale Erregung ausgelöst worden, aber du hättest es nicht gemerkt, weil genitale Erregung sich bei Mädchen und Frauen viel subtiler zeigt. Sie merken die sexuelle Erregung insbesondere dann nicht, wenn es nicht naheliegend ist, dass etwas, was sie denken, erleben oder sehen, sexuelle Erregung bei ihnen auslösen könnte. Ihre Aufmerksamkeit ist dann schlicht nicht beim Geschlecht. Bei Jungen und Männern meldet sich der Penis viel deutlicher, und die Aufmerksamkeit wird so zu ihm hingezogen.
Im Jahr 2004 haben Meredith L. Chivers und J. Michael Bailey in einer Studie untersucht, wie Frauen und Männer sexuell reagieren auf Dinge, die sie sehen. Sie zeigten einer Gruppe von Frauen und einer Gruppe von Männern Videos mit Sexszenen: Mann-Frau, Mann-Mann und Frau-Frau, und dann noch eine Szene von Bonobo-Schimpansen bei der Paarung. Während die Teilnehmer*innen sich diese Videos ansahen, wurde gemessen, wie sehr sie körperlich sexuell erregt waren. Sie sahen die Resultate der Messungen nicht. Sie berichteten aber, welche Szenen sie sexuell erregend fanden. Männer fanden mehrheitlich, dass sie die Mann-Frau- und die Frau-Frau-Szenen erregten. Frauen gaben an, dass sie die Mann-Frau-Szene erregte und, weniger, auch die Frau-Frau-Szene. Die körperliche Messung gab bei den Männern etwas sehr ähnliches wie das, was sie gesagt hatten. Bei den Frauen hingegen kam was ganz anderes heraus: Bei allen menschlichen Sex-Szenen wurde bei der Mehrheit genitale Erregung ausgelöst. Und sogar bei der Schimpansenszene wurde etwas genitale Erregung ausgelöst. Das heisst: 1) Männer nehmen ihre genitale Erregung besser wahr. 2) Frauen sind genital erregbarer, als sie meinen.
Der Lernvorgang ist banal: Wenn ich wahrnehme, dass mich etwas bestimmtes genital erregt, verbinde ich den Gedanken oder Bilder daran auch im Kopf eher mit "sexuell erregend". Beim Solosex fällt mir das dann eher ein. Es wird schneller zur Fantasie. Ich übe mehr, mich so sexuell zu erregen.
Ein weiterer Grund zu diesem Lernen könnte sein, dass Jungen und Männer schneller ihr Geschlecht anfassen, wenn sie etwas sehen oder erleben. Beim Pornoschauen z.B. berühren Männer ihren Penis häufiger als Frauen ihre Klitoris/Vulva/Vagina. So werden schneller Verbindungen im Kopf geschaltet zwischen einem bestimmten Reiz und sexueller Erregung.
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