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Frage Nr. 38045 von 20.03.2024

Hallo lilli :)

(w) Fragen zum Thema Lust kontrollieren

Ich, w(24), habe ein großes Thema mit meiner Lust. Ich bin gerade in meiner ersten festen Beziehung und merke, dass es noch vieles gibt, das im Sex mit meinem Beziehungsmenschen (m) noch nicht eingespielt ist.
Ich tendiere dann immer gerne dazu, das auf meine Kappe zu nehmen, weil ich noch nicht so viel Erfahrung habe.
Er hatte schon viele Beziehungen und viel Sex.
Ich habe erst recht spät angefangen mich selbst zu befriedigen und auch sehr selten. Eigentlich höchstens alle paar Wochen mal, weil ich einfach kein großes Interesse/Lust verspüre. Und einen Orgasmus zu bekommen benötigt meistens viel Arbeit, auf die ich im Vorhinein nicht so viel Lust habe. Auf Sex mit meinem Freund habe ich schon immer wieder Lust, tendenziell aber weniger als er und auch besonders stark immer in Kombination mit Alkohol. Der Sex ist oft schön, aber wir beide lassen uns oft nicht richtig fallen oder achten mehr auf den anderen.
Aus eurem Beiträgen heraus lese ich, dass vieles einfach Übungssache ist und ich mich einfach dazu bewegen sollte, mich ein bisschen mehr selbst zu berühren und die Synapsen auszubilden.
Was mir aber aktuell Gedanken macht und wozu ich noch keinen Beitrag gefunden habe, ist zum Thema Lust: Inwiefern unterscheidet sich Lust bei verschiedenen Menschen (auch geschlechtsbezogen), wie kann ich meine Lust länger halten, kontrollieren?
Ich habe durchaus Lust auf Sex, aber zum Beispiel: die Lust wallt während des Vorspiels auf, durch unseren Sex wird sie gesteigert und dann kommt eine Art Höhepunkt (ich glaube nie ein richtiger Orgasmus) und dann ist sie einfach wieder weg. So oder so ähnlich, das Thema ist immer das gleiche, auf meine Lust ist kein Verlass, sie kommt und geht innerhalb von 2-3 Minuten wie sie will. Dagegen ist die Lust meines Freundes sich steigernd.
Wir haben noch keinen guten Umgang mit meiner unzuverlässigen Lust gefunden, der uns beide zufrieden macht. Denn wenn meine Lust weg ist, tue ich mir oft schwer weiter mit zu machen, um ihm auch seine Befriedigung zu geben, da ich ja komplett das Interesse verloren habe.
Auch aus feministischer-konsens-Sicht fällt es mir schwer, einen Umgang für mich persönlich mit unseren unterschiedlichen Lust und Sex Bedürfnissen zu finden. Ich möchte mich für meinen Partner nicht verbiegen und meine Grenzen überschreiten, aber gleichzeitig habe ich auch das Gefühl, dass die Erfahrung von belasteter Sexualität mich halt einfach sensibler gemacht hat als notwendig wäre (dh. ich könnte schon einfach mal weiter mitmachen, selbst wenn ich nicht total Lust habe). Die verstärkte Beschäftigung der feministischen Szene mit dem Appell seinen Konsens zu wahren finde ich toll, aber ich merke, dass es mich auch noch achtsamer, unkooperativer und kompromissloser macht. Es fällt mir schwer, meine persönlich-erfahrenen sexuellen Negativ-Erfahrungen und diese feministischen Lehren auseinanderzuhalten. Habt ihr dazu einen Beitrag?
Und dann habe ich noch eine Frage, was ich auch schon von vielen Freudinnen mitbekommen habe: wir alle (w) haben immer wieder Momente, in denen unsere Partner*innen uns klitoral befriedigen und es intensiv ist, aber wir einfach nicht zum Höhepunkt kommen. Aber es ist so intensiv, dass wir irgendwann abbrechen, weil wir es nicht mehr aushalten. Was hat es damit auf sich?

Vielen Dank für eure starke und ganz ganz wichtige Arbeit. Ich bin gestern auf euch gestoßen und frage mich warum die Gesellschaft es nicht schafft diese Themen besser zu kommunizieren.
Danke also!
Kürzt gerne, wie ihr wollt.

Viele Grüße

Unsere Antwort

Wenn du von Lust sprichst, bin ich nicht ganz sicher, was du meinst. Wir unterscheiden:

  • Sexuelles Begehren – also die Lust auf Sex
  • Lust am Sex - das mehr oder weniger genussvolle Erleben der Sexualiät
  • Sexuelle Erregung – das körperliche Geschehen. Lies dazu bitte diesen Text

Es lohnt sich, wenn du alle drei Faktoren getrennt voneinander betrachtest. Körperliche sexuelle Erregung kann, muss aber nicht mit lustvollem Erleben einhergehen. Und die Lust auf Sex wird erst dann befriedigt, wenn beim Sex auch das passiert, auf das ich Lust habe. Es lohnt sich, wenn du das bei dir mal auseinandernimmst.

