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Frage Nr. 38236 von 21.04.2024

Hallo
Ich bin nicht ganz sicher, ob meine Frage hier hinpasst. (Ich bin weiblich, 20-30)
Habt ihr vielleicht Ideen, wie ich mich wieder sicherer fühlen kann in mir/ in meinem Körper? Ich habe grosse Mühe, mich sicher zu fühlen. Kann auch kaum entspannen: Oft lerne und lerne ich, um nicht nachdenken oder fühlen zu müssen. Aber das kann ich auch nicht ewig durchhalten.

Im Kopf weiss ich, dass ich sicher bin. Erwachsen. Nicht mehr anderen ausgeliefert. Aber vom Gefühl her ist das gar nicht so.
Zuhause wurde sehr viel ausgerastet, geschrien, beschimpft (wertlos, nutzlos, dumm), gedroht und geschlagen oder missbraucht.
Das ist vorbei. Aber es fühlt sich nicht „vorbei“ an.
Ich fühle mich manchmal hoffnungslos, dass das je wieder gut wird.

Unsere Antwort

Ja, deine Frage passt hier sehr gut hin.

Ich kann deine Hoffnungslosigkeit verstehen. Es ist nicht hoffnungslos. Es ist anspruchsvoll. Damit du dich wirklich von der Vergangenheit befreien kannst, ist es zunächst mal wichtig, dass du verstehst, was bei dir abläuft.

Dein Körper erinnert das Trauma genauso wie dein Gehirn: In der Dauergefahr ist dein Körper in ein dauerhaftes Zusammenzucken, Abwehren und Anspannen gegangen. Das hängt mit deinem autonomen Nervensystem zusammen, das immer und ganz schnell auf den Stress und den Missbrauch reagiert hat und dich sehr oft oder gar ständig in eine Art Kampf-Flucht-Reaktion versetzt hat. In diesem Kampf-Flucht-Zustand sind wir angespannt.

Anspannung kann ein Gefühl von Halt und Stärke geben. Umgekehrt erinnert die Anspannung unser Gehirn daran, dass hier Gefahr ist. Anspannung kann auch direkt Erinnerungen an traumatische Erlebnisse triggern, – so genannte Flashbacks. In diesen Flashbacks erlebst du die schlimmen Gefühle von damals, als seien sie jetzt. Flashbacks verstehen nicht, dass es "vorbei" ist. Bitte lies dazu diesen Text über Flashbacks.

Statt dass sie dir wirklich Halt gibt, fördert Anspannung also das Gefühl, du seist nicht sicher. Was zu noch mehr Bedürfnis nach Spannung führt. Dauerspannung ist für den Körper eigentlich ein unguter Zustand. Da kriegen die Muskeln nicht so viel Sauerstoff. Er fühlt sich dann nicht gut an. Oder er fühlt sich gar nicht an, weil Wahrnehmung durch die schlechte Durchblutung vermindert ist. Das kann das Gefühl von Unsicherheit noch fördern – weil der Körper irgendwie fremd wird.

Wie kommst du da raus? Zum ersten hilft, dass du dich besser verstehst. Nicht nur, was Flashbacks betrifft, sondern ganz grundsätzlich, wie dein autonome Nervensystem funktioniert. Bitte lies hierzu unseren Text über das autonome Nervensystem. Du erfährst darin auch, wie eng Emotionen und der Körper zusammenhängen.

Entspannung ist nicht angesagt, denn du kippst dabei möglicherweise in ein Loch, in dem du dich hilflos und ausgeliefert fühlst. Ich empfehle dir vor allem eins: Bewegung. In unserem Text über das autonome Nervensystem liest du nach, warum Bewegung so hilfreich ist, uns bessere Gefühlszustände zu verschaffen. Ich möchte dir auch sehr diesen Text nahelegen über die Beeinflussung der Gefühle mit dem Körper.

Hast du irgend eine therapeutische Begleitung? Das würde ich dir empfehlen. Traumatherapie arbeitet sehr oft mit dem Körper (z.B. im Somatic Experiencing oder im Soma). Sehr empfehlenswert finde ich auch das Buch "Leben mit der Polyvagaltheorie: In Sicherheit verankert" von Deb Dana.

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