Ich bin 39 Jahre alt und seit 16 Jahren verheiratet. Unsere Ehe war bis auf wenige "Hochs und Tiefs" eigentlich immer harmonisch, wobei auch der Sex bis heute eine zentrale Rolle in unserer Beziehung spielt. Konkret gesagt - drei bis viermal die Woche war und ist für uns normal.
Vor ein paar Jahren experimentierten wir ein wenig mit Besuchen in Swingerclubs oder Partnertausch , aber mit der Zeit sind wir dann doch wieder zum "Altbewährten" zurückgekehrt. Vor etwa zwei Jahren bemerkte ich, dass mir unser Sexualleben irgendwie nicht ausreichte und es entwickelte sich das Bedürfnis nach mehr. Am Anfang kam das zum Ausdruck, dass ich neben dem Sex mit meinem Mann täglich mehrere Male masturbierte und trotzdem keine Befriedigung empfand.
Wenn wir Sex hatten, war da immer das Gefühl, dass es mir nicht reichte - es war zu kurz, zu wenig. Den weiteren Schritt, der dann folgte, betrachte ich heute als einen "dunklen Punkt" in meinem Leben. Ich lernte über das Internet einen Mann kennen, der wie ich auf der Suche nach einem Abenteuer war. Dabei ging es klarerweise ausschließlich um eine Sexbeziehung. Anfangs trafen wir uns zweimal - und wenn es möglich war eventuell ein drittes Mal - monatlich. Das steigerte sich seit einem halben Jahr auf ein zweimaliges wöchentliches Treffen.
Der Grund dafür ist, dass er seit dieser Zeit Single ist - er meinte, dass er jetzt wenigstens kein schlechtes Gewissen mehr haben muss. Das erfuhr ich vor genau fünf Tagen; ehrlich gesagt hat mich diese Mitteilung absolut nicht schockiert. Viel problematischer fand ich sein anschließendes "Geständnis", dass er sich schon seit unserer ersten Begegnung in mich verliebt hätte. Vielleicht bin ich kalt, gefühllos und berechnend aber für mich bestand von allem Anfang unser Kontakt nur auf einem rein sexuellen Niveau.
Wenn ich mit ihm zusammen war, dann hatten wir Sex - und der war immer phantastisch, aber es wäre mir nie in den Sinn gekommen, aus dieser "Fickfreundschaft" eine Beziehung werden zu lassen. Irgendwie ist aber jetzt ein Moment erreicht, an dem ich diesen Kontakt beenden möchte. Ich bin mir auch klar darüber, dass meine Bedürfnisse weiterhin bestehen und ehrlich gesagt, wenn es nicht zu diesem (unabsichtlich klärenden) Gespräch gekommen wäre, dann hätte ich wohl mit Sicherheit keine Bedenken, weiter zu machen.
Was nun meinen Mann angeht, so schöpfte er in den vergangenen eineinhalb Jahren keinen Verdacht. Der wesentlichste Grund dafür war die Tatsache, dass mein "Fickfreund" und ich freiberuflich tätig sind und wir uns immer wieder einen Termin freimachen konnten. Von daher gesehen machte ich mir schon etliche Gedanken, wie und ob überhaupt ich mit ihm darüber sprechen soll - frei nach der Devise "Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß".
Die andere Frage ist, wie ich mit meinem Problem umgehen soll; ich habe einiges über Sexsucht und mögliche Therapien gelesen. Vielleicht klingt das jetzt etwas eigenartig, aber sollte ich mich für eine Therapie entscheiden, dann hoffe ich doch, dass die Auswirkungen nicht mein "übliches" Sexualleben beeinträchtigen;). Was würdet ihr mir raten, wie es weitergehen könnte ? Danke im Voraus.
Unsere Antwort
Ich würde dir eine Sexualtherapie nach Sexocorporel-Ansatz empfehlen. Du könntest dort Lernen, deinen Körper beim Sex so einzusetzen, dass du eher "sexsatt" wirst. Denn dranghaft erlebte Sexualität kann bedeuten, dass nicht zuviel da ist, sondern eher zuwenig. Zuwenig Im-Augenblick-aus-der-körper-geistigen-Fülle-schöpfen. Überleg dir mal, wie du deinen Körper beim Sex einsetzt: Zelebrierst du ihn bei der Selbstbefriedigung? Oder ist es eher eine schnelle Sache mit viel Anspannung? Und beim Sex mit einem Mann, wie ist es da? Was gibt dir da den Kick? Mit deinem Mann, mit dem anderen Mann?
Möglich ist auch, dass der Sex bei dir ein Mittel der Prokrastination (Aufschieben unangenehmer Dinge) ist, oder dass es eine Möglichkeit ist, unangenehme Gefühle zu überdecken und angenehme Gefühle zu erzeugen. Wie ist denn das bei dir sonst so im Leben: Schiebst du gern Sachen auf, langweilst du dich schnell, suchst du den Kick? Ist es auch in anderen Bereichen des Lebens oft "nicht genug"? Das ist etwa bei Menschen mit ADHS gern mal ausgeprägt so, und daher gehen ADHS und dranghaftes Verhalten Hand in Hand.
Du könntest uns auch nochmal schreiben und das genauer beschreiben. Gib dann bitte die Nummer dieser Frage an. Gern kannst du auch unseren Text über dranghaft erlebte Sexualität lesen.
Was die Beziehung mit deinem Mann angeht: Derzeit ist diese Beziehung harmonisch, aber nicht ehrlich. Ehrliche Beziehungen erzeugen wesentlich mehr Intimität, aber sie sind nicht immer harmonisch. Wenn du ihm z.B. von der Affäre erzählst, wirst du damit vielleicht eine Krise auslösen, die das ganze Bild der Beziehung erschüttert. Möglicherweise zerbricht die Beziehung mit deinem Mann daran. Möglicherweise wird sie tiefer und intimer.
Was du machen wirst, ob du redest und was du sagen wirst, würde ich davon abhängig machen: Was ist dir wichtig an einer Beziehung? Was ist dein Ideal der Beziehung mit deinem Mann? Harmonie? Ehrlichkeit? Intimität?
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