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Was sind Flashbacks und warum habe ich sie?

Wenn du etwas Schlimmes erlebt hast, wird das möglicherweise nicht sauber im Gedächtnis abgelegt. Du erinnerst dich nicht dran, sondern es holt dich als sogenannter Flashback ein, wenn du getriggert wirst. Du kannst mit solchen Flasbacks aufräumen.

Was ist ein Flashback?

Ein erwachsener Mann schaut sich über die Schulter und sieht ein sehr großes weinendes Kleinkind hinter sich sitzen. Das Bild stellt einen Flashback dar, den der Mann in diesem Moment hat. Er fühlt sich dadurch in seine Kindheit zurückversetzt.

Ein Flashback ist, wenn dich in irgend einem Augenblick ein intensives Körpergefühl oder eine starke Emotion übermannt, oder es tauchen verstörende Bilder in deinem Kopf auf. Das, was den Flashback ausgelöst hat, nennt man einen Trigger. Etwas hat dich getriggert.

Das können ganz unterschiedliche Situationen sein. Diese sind oft mit Stress verbunden: ein schwieriges Gespräch bei der Arbeit. Oder eine stressige soziale Situation. Oder du bist irgendwo allein. Oder du kannst irgend etwas nicht. Es kann aber auch etwas eigentlich Schönes sein, das diese Reaktion auslöst. Zum Beispiel wenn du Sex mit einer Person hast, die du magst.

Was passiert dann? Plötzlich hast du ein schlimmes Gefühl, spürst grosse Angst, Verzweiflung oder Hilflosigkeit. Vielleicht siehst du dann auch Bilder oder Bilderfetzen, die dich beängstigen und verstören. Oder du verspürst Schmerzen oder andere unangenehme Körpergefühle.

Um zu verstehen, was Flashbacks sind, solltest du wissen, wie unser Gedächtnis funktioniert.

Cold memories: Wie funktioniert das chronologische Gedächtnis?

Normalerweise werden Dinge, die passieren, sauber verarbeitet und im sogenannten chronologischen Gedächtnis abgelegt. Man nennt das auch das verbale oder explizite Gedächtnis. Das kannst du dir wie eine Kommode vorstellen mit ganz vielen Schubladen. Die Kommode wächst ständig: Oben werden immer neue Schubladen angebaut.

Jedes neue Ereignis kommt in die oberste Schublade. Es wird abgelegt wie eine Geschichte, an die du dich erinnerst und die du erzählen kannst. Je weiter ein Ereignis zurückliegt, desto weiter nach unten wandert es also. Es erscheint dir immer weiter weg. Du hast ein Zeitgefühl dafür. Du spürst, was gestern war und was vor vielen Jahren.

Alle Erinnerungen sind verbal zugänglich, das heisst, du kannst darüber reden. Wir nennen das auch "cold memories" – kalte Erinnerungen.

Hot memories: Wie funktioniert das Gedächtnis im Stress?

Angenommen, du erlebst etwas ganz Schlimmes. Etwas, das dich emotional überwältigt: Du wirst verprügelt. Du erlebst sexuelle Gewalt. Oder du wirst emotional fertig gemacht. Oder du wirst im Stich gelassen. In solchen Situationen erlebst du höchsten Stress. Dann wandert das Geschehen auf eine andere Weise in dein Gedächtnis: Statt dass eine Geschichte sauber in einer Schublade landet, kommen alle Sinneseindrücke unverarbeitet ins sogenannte implizite Gedächtnis.

Dieses kannst du dir so vorstellen: Alles, was du gesehen, gehört, gefühlt, empfunden hast, landet wild zusammengewürfelt in einem Topf. In diesem Topf herrscht keine Ordnung. Altes und Neues ist komplett vermischt. Wir nennen das auch "hot memories" – heisse Erinnerungen. Auf diese hot memories hast du keinen Zugriff in der "Ich erinnere mich" Art. Du kannst sie nicht erzählen. Und du hast auch kein Zeitgefühl dafür.

Flashbacks: Wie werden hot memories erinnert?

Hot memories werden wachgerufen durch Trigger, wie wir sie im ersten Abschitt beschrieben haben. Es passiert etwas, das sich irgendwie ähnlich anfühlt wie damals. Vielleicht, weil du in einem ähnlich angespannten Körperzstand bist. Oder weil du starke Schamgefühle verspürst, oder Hilflosigkeit oder eine andere unangehmen Emotion. Oder weil du Schmerzen erlebst. Oder weil du an einem Ort bist, der ähnlich aussieht oder riecht. Oder du hörst ein bestimmtes Lied.

