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Welche Straftaten unterscheidet das Gesetz?

Wenn du Gewalt irgendwelcher Art erlebst, bist du Opfer einer Straftat. In diesem Text geben wir dir einen Überblick darüber, welche Straftaten das Gesetz unterscheidet.

Wie regelt das Gesetz Straftaten?

Für verschiedene Handlungen gibt es verschiedene Bezeichnungen und Strafen. Die wichtigsten Sexualstraftaten im Schweizer Recht sind im Schweizerischen Strafgesetzbuch (StGB) im Kapitel «Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität» geregelt. In Deutschland sind sie im Strafgesetzbuch unter Paragraph 174 bis 184l geregelt. Alle sexuellen Handlungen, die du gegen deinen Willen erlebst, sind sexuelle Gewalt. Bei anderen Formen von Gewalt kommen verschiedene Gesetze zum Zug. Wir listen hier verschiedene Straftaten auf:

Sexuelle Nötigung: Gewalt, Drohung, Druck

Sexuelle Nötigung st ein Sammelbegriff für alle sexuelle Handlungen, die gegen deinen Willen vorgenommen werden. Bei sexueller Nötigung wendet der*die Täter*in direkte Gewalt, Drohungen und/oder unmittelbaren psychischen Druck an, um irgend eine sexuelle Handlung ausführen zu können. Alter und Geschlecht von Opfer und Täter*in spielen keine Rolle. Gemäss Schweizer Gesetz fallen darunter alle sexuellen Handlungen ausser vaginaler Geschlechtsverkehr.

Vergewaltigung: Erzwungenes Eindringen

Von Vergewaltigung spricht man in Europa allgemein, wenn jemand in die Vagina, den After oder den Mund eindringt, obwohl du das nicht willst. Das Schweizer Gesetz fasst den Begriff enger. Hier wird nur das erzwungene Eindringen mit dem Penis in eine Vagina verstanden, also den vaginalen Geschlechtsverkehr. Der Täter hat dazu Gewalt angewendet, sie unter psychischen Druck gesetzt oder zum Widerstand unfähig gemacht.

Sexuelle Ausbeutung, sexueller Missbrauch

Sexuelle Ausbeutung sind sexuelle Handlungen an Kindern oder Jugendlichen durch Erwachsene. In Deutschland heisst das, dass das Opfer unter 14 ist, in der Schweiz unter 16. Die ältere Person nutzt ihre Überlegenheit aus, um ihre eigenen Bedürfnisse durch sexuelle Handlungen mit der jüngeren Person zu befriedigen. Die jüngere Person wird also ausgebeutet. Die Täter*innen kommen fast immer aus dem nahen Umfeld. Es können Familienmitglieder, Sporttrainer*innen, Lehrer*innen oder andere nahe stehende Bekannte sein. Oft finden diese Übergriffe über längere Zeit wiederholt statt. Schon Küsse und Berührungen des Geschlechts oder der Brust sind sexuelle Ausbeutung. In der Schweiz gilt auch die Regelung, dass der Altersunterschied nicht mehr als 3 Jahre sein darf, wenn eine der Personen unter 16 ist.

Sexuelle Handlungen mit Abhängigen oder Schutzbefohlenen

Hier gibt es in der Schweiz verschiedene Paragrapen, je nachdem wie alt du bist.

Wenn du unter 18 bist, also minderjährig, kommt Artikel 188 zum Tragen. Du bist in einem Abhängigkeitsverhältnis zum*zur Täter*in. Die Abhängigkeit kann zum Beispiel sein, dass er*sie dich betreust oder dein*e Chef*in, Trainer*in oder Lehrer*in ist. Der*die Täter*in nützt seine*ihre Stellung aus, um sexuelle Handlungen mit dir zu machen. Du willst diese Handlungen nicht. Du wagt es aber nicht, dich zu widersetzen, weil du unter Druck gesetzt wird, oder weil dir Nachteile angedroht werden. Ein Beispiel: Der*die Lehrmeister*in droht, dich aus der Lehre zu werfen, wenn du nicht in die sexuelle Handlung einwilligst.

Wenn du über 18 bist, kommt Artikel 193 ("Ausnützen einer Notlage") zum Tragen. Da du eine erwachsene Person bist, wird eher erwartet, dass du nein sagen kannst. Daher kann der Artikel nur in Fällen eines sehr starken Abhängigkeitsverhältnisses angewendet werden. 
Zum Beispiel, wenn die Person dein Sektenführer ist. Oder ein Banker, bei dem du verschuldet bist. Oder dein Drogendealer. Oder deine langjährige Psychiaterin, von der du psychisch abhängig bist. Ob das Gesetz zum Tragen kommt, muss für jeden Fall genau geprüft werden.