Wie sexuell erregt bist du? Möglicherweise bist du bis zu einer orgastischen Entladung erregt, aber du erlebst sie nicht als schön und den Weg dahin als unter dem Strich nicht sonderlich lustvoll. Hierzu empfehle ich dir diesen Text über den Orgasmus. Auch beim Solosex scheint die sexuelle Erregung vor allem mit Anstrengung einherzugehen. Und unangenehme Gedanken scheinen sowohl Solosex als auch Paarsex zu begleiten.

Die Frage ist also: Was kannst du tun, um die sexuelle Erregung lustvoller zu erleben? Dafür möchte ich dir diese Tipps ans Herz legen. Darin steht, was du machen kannst, um während dem Sex aus einem "Lust-Loch" herauszukommen, statt gleich abzubrechen. Zentral dabei ist Bewegung – vor allem im Oberkörper. Ausserdem empfehle ich dir diese Tipps zum sexuellen Begehren. Und schliesslich empfehle ich dir, diesen Text über Erregungstechniken zu lesen. Darin und in den von dort verlinkten Texten wird beschrieben wie das, was wir mit dem Körper machen, unser sexuelles Erleben beeinflusst. Umgekehrt: Wie wir es durch das, was wir körplich machen, beeinflussen können.

Das sexuelle Begehren, die Lust am Sex, Erregungsquellen und Erregungstechniken unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Sie verändern sich im Verlauf des Lebens. Wir lernen bis zum Tod dazu. Wenn du all die Texte, auf die ich dich verlinkt habe, gelesen hast, verstehst du möglicherweise besser die "Logik" hinter deinem Erleben. Das heisst: Was auch immer du als "Lust" beizeichnest, ist nicht unzuverlässig, sondern eine logische Begleiterscheinung dessen, was du machst und erlebst. Vielleicht bringt dich die Lektüre auf Ideen, wie du das beeinflussen kannst. Ich möchte dich einladen, auszuprobieren und zu experimentieren und zu üben. Es lohnt sich, zu üben. Lustvolles Erleben fällt nicht vom Himmel.

Du sprichst von negativen sexuellen Erfahrungen. Waren das Erfahrungen wo du gezwungen wurdest? Oder waren die Erfahrungen einfach enttäuschend? Oder waren es Erfahrungen, die von Ambivalenz geprägt waren? Oder wo du erst im Nachhinein begriffen hast, dass du sie nicht wolltest? Derartige Erfahrungen sind im sexuellen Lernprozess häufig. Vielleicht interessiert dich dazu dieser Text.

Grundsätzlich sind wir Menschen nie nur von einem Bedürfnis geleitet. Und unsere Bedürfnisse widersprechen sich oft. Du möchtest, dass dein Freund den Sex geniesst, aber du möchtest nicht, dass du selbst dafür leiden musst. Umgekehrt möchtest du nicht, dass dein Freund leidet, weil du den Sex abbrichst. Was auch immer du machst, irgend ein Bedürfnis wird nicht befriedigt. Vielleicht nützt es dir, wenn du dir sagst: "Ich mache aus freien Stücken mit meinem Freund Sex und erwarte dabei keine Lust am sexuellen Erleben, ich bin nämlich in einer Experimentierphase. Ich bin neugierig und offen für das, was ich erlebe, und freue mich über jedes Mal, wenn die Lust wieder kommt".

Das könntest du auch deinem Freund erzählen. Denn ich glaube, bei euch ist die Erwartungshaltung gross, dass der Sex dir grosse Lust bereiten muss. Und vielleicht bist du in deinem sexuellen Lernprozess an einem Punkt, wo es nicht so realistisch ist. Dazu zitiere ich aus dem Text Wieso komme ich nicht (immer) zum Orgasmus? folgenden Abschnitt: "Wir nennen es das Schweizer-Käse-Prinzip (schliesslich kommt Lilli aus der Schweiz): Wenn du dich auf die Löcher im Käse konzentrierst, merkst du nicht, dass der Käse eigentlich gut schmeckt. Konzentrier dich also auf das, was du fühlst, was du wahrnimmst, auf das, was angenehm ist."

Und schliesslich noch zur Frage der Überstimulation am Klitoriskopf: Der hat unglaublich viele Nervenendigungen. Direkte Stimulation des Klitoriskopfes ist für viele Frauen schnell zuviel – insbesondere wenn das ein*e Partner*in macht, der*die selbst ja nicht spüren kann, was gerade in der Klitoris abläuft, und drum weniger nuanciert dosieren kann. Wir empfehlen die indirekte Stimulation über die Vorhaut oder dann grossflächiger, also unter Einbezug der ganzen Klitoris und nicht nur ihres Kopfes.

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