Jetzt werden hot memories wachgerufen: Gefühle, Empfindungen Bilder. Das Gehirn verbindet also einen Sinneseindruck von heute mit einem ähnlichen Sinneseindruck von früher. Ein Beispiel: Ein Kumpel macht im Scherz eine abfällige Bemerkung. Das triggert eine hot memory von damals, als dein Vater abfällige Bemerkungen machte, die dich völlig fertig gemacht haben. Du empfindest das Gefühl jetzt als ganz schlimm. Du reagierst total über. Du bist im Erleben von damals drin. Damals, als Kind, ging es dir total an die Nieren.

Heute müsste es dir nicht so an die Nieren gehen. Aber du erlebst die Vergangenheit sozusagen im Hier und Jetzt.

Sind Flashbacks gestört?

Nein. Flashbacks sind eine normale Folge von schlimmen Dingen, die dir passiert sind. Niemand, der Flashbacks hat, ist deshalb gestört. Viele Menschen erleben Flashbacks, weil viele Menschen im Laufe ihres Lebens Situationen erleben, die mit so intensiven Gefühlen verbunden sind, dass sie im Gedächtnis nicht sauber abgelegt werden.

Es kann auch sein, dass einer anderen Person etwas Schlimmes passiert, und das triggert irgend eine hot memory – obwohl du selbst gar nicht in Gefahr bist. Aber damals warst du es. Die Erinnerungen holen dich dann immer wieder ein.

Das ist nicht gestört, sondern das Gehirn funktioniert dann so, wie es in solchen Situationen funktioniert. Das kann natürlich zu Problemen führen, weil alte Gefühle in einer heutigen Situation dein Verhalten bestimmen. Du kannst dann gar nicht anders. Aussenstehende verstehen deine Reaktion überhaupt nicht.

Warum werde ich manchmal getriggert und manchmal nicht?

Möglicherweise hätte der blöde Scherz deines Kumpels dich gestern nicht so getriggert. Aber heute bist du eh schon im Stress. Oder sehr müde. Oder überlastet. In so einem Zustand kochen die Emotionen schneller über. Wenn du hingegen lässig durch den Alltag gehst, bringt dich nichts so schnell aus der Fassung. Im Stress kommen auch eher Erinnerungen an stressige Situationen hoch.

Warum hilft Bewegung gegen Flashbacks?

Wenn du angespannt bist, werden eher hot memories getriggert, die in einem Zustand entstanden sind, wo du sehr angespannt warst. Zum Beispiel weil du grosse Angst oder Ekel erlebt hast oder sehr wachsam und auf der Hut warst. Es kann aber auch sein, dass ein Flashback auftritt, wenn du schlaff, passiv und unbewegt bist. Dann werden eher Erinnerungen getriggert, die entstanden sind, als du ohnmächtig, hilflos und regungslos warst.

Grundsätzlich werden Flashbacks viel weniger getriggert, wenn du in einem lockeren, aktiv-entspannten körperlichen Zustand bist. Wir empfehlen daher zum Beispiel allen, die sexuelle Übergriffe erlebt haben, dass sie beim Sex für aktive Bewegung sorgen und Zustände von Hochspannung ebenso vermeiden wie die passive Rückenlage.

Warum Bewegung so hilfreich ist, erfährst du in diesem Text über dein autonomes Nervensystem, den wir dir sehr empfehlen. Und in diesem Text erfährst du, wie du deinn Gefühlszustand über den Köper beeinflussen kannst und dich sicherer fühlen kannst.

Wie räume ich mit hot memories auf?

Eigentlich sind Flashbacks Zustände, die anklopfen, weil sie ernst genommen werden wollen: Sie wollen dich davor schützen, dass sich irgend ein schlimmes Ereignis aus der Vergangenheit wiederholt. Sie sorgen dafür, dass du bestimmten Situationen aus dem Weg gehst.

Dummerweise verstehen sie nicht, dass sie eigentlich in der Vergangenheit liegen. Sie sollten eigentlich aufgeräumt und sauber in der Kommode der cold memories abgelegt werden. Sie sollten sauber in der Vergangenheit abgelegt werden. Erst dann treten sie nicht mehr auf.

Um mit hot memories aufzuräumen, bringt man ihnen Sprache und ein Zeitverständnis bei. Man verhilft ihnen dabei, an cold memories aus der gleichen Zeit anzudocken, so dass das Gehirn versteht: «Ach, das war damals, das ist ja gar nicht jetzt», wenn wieder so ein Bild oder so ein Zustand aufpoppt.

Das heisst also: Man schaut, was da für hot memories sind, und bindet sie an cold memories. So werden sie sauber in der Vergangenheit abgelegt, und du wirst frei fürs Hier und Jetzt. Die Erinnerungen fühlen sich dann wie Vergangenheit an, und du hast das Gefühl: «Das war damals, es betrifft mich heute nicht mehr».

Das Ziel ist also nicht, die Erinnerungen unter Kontrolle zu halten, sondern sie sauber in der Vergangenheit abzulegen, dass sie dich im hier und jetzt nicht mehr einholen. Dazu gibt es in der Psychotherapie oder Traumatherapie verschiedene Techniken.