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Frage Nr. 40435 von 22.11.2025

Aktuell hat die Schweiz eine Campagne gegen häusliche/ geschlechterspezifische Gewalt lanciert. Ich unterstütze das sehr. Aber finde es schwierig, zu lesen: Es fange bereits dort an, wo eine Person regelmässig laut wird, um das Gegenüber einzuschüchtern.

… [...] …

Mittlerweile fühlt es sich krass an, dass das für mich „normal“ war (und meine Familie das immer noch verharmlost und normalisiert. Es ist aber Gewalt, oder?

Ich habe gelernt, immer wie auf rohen Eiern zu leben um andere herum. Ich mache das auch jetzt noch, um die Menschen, mit denen ich zusammenlebe, obwohl sie sehr friedlich sind. Wie kann ich das ablegen und selbstsicherer werden?

Ich mache auch Therapie, aber es geht kaum voran.

… bitte den Teil wenn möglich rauslassen. [...]

Unsere Antwort

Ich verstehe dich so, dass die aktuelle Kampagne für dich schwierig ist, weil sie dich daran erinnert, was du als Kind erlebt hast. Gleichzeitig findest du es wichtig und unterstützenswert, dass es diese Kampagne gibt.

Wenn durch die Kampagne Erinnerungen bei dir wach gerufen werden, ist es eine gute Idee, dich im Hier und Jetzt zu orientieren. Heute ist nicht damals und während du die Kampagneninhalte siehst, bist du in Sicherheit. Hast du dafür bereits Methoden in der Therapie gelernt? Falls nicht, empfehle ich dir als ersten Schritt, deine Füße auf dem Boden zu spüren, wenn die alten Gedanken und Gefühle hochkommen.

Ja, das, was du erlebt hast, ist Gewalt (hier auf deinen Wunsch gekürzt). Es geht vielen Gewaltopfern so wie dir. Sie normalisieren, was Betrachter von außen niemals als normal einschätzen würden. Es ist bereits ein grosser Schritt, dass du erkennst, dass du in der Vergangenheit zum Normalisieren tendiert hast und das heute anders handhaben möchtest.

Es ist verständlich, dass du Überlebensstrategien entwickelt hast und die bis heute anwendest, selbst wenn dein Umfeld heute eigentlich friedlich und sicher ist. Auch diese Erkenntnis, dass du die Überlebensstrategien von damals heute eigentlich nicht mehr brauchst, ist ein wichtiger Schritt zu einem leichteren Leben in Zukunft.

Es ist eine wichtige Rückmeldung, wenn du den Eindruck hast, dass du kaum Fortschritte machst in der Therapie. Es wäre aus meiner Sicht sehr wichtig, deinen Eindruck mit deiner therapeutischen Fachperson zu teilen. Wie lange bist du schon in Therapie? Welche Fortschritte hast du bereits gemacht? Und wo wünschst du dir Fortschritte und sie bleiben aus? Woran würdest du Fortschritte erkennen? Es ist eine gute Idee, wenn du das für dich selbst klar benennen kannst, denn dann kannst du es auch im therapeutischen Prozess einbringen. Es kann auch sein, dass deine therapeutische Begleitung viel mehr Fortschritte erkennen kann als du. Auch darüber wäre es sinnvoll ins Gespräch zu gehen.

Zum Weiterlesen empfehle ich dir sehr unser Kapitel Gewalt in der Familie: Was tun?

Meine Einschätzung ist, dass deine Vergangenheitsbewältigung in therapeutischer Begleitung gut aufgehoben ist. Und wir möchten dich zum offenen Ansprechen deiner Anliegen in Therapie ermutigen. Falls es zusätzlich etwas gibt, womit wir dir weiterhelfen können, lass es uns wissen. Du kannst uns einfach wieder schreiben. Gib dann bitte die Nummer dieser Frage an.

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