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Frage Nr. 40304 von 27.10.2025

Hallo Lilli,

Was ist pädophilie? Es herrscht ja so der Konsens dass das angeboren und unumkehrbar wäre, aber das fällt mir sehr schwer zu Glauben. Am Ende sind das doch einfach nur brutalere fantasien, weil die Leute einfach zu angespannt sind beim masturbieren und sich auf diese Fantasie überfokussieren. Man weiß ja auch, dass Menschen mit eigentlich völlig normalen Werten, diese Neigungen haben können. Kann mir doch keiner sagen, dass das ne richtige Sexualität, wie Homosexualität, sei. Das ist doch bestimmt abtrainierbar oder?
PS ich hab’s nicht, aber es interessiert mich sehr

Unsere Antwort

Wir sprechen von pädophilen "Anziehungscodes". Ein Anziehungscode ist ein Sinnesreiz, eine Eigenschaft oder Bedeutung auf genitaler oder emotionaler Ebene, der als sexuell erregend erlebt wird und für die sexuelle Erregung gebraucht wird.

Die meisten Menschen mit pädophilen Anziehungscodes würden nie Sex mit Kindern haben. Umgekehrt: Wenn Erwachsene Kinder sexuell missbrauchen, kann es auch sein, dass sie keine pädophilen Anziehungscodes haben, sondern dass sie zum Beispiel Machtmotive, antisoziale oder sadistische Motive haben. Auch wenn sie pädophile Anziehungscodes haben, braucht es zusätzlich diese Motive, damit sie Kindern so schaden und sie so quälen können.

Anziehungscodes sind nicht angeboren, sondern gelernt. Und so sind auch pädophile Anziehungscodes nicht angeboren, sondern gelernt. Der Keim wird oft durch Zufall gelegt, oft in emotional erregenden Situationen. Man sieht/erlebt/spürt etwas Aufwühlendes, Aufregendes – und damit verbunden manchmal auch sexuell Erregendes. Das kann ganz einfach der Anblick eines Kindes in einer bestimmten Situation sein. Dann – manchmal Jahre später – fällt es einem beim Solosex ein. Das kann daran liegen, dass man beim Solosex in einem ähnlich aktivierten und oft sehr angespannten Körperzustand ist. Der Körper erinnert sich dann an das, was man erlebte. Und so beginnt man, beim Solosex daran zu denken. Und mit jeder Wiederholung verfestigt sich die Verbindung dieses Erinnerten und der sexuellen Erregung. Lies dazu bitte auch unseren Text über sexuelle Fantasien

Die gute Nachricht ist: Eine Person mit pädophilen Anziehungscodes kann lernen, erwachsene Menschen sexuell anziehend(er) zu finden. Je interessanter dann die sexuellen Fantasien und Erlebnisse mit erwachsenen Menschen werden, desto unwichtiger werden die Fantasien mit Kindern. Von "abtrainieren" würde ich nicht reden, eher von "vergessen". 

Auch wenn es bei Pädophilie um rein sexuelle Anziehung geht, ist diese in der Regel mit starkem emotionalen Erleben verbunden. Emotionale Faktoren spielen hier bei der sexuellen Erregung also eine grosse Rolle. Hier geht sehr oft um den Kick des Verbotenen: In den Fantasien kommt es vielleicht zu verbotenen sexuellen Handlungen mit Kindern. Und schon allein die Tatsache, dass man an ein Kind als sexuelle Erregungsquelle denkt, verbindet man innerlich mit Verboten. Da baut sich emotionale – und damit auch körperliche – Spannung auf. Wenn es um den Konsum illegaler Pornos geht, ist das natürlich umso mehr der Fall, denn man begeht dann eine Straftat.

Du hast Recht, wenn du vermutest, dass Körperspannung eine grosse Rolle spielt, und dass diese mit einer verminderten Wahnehmung des Körpers eingeht, was wiederum den emotionalen Kick wichtiger macht. Wenn eine Person mit pädophilen Anziehungscodes in die Sexualtherapie kommt, hilft es ihr in der Regel sehr, wenn sie lernt, ihr Geschlecht und ihren Körper in der sexuellen Erregung stärker und intensiver zu erleben, so dass die Intensität nicht durch den emotionalen Kick, sondern vielmehr durch das körperliche Erleben angefeuert werden kann. Und dafür spielt es eine grosse Rolle, dass sie aus der hohen Körperspannung in die Bewegung gehen.

Diese Arbeit an der Sexualität fördert die sexuelle Selbstsicherheit, und diese unterstützt einerseits dabei, beim Sex mehr Lust auf gleichaltrige und gleichwertige Menschen zu haben und sich diesen Sex zuzutrauen. Ausserdem unterstützt Selbstsicherheit respektvolles Verhalten anderen Gegenüber.

Wenn eine Person Sexualstraftaten begeht, reicht die Sexualtherapie aber nicht. Hier braucht es auch eine Psychotherapie – oft sind Traumafolgestörungen oder Persönlichkeitsstörungen oder beides im Spiel. Aber auch hier würde ich nicht sagen, dass das straffällige Verhalten unumkehrbar ist. Es gibt viele Sexualstraftäter*innen, die dank der geeigneten Therapie nicht rückfällig werden. 

Falls jemand diese Antwort liest und sich in irgend einer dieser Abschnitte wiedererkennt – lies doch mal diesen Text.

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