Stell deine Frage...

Frage Nr. 40299 von 26.10.2025

Guten Abend,
ich (m 30) hatte vor einem Jahr ca eine Affäre mit einem Mann, die dann irgendwann wieder vorbei war. Vor ein paar Wochen waren wir beide auf eine Party eingeladen und haben uns da wiedergesehen. Wir haben beide viel getrunken und Speed konsumiert und haben angefangen zu knutschen. Dann sind wir zu ihm gegangen, weil er um die Ecke wohnt. Als wir bei ihm waren, hab ich aber gemerkt, dass ich eigentlich keinen Bock auf Sex habe. Ich habe ihm das mehrmals gesagt, aber er hat trotzdem weitergemacht und mich auch festgehalten und war ziemlich grob. Und ich hab dann einfach mitgemacht, was ich jetzt im Nachhinein nicht verstehen kann, weil ich hatte wirklich keine Lust und er ist auch nicht stärker als ich. Irgendwie beschäftigt mich das noch voll und war wohl doch schlimmer für mich als ich erst dachte. Und gleichzeitig ist es mir voll unangenehm, darüber zu reden, ich will das eigentlich auch gar nicht so groß machen. Eine gute Freundin erzählt mir immer mal wieder davon, wie übergriffig sich Männer ihr gegenüber verhalten und ihre Grenzen nicht respektieren und ich will das, was mir passiert ist, wirklich gar nicht damit vergleichen, vor allem weil Gewalt gegen Frauen und allgemein patriarchale Strukturen so ein krasses Problem sind und ich in so vielen Situationen davon profitiere, ein Mann zu sein in dieser Gesellschaft. Ich komme mir richtig dumm vor, dass ich als erwachsener Mann meine Grenzen in dieser Situation nicht durchsetzen konnte und einfach mitgemacht hab und mich das alles dann auch noch so lange beschäftigt. Andererseits bin ich auch ziemlich wütend auf ihn und frage mich, ob ich ihn vielleicht nochmal drauf ansprechen sollte, dass das nicht okay war, auch wenn wir gar nicht nüchtern waren. Aber das vorherrschende Gefühl, wenn ich an die ganze Sache denke ist eigentlich Scham und Ekel vor mir selbst.
Ich komm gerade irgendwie nicht weiter, aber kann das auch nicht einfach nach dem Motto "Schwamm drüber" wieder vergessen merke ich. Vielleicht habt ihr ja dazu irgendeinen Gedanken?

Unsere Antwort

Auch für einen Mann sind Grenzüberschreitungen bedeutsam. Du beschreibst einen typischen Verlauf und dich beschäftigen die typischen Fragen. Offensichtlich hattest du auf der Party noch keine eindeutige Meinung zum sexuellen Kontakt mit deiner früheren Affäre. Erst als die Situation konkret wurde, hast du gemerkt, dass du keine Lust hast. Das ist sehr normal und üblich. Bei deinem Kontaktmann war die Situation wahrscheinlich anders. Er war wohl schon auf der Party zu Sex entschlossen. Jetzt fühlte er sich eventuell bestätigt, als du mit zu ihm in die Wohnung gegangen bist. Als du dann doch nicht wolltest, ist er bei seiner Entscheidung geblieben statt mit dir zu verhandeln. Du hast dich eindeutig geäussert. Er hat das nicht beachtet. Das sind die Kriterien für sexuelle Nötigung. Er hat sogar einige Grobheit angewendet. Es handelt sich also um ein Sexualdelikt.

Und dir gehen typische Gedanken durch den Kopf: Du kommst dir dumm vor. Eigentlich bist du stärker als der Andere. Warum hast du dir das gefallen lassen? Du fühlst auch Wut. Aber die wichtigsten Gefühle sind Scham und Ekel vor dir selbst. Obwohl du eindeutig das Opfer bist, beginnst du dich selbst zu beschuldigen. Und das Erlebnis lässt dich nicht los. So geht es Opfern von sexueller Gewalt. Die sexuelle Identität ist dabei nicht entscheidend.

Es gibt mehrere Sachen, die du tun kannst. Du kannst das Gespräch mit dem Mann suchen. Das scheint im Moment die beste Lösung zu sein, weil sie dir eingefallen ist. Wichtig ist, dass du vor dem Gespräch für deine Sicherheit sorgst. Es sollte an einem neutralen, öffentlichen Ort stattfinden. Eine Drittperson sollte wissen, wann und wo das Gespräch stattfindet. Du kannst dich auch begleiten lassen. Dies würden wir einer Frau unbedingt vorschlagen. Du solltest dir vorher überlegen, was du erreichen willst. Möchtest du nur benennen, was der Mann getan hat. Soll er wissen, was er angerichtet hat und mit welchen Folgen du jetzt umgehen musst? Möchtest du sein Eingeständnis, seine Einsicht und/oder eine Entschuldigung? Möchtest du Frieden mit ihm oder sicher sein, dass er so ein Verhalten mit anderen Männern nicht wiederholt?

Du kannst so ein Gespräch auch mit Berater*innen einer Opferhilfeberatungsstelle vorbereiten. Dort könntest du dich auch sonst umfassend informieren. Z.B. über Strafanzeigen, ihre Bedingungen und Erfolgsaussichten, über den Prozessverlauf und auch über die möglichen Hilfen zur Verarbeitung von Gewalterfahrungen.

Wir wünschen dir, dass dein Gespräch so zufriedenstellend verläuft, dass du das Erlebte abschliessen kannst. Manchmal gelingt das nicht durch ein Gespräch. Erlaube dir, dann weitere Massnahmen zu überlegen.

Schau dir mehr Antworten und Infotexte an zum Thema