Hoi zäme. Ich bin 48, weiblich, single, berufstätig, kinderfrei, selbstversorgend. Nach einer Scheidung möchte ich nicht wieder heiraten und hatte auch Zeit gebraucht, meinen Schmerz über den Verlust eines Lebensentwurfs zu verarbeiten. Ich hab mein Leben neu gestaltet und fühle mich sehr wohl darin.
Ich habe nun einen Mann kennengelernt, der gefühlt nicht gegensätzlicher sein könnte. Während ich mich als Radikal feministische Egobraut sehe (grundsätzlich seriell monogamer Beziehungstyp), ist er aus Pakistan, Moslem, lebt seit mehr als 20 Jahren in der CH. Ich möchte ihn nicht heiraten, auch nicht spirituell (Nikkah), weil ich nicht weiss was das für mich bedeutet. Standesamtlich eh nicht, weil es mir in meiner Situation keinerlei Vorteile bringt.
Nun will ich irgendwie eine Beziehung mit ihm führen, ohne dass ich mich zu etwas gezwungen fühle, das ich nicht verstehe oder mir nicht passt. Ich habe Angst um meine Freiheit und meine Rechte. Bisher hat er mir nichts getan. Allerdings bin ich mir sehr bewusst, dass das Frauenbild, mit dem er gross geworden ist, ein totaler Culture Clash zu meiner Person ist. Wie gehe ich mit meinen Ängsten um, ohne ihn zu verletzen?
Mehrere Aussagen machen mir Sorgen und verwirren mich, alarmieren mich.
Wir sprechen englisch und da wir beide nicht native speaker sind, bin ich mir manchmal unsicher, ob ich alles richtig verstehe.
Während eines Telefonats hat er mir berichtet, dass es als Kind vergewaltigt worden sei und danach (wann genau weiss ich nicht) sein Onkel und sein Bruder und oder er selbst die Täter getötet haben . Das mag Jahre her sein, dennoch belasten mich seine Aussagen. Er hat zudem Panikattacken nach der Trennung von seiner zweiten Frau, die erst wenige Monate her ist. Ich weiss, dass er sie noch liebt. Das ist für mich ok. Schwierig war, dass er mir offenbarte, dass er sie initial töten wollte, weil er meint, sie betrüge ihn. Davon hat er wieder Abstand genommen, weil er niemanden zwingen will, mit ihm in einer Beziehung zu sein. Eines Morgens erzählte er am Telefon eine Art Geschichte…von die Frau mit Penetration und oder Penis im Mund „aufwecken „… als ich ihn fragte, ob das so passiert sei und er das mache, wiegelte er seltsam ab. Für mich ist das sexuelle Gewalt und versetzte mich in totale Alarmbereitschaft. Ich habe mit ihm sehr oft telefoniert und wir haben uns einige Male in Person getroffen. Ich fühle mich wohl in seiner Gesellschaft. Er hat bisher nichts getan, was sich für mich nicht gut angefühlt hat. Ich kämpfe immer wieder mit meinen Ängsten und Unsicherheiten aufgrund seiner Aussagen und der Gesamtsituation, dass er ein gläubiger Moslem ist, mir unbedingt Pakistan zeigen will, manchmal soll ich sein Girl friend sein, dann wieder nikkah machen, damit Sex (Penetration) für ihn keine Sünde ist.
Ich wünsche mir sehr seine Nähe und Zuneigung. Es muss gar keine grosse Liebe sein.
Respekt, gemeinsame Zeit, Austausch, Kuscheln und Sex, Intimität „reichen“ mir. Ich möchte nichts festlegen/ planen, benennen, was das ist oder wird mit uns. Ich fühle mich so zerrissen zwischen Mutig bleiben und die Erfahrung mit ihm machen, die ich gerade mache (Taten über Worte stellen) und davonrennen vor lauter red flags. Ich kommuniziere sehr viel, was mich stört (mit non violent Communication), er kann zuhören und das oft auch gut halten. Er sucht immer wieder den Kontakt und Austausch- wahrscheinlich weil er Ablenkung braucht von seinem Trennungsschmerz. Weegen der Panikattacken hatte er Citalopram bekommen. Das fand ich eine gute Idee und empfahl ihm, das mindestens 3 Monate zu nehmen und sich psychologisch/-therapeutisch begleiten zu lassen. Hab ihm auch entsprechende Stellen in seiner Nähe recherchiert und geschickt (bin Ärztin).
Auf Nachfrage meinte er einige Tage später, er habe die Tabletten weggeworfen , weil ein Kollege, der in der Apotheke meinte, sie machen abhängig. Nun also: ich hab einen Therapie-unwilligen Menschen mit einer potentiellen ptbs in meinem sehr nahen Umfeld und weiss gerade nicht mehr, wie ich mit all den herausfordernden Informationen umgehen soll/ ob ich das will/ kann? Wie kann ich mich selbst nicht gefährden/ vergessen/ verlassen in dieser herausfordernden Situation? Danke für Eure Hilfe!
Unsere Antwort
Als ich dein Schreiben gelesen habe, hat sich bei mir eine Frage manifestiert: Warum möchtest du überhaupt mit ihm zusammen sein?
Du nennst viele Punkte, die für dich in einer Beziehung eigentlich nicht in Ordnung sind. Du beschreibst auch, wie unwohl du dich mit diesen Punkten fühlst. Am Anfang schreibst du, dass er "dir bisher nichts getan hat", als wäre das nur eine Frage der Zeit. Ich rate dir, nimm die Red Flags ernst und traue deinem unguten Gefühl. Aufgrund deines Schreibens habe ich den Eindruck, dass da echt die Gefahr besteht, dass er gefährlich wird. Dass er auch sehr verführerisch sein kann, glaube ich sofort. Ich habe einfach schon zu viele missbräuchliche Beziehungen in meiner Praxis behandelt, um das hier nicht ernst zu nehmen.
Für mich sieht es auch so aus, als ob du dir Dinge einredest: Du sagst, „es muss gar keine grosse Liebe sein”, aber emotional geht es dir an die Nieren. Wenn es nur eine lockere Beziehung wäre, dann würde es dich nicht so beschäftigen. Es ist gut, dass es dich beschäftigt, denn er sagt schlimme Dinge. Ich sehe die Red Flags auch.
Wenn du mit diesem Mann eine Beziehung haben möchtest, lass dich unbedingt bei einer Fachstelle für Gewalt oder bei einer Beziehungsberatung beraten. Ich finde aber auch, dass du mit ihm keine Beziehung haben solltest, wenn er sich nicht bereit erklärt, seine eigenen Themen therapeutisch anzugehen. Falls er dazu nicht bereit ist, würde ich sagen: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Ich wünsche mir für dich einen Mann, bei dem du dich sicher fühlen kannst. Manchmal kann es ein Muster sein, dass man an Männer gerät, die einem eigentlich nicht gut tun. In so einem Fall ist es sinnvoll, wenn du das mal mit einer therapeutischen Fachperson angehst.
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