Schändung: Übergriffe an nicht Urteilsfähigen

Diese Straftat kennt nur das Schweizer Gesetz. Hier warst du, wenn du einen Übergriff erlitten has, nicht urteilsfähig. Zum Beispiel weil du stark betrunken oder unter Drogen warst. Dazu gehört auch, wenn man dir K.O.-Tropfen verabreicht hat. Von Schändung spricht man auch, wenn das Opfer eine schwere geistige Behinderung hat.

Sexuelle Belästigung und Exhibitionismus

Als sexuelle Belästigung bezeichnet man alle Handlungen, bei denen sich Personen sexuell belästigt fühlen. Mehr über sexuelle Belästigung erfährst du in diesem Text. Exhibitionismus ist, wenn dir jemand die eigenen Geschlechtsorgane zeigt oder vor dir Selbstbefriedigung macht, obwohl du das nicht willst. Es gilt auch als eine Form von sexueller Belästigung.

Inzest: Geschlechtsverkehr unter Verwandten

«Inzest» ist im volkstümlichen Sprachgebrauch ein häufig verwendetes Wort für sexuelle Ausbeutung. Juristisch handelt es sich beim Inzest aber um eine andere Straftat. Es geht um den Geschlechtsverkehr zwischen Menschen, die in gerader Linie verwandt sind. Eltern, Grosseltern, Kinder oder Geschwister und Halbgeschwister sind in gerader Linie verwandt. Das Schutzobjekt ist hierbei die Familie und nicht die sexuelle Integrität des Opfers. Ein typisches Beispiel für diese Straftat – welche übrigens sehr selten zur Anzeige kommt – ist eine sexuelle Beziehung zwischen Geschwistern (Verwandte 2. Grades).

Illegale Pornographie

Es gibt illegale («harte») Pornos, die niemand anschauen, besitzen oder herstellen darf. Was in der Schweiz darunter fällt, liest du in diesem Text. In Deutschland ist die Verbreitung von Pornos mit Kindern, jugendlichen, Tieren und gewalttätigem Inhalt strafbar. Alle Bilder und Filme, die Minderjährige in sexualisierter Form zeigen, zählen als Kinderpornografie.

Cybergrooming: Sexueller Missbrauch im Internet

Von Cybergrooming ist die Rede, wenn Erwachsene Kinder und Jugendliche im Internet gezielt mit sexuellen Absichten kontaktieren. Ziel sind virtuelle oder echte sexuelle Handlungen mit den Kindern oder Jugendlichen. Manchmal nützen sie ein Fake Profil und geben sich als Gleichaltrige aus. Je nachdem, was die Täter*innen machen, können sie für verschiedene Straftaten angezeigt werden. Mehr darüber liest du in diesem Text.

Loverboys: Menschenhandel und erzwungene Sexarbeit

«Loverboys» betreiben Menschenhandel und drängen Personen in die Sexarbeit. Sie spielen dir zuerst die grosse Liebe vor, um dich dann schamlos auszubeuten. Du solltst das tun, wonach sie verlangen. Loverboys nötigen zu Sex gegen Geld. Oder sie fordern ein, dass du Pornos mit ihnen oder Fremden drehst. Oder sie verwickeln dich in das Schmuggeln von Drogen oder Waffen. Auch hier können unterschiedliche Straftaten zum Zug kommen. Mehr über Loverboys erfährst du in diesem Text.

Sextortion und Cybermobbing

Alles, was du postest oder verschickst, kann ohne dein Wissen weiterverbreitet werden. Du kannst damit auch erpresst werden. Erpressung mit deinen Bildern nennt man auch Sextortion. Mehr dazu liest du in diesem Text. Wenn Menschen heimlich Fotos oder Videos von dir aufnehmen und sie ins Netz stellen, um dich blosszustellen, nennt man das Cybermobbing oder Cyberbullying.

Häusliche Gewalt

Wenn du häusliche Gewalt erleidest, gibt es viele unterschiedliche Tätlichkeiten, die du anzeigen kannst. Zum Beispiel schwere Körperverletzung, einfache Körperverletzung, Drohung, Nötigung und Freiheitsberaubung, Erpressung, üble Nachrede, Verleumdung und Beschimpfung.

Stalking und Cyberstalking

Bei Stalking und Cyberstalking wirst du verfolgt, beobachtet oder belästigt. Täter*innen sind häufig Ex-Partner*innen. In vielen Fällen sind Stalking-Aktivitäten strafbar. Mehr dazu erfährst du in diesem Text.

Romance Scam: Liebesgefühle missbrauchen

Romance Scam ist eine Form des Betrugs. Dabei nutzen sie deine Bedürfnisse nach Liebe und Beziehung aus. Sie tun so, als bedeutest du ihnen etwas, dabei sind sie nur hinter deinem Ged her. Es kann auch sein, dass sie hinter geheimen Informationen (z.B. des Arbeitsplatzes) her sind. Vielleicht ist das Ziel auch, dich zu erpressen. Mehr dazu erfährst du in diesem Text.

Wen kann ich wann und wo anzeigen?

Lies dazu bitte diesen Text.