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Frage Nr. 40164 von 11.09.2025

Hallo liebes Lilli-Team,

ich bin m26 und habe erst vor ein paar Monaten angefangen, Erfahrungen mit Frauen zu machen.

Es kommt mir so vor, als wäre mein Erleben sehr anders, als das von den meisten Menschen.
Ein Beispiel:
Ich bin sehr empfindlich bei Lautstärke. Wenn irgendwo laute Musik ist, oder viele Menschen gleichzeitig reden, ist das sehr unangenehm.
Ich denke mir: "Wie kann das sein, dass den anderen Leuten das nicht zu laut ist?"

Ich nehme das Thema Lautstärke als Beispiel, weil ich dabei - ähnlich wie bei meinem sexuellen Erleben - das Gefühl habe, dass ich nicht so wahrnehme, wie andere.

Ich nehme beim Küssen sehr oft einen Geruch/Geschmack wahr, wobei ich mir denke: "Wenn das alle anderen auch so empfinden würden, wäre Küssen nicht so etwas 'normales' "
Ich habe schon mehrere Frauen geküsst. Bei fremden Frauen war es immer so.
Aber auch bei meiner Sexualpartnerin (5 Monate Beziehung) gab es immer wieder Tage oder Momente, in denen ich wieder diesen Geschmack wahrgenommen habe.
Ich kann das schon ausblenden. Aber ich finde es komisch, dass Küssen bei sexuellen Beziehungen zum Standardprogramm gehört.

Oralsex finde ich auch fragwürdig. Ich habe es öfter als drei Mal ausprobiert. Einmal war der Geschmack und Geruch ganz ok. Aber beim nächsten Mal schon wieder unangenehm.
Bei Oralsex fällt es mir leichter zu sagen: Das gefällt mir wohl einfach nicht.
Aber beim Küssen komme ich mir komisch vor, wenn ich das nicht mag.

Ich will die Frauen lieber auf die Wange küssen, oder auch nur ganz sanften Lippenkontakt, das mag ich sehr gerne.

Bei der Penetration geht es mir ähnlich. Ich hab es bisher schon fünf oder sechs mal gemacht. Es klappt auch gut.
Aber ich würde lieber etwas anderes machen - Befriedigung mit den Händen, oder sich aneinander reiben.
Mein Penis hat einen sehr steilen Erektionswinkel. Bei der Penetration muss ich darauf achten, dass er nicht zu weit von meinem Körper gedrückt wird, sonst tut es weh.
Aber ich finde es auch grundsätzlich nicht so schön, wie ich meinen Penis in der Vagina wahrnehme.

Es ist schon schwer genug, eine Frau zu finden, mit der ich mich charakterlich gut verstehe.
Dass es beim Sex auch noch so viele Punkte gibt, auf die man sich einigen muss, finde ich ein wenig entmutigend.

Und ich komme mir komisch vor. Ich frage mich, wie sehr ich mich an die "Norm" anpassen soll.
Küssen ist normal. Penetration ist normal. Und ich krieg das auch hin, und manchmal gefällt es mir auch.

Am liebsten würde ich nur kuscheln, und dabei zusammen/gegenseitige Masturbation machen.
Es fällt mir schwer, dazu zu stehen. Könnt ihr mich irgendwie ermutigen?
Gibt es dafür eine Erklärung? Gibt es irgendwo Erfahrungsberichte von Menschen, denen es vielleicht ähnlich geht?
Ich habe Angst, dass ich nicht verstanden werde, weil ich auch bei anderen Themen immer wieder auf Unverständnis stoße, wenn ich etwas nicht mag, weil es mir "zu viel" ist.

Und auch zum Thema Küssen und Penetration bekomme ich in Gesprächen immer wieder vermittelt: Das ist normal. "NATÜRLICH finden das ALLE super."
Das verunsichert mich.

Unsere Antwort

Das, was du beschreibst, fühlen viele Menschen, auch wenn die meisten nicht darüber sprechen. Denn über Unsicherheiten zu sprechen bedeutet, sich verletzlich zu zeigen. Du bist also auf einem guten Weg, weil du ein gutes Gespür für deinen Körper und deine Bedürfnisse hast. Das ist eine große Ressource und kann dir in Zukunft noch sehr nützlich sein.

Sexualität ist nicht unbedingt etwas, was du sofort „kannst“ oder was dir sofort „Spaß“ macht. Vieles daran ist ein lebenslanger Lern- und Übungsprozess. Am Anfang kann sich manches fremd, komisch oder sogar unangenehm anfühlen – und das ist völlig normal. So wie bei vielen anderen Dingen im Leben: Kaffee zum Beispiel schmeckt vielen Menschen beim ersten Mal auch nicht besonders gut. Erst mit der Zeit gewöhnt man sich an den Geschmack, findet heraus, wie man ihn am liebsten mag – oder merkt vielleicht auch, dass man ihn gar nicht braucht.

Ähnlich ist es beim Küssen, bei Oralsex oder beim Geschlechtsverkehr. Am Anfang fühlt es sich nicht automatisch „super“ an, auch wenn es überall so dargestellt wird. Viele Menschen entdecken erst mit der Zeit, was sich für sie gut anfühlt – oder sie stellen fest, dass manche Dinge einfach nicht ihr Ding sind. Beides ist völlig okay.

Wichtig ist, dass du dir erlaubst, dein eigenes Tempo zu gehen und deine eigenen Vorlieben zu entdecken. Es gibt nicht die eine Norm, an die du dich anpassen musst. Wenn dir Kuscheln, sanfte Küsse oder gegenseitige Befriedigung im Moment mehr Freude machen, dann ist es super, dass du das bemerkst – und ein wertvoller Teil deiner Sexualität. Und wenn du irgendwann Lust hast, etwas auszuprobieren, kannst du das in deinem Tempo tun – ganz ohne Druck.

Sexuelles Lernen bedeutet, dass du mit jeder Erfahrung ein Stück besser verstehst, was dir gefällt, was dir weniger liegt und wie du das mit einer Partner*in teilen kannst. Vielleicht interessiert dich dazu dieses Kapitel. Je offener du darüber sprichst, desto leichter wird es, gemeinsam Wege zu finden, die euch beiden guttun.

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