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Frage Nr. 34990 von 06.05.2022

Hallo,

Ich bin weiblich und 31. Ich bin im Laufe meines Lebens immer wieder mit dem Thema sexuellen Missbrauch in Kontakt gekommen, entweder durch Freunde oder aufgrund meiner Arbeit. Auch vor kurzem mussten wir auf der Arbeit wieder mit einem Fall klarkommen, der uns sehr mitgenommen hat.

Ich habe in solchen Moment immer sehr mit den Bildern in meinem Kopf zu kämpfen, die ich nur sehr schwer loswerde und in mir Ängste hervorrufen.

Vor allem macht es mir zu schaffen, dass ich diese furchtbaren Bilder von sexueller Gewalt meistens aus der Sicht des Täter erlebe. Das hat bei mir dann die Angst ausgelöst, dass das bedeutet, dass mit mir was nicht stimmt, dass ich diese Vorstellungen irgendwie gut finden könnte und selber irgendwelche furchtbaren sexuellen Tendenzen habe und zu so was fähig wäre. Dann werden diese Bilder natürlich nicht besser, sondern eher schlimmer, als wäre ich selbst der Täter.

Ich weiß, dass solche Angstkreisläufe nicht helfen diese Gedanken zu durchbrechen, aber ich bekomme wegen dieser Bilder, die dann einfach blitzartig auftauchen ein so schlechtes Gewissen und sage mir immer ich darf diese Bilder nicht haben, aber das bringt natürlich nichts. Und jetzt triggern solche Vorkommnisse natürlich, so dass ich diese Bilder schnell im Kopf habe, wenn ich von solchen Erlebnissen höre.

Also ich weiß wie das mit den Abläufen von Zwangsgedanken und Angst ist, aber trotzdem macht es mir zu schaffen, dass ich, wenn ich solche schlimmen Erlebnisse von Menschen erfahre, die abstoßenden Bilder von sexueller Gewalt auch aus Sicht des Täters sehe. Ist das denn normal?

Unsere Antwort

Deine Vorstellungen und Gedanken sind normal. Du willst sie ja nicht in Realität umsetzen. Fantasien von Gewalt können erregend sein – emotional und auch sexuell erregend. Das Erregende zieht uns an, erfüllt uns, belebt uns. Egal ob es schöne oder unschöne Inhalte hast. Da du vom Fach bist, benutze ich jetzt auch Fachbegriffe: Dein vegetatives Nervensystem ist rund um diese Fantasiegedanken im Kampf-Flucht-Modus. Da ist es ebenso möglich, dass man sich in der Opferrolle sieht wie in der Täterrolle. Das ist normal.

Das Ganze geht mit einer starken Aktivierung des Sympathicus einher. Und diese wiederum geht mit grosser mentaler und körperlicher Anspannung einher. Jedesmal, wenn du dir Sorgen über deine Gedanken machst, aktivierst du den Sympathicus stark. Und jedes mal wenn der so aktiviert wird, triggert das diese Gedanken und Bilder.

Anders gesagt: Intrusive Gedanken kommen dann, wenn wir in einem Zustand sind, wo diese Gedanken Platz haben. Das ist das Prinzip der Flashbacks. In dem Text über sexuelle Fantasien, auf den ich dich weiter oben verlinkt habe, schreiben wir mehr darüber. Umgekehrt gehen sie eher wieder, wenn wir uns in einen anderen Zustand versetzen. Wenn du in einem Zustand bist, wo dein ventraler Vagus stärker aktiviert ist, haben diese Gedanken keinen Platz. Falls du nicht weisst, was der ventrale Vagus ist, schau dir bitte diesen Film auf Youtube an.

Mein Tipp zum Umgang mit den Gedanken ist also: a) Akzeptiere, dass du sie hast. Normalisiere diese Gedanken als logische Bilder im Kampf-Flucht-Modus. b) Aktiviere den ventralen Vagus, während du sie hast. Das kannst du z.B. mit langem Ausatmen, oder mit lockerer Bewegung im Oberkörper, oder indem du ganz bewusst dein Gesicht entspannst und die Mundwinkel leicht nach oben bewegst. Gute weitere Übungen zur Regulierung deines vegetativen Nervensystems findest du im Buch "Der Selbstheilungsnerv" von Stanley Rosenberg.

Schau mal ob dich das weiterbringt. Bei weiteren Fragen schreib uns einfach wieder.

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