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Ich komme mit meinen Gefühlen nicht klar – was tun?

Jeder Mensch hat auch unangenehme Gefühle. Wut, Angst, Trauer, Scham, Ekel usw. Vielleicht möchtest du diese Gefühle nicht haben. Du wehrst sie vielleicht ab, du verdrängst sie, du überspielst sie oder spaltest sie ab. Wir erklären dir, warum dich das nicht weiterbringt, und warum du alle Gefühle zulassen solltest.

Warum sollte ich unangenehme Gefühle zulassen?

Gefühle sind menschlich. Sie sind wichtige Wegweiser. Sie zeigen uns, wie es uns geht und was wir wollen und brauchen. Angst, Wut, Scham, Ekel, Traurigkeit, Einsamkeit, Verzweiflung: Solche unangenehmen Gefühlszustände zeigen uns, dass etwas nicht stimmt, und dass wir etwas tun sollten, um unsere Lage zu verbessern. Lies bitte diesen Text darüber.

Wenn du diese Gefühle nicht zulässt und abwertest, nimmst du dich nicht ernst. Du sorgst nicht gut für dich. Du lernst auch nicht, mit ihnen klar zu kommen. Sondern du bist ihnen ausgesetzt, wenn sie sich immer wieder melden. Du lernst auch nicht so gut, mit anderen Menschen und ihren Gefühlen umzugehen. Es ist also sehr wichtig, dass du sie zulässt und ernst nimmst.

Warum fällt mir der Umgang mit Gefühlen schwer?

Wenn es dir schwerfällt, Gefühle zuzulassen oder zu zeigen, liegt das an deiner "Gefühlslerngeschichte". Du hast möglicherweise schon als Kind schlechte Erfahrungen damit gemacht, wenn du irgendwelche Gefühle gehabt oder gezeigt hast. Lies dazu bitte auch diesen Text über versteckte Gewalt in der Familie. Statt dass man dich getröstet hat, wenn es dir schlecht ging, hat man dich vielleicht niedergemacht. Oder man hat deinen Gefühlszustand ausgenutzt. Oder man hat dir absichtlich schlimme Gefühle zugeführt.

In so einem Umfeld musstest du allein lernen, irgendwie mit deinen Gefühlen klar zu kommen. Da hast du wahrscheinlich Methoden gefunden, die zwar kurzfristig machten, dass es besser ging. Diese stehen dir aber jetzt vielleicht im Weg. Wir schreiben hier über solche Methoden, Gefühle wegzumachen: Verdrängen, Abwehren, Abspalten, Abstumpfen, Überspielen und Umwandeln. Wir erklären dir, warum sie auf die Dauer schädlich sind.

Warum ist Verdrängen so schädlich?

Gefühle verdrängen ist eine Methode, sie weniger zu spüren. Wie verdrängt man Gefühle? Vielleicht lenkst du dich ab, indem du irgend etwas tust, was dich auf andere Gedanken bringt – zum Beispiel klickst du dich auf deinem Smartphone stundenlang durch alles Mögliche durch. Das ist an sich nicht schädlich. Aber so vermeidest du vielleicht Wichtiges, das du tun solltest.

Vielleicht sorgst du auch dafür, dass du ständig was um die Ohren hast. Es kann sein, dass du deshalb ziemlich im Stress bist. Aber so weichst du der Ruhe aus. Ruhe kann beängstigend sein, denn da könnte ja was hochkommen. Vielleicht sorgst du deshalb auch dafür, dass du nie allein mit dir selbst bist.

Hier sind noch ein paar wirklich schädliche Verdrängungsmethoden: Du betrinkst dich, um dich zu lockern oder zu beduseln. Du nimmst Drogen, um die Gefühle weg zu machen. Du isst zuviel, um dich zu trösten. Du isst zuwenig, um gefühlskalter zu werden. All das kann kurzfristig helfen, aber auf die Dauer nicht. Im Gegenteil: Du kannst abhängig werden von dieser Verdrängungsmethode und immer mehr davon brauchen. Denn Gefühle lassen sich nicht einfach so verdrängen. Sie melden sich, und in der Regel immer stärker.

Warum ist Abwehr ein Teufelskreis?

Wenn du unangenehme Gefühle abwehrst, kann es sein, dass du in eine ziemliche Spannung reinkommst. Denn Abwehr geht immer mit Spannung einher. Wenn ein Gefühl hochkommt, sagst du dir vielleicht: "Reiss dich zusammen". Überleg dir mal, was "zusammenreissen" heisst. Da spannt man sich buchstäblich an. Körperlich. Diese Spannung kann dann immer grösser werden.

Dummerweise melden sich in so einer Körperspannung eher unangenehme Gefühle, denn dein System wähnt sich jetzt in Gefahr. Das heisst: Wenn vorher Wut oder Angst da waren, werden sie jetzt stärker. Du wehrst sie noch mehr ab und kommst in noch grössere Spannung. Das ist ein richtiger Teufelskreis.

Die Spannung kann so gross werden, dass du sie nur noch schlecht aushältst. Vielleicht löst sie sich nur, indem du erbrichst, dich ritzt oder sonst irgendwie verletzt. Vielleicht baust du sie auch mit stundenlangem Gamen oder mit Alkohol oder Drogen, stundenlangem Sport oder exzessiver Selbstbefriedigung ab. Oder vielleicht explodierst du auch und gehst auf andere los.

Was, wenn ich ein Gefühl nicht fühle?

Es kann sein, dass du ein Gefühl gar nicht verdrängen oder abwehren musst, weil du es einfach wirklich nicht fühlst. Du hast keinen Zugang zu ihm. Das kann passieren, wenn du immer wieder extreme, schlimme Dinge erlebt hast. In der Regel geht es um Dinge, die in der Kindheit passiert sind. Da wurde zum Beispiel immer grosse Angst geschürt, und niemand hat dich getröstet. Oder du wurdest ganz schlimm bestraft, wenn du deine Wut gezeigt hast.

Du hast dann möglicherweise gelernt, deine Wut oder deine Angst "abzuspalten". Das bedeutet, da ist ein verborgener Teil von dir, der das ganze schlimme Gefühl in sich trägt, der diesen ganzen Gefühlszustand vereint. Man spricht dann auch von Dissoziation. Du hast keinen Zugang zu diesem Teil. Möglicherweise meldet er sich aber irgendwann, Jahre oder Jahrzehnte später, und die schlimmen Gefühlszustände übermannen dich. Man spricht dann von einem Flashback. Mehr darüber liest du in diesem Text.

Warum bin ich so abgestumpft?

Vielleicht lassen dich bestimmte Dinge einfach kalt. Zum Beispiel macht dich jemand vielleicht aufs übelste fertig. Andere sagen, dass du das nicht mit dir geschehen lassen solltest. Aber du findest das auf eine seltsame Weise "normal". Dann schau mal in deine Vergangenheit. Wenn du als Kind immer wieder offensichtliche oder versteckte Gewalt erlebt hast, wurde das "normal". Mama hat mit Selbstmord gedroht? Das war Alltag. Papa hat dich verprügelt? Klar, jeden Freitag. Das war Routine. Die Eltern schrien sich jeden Abend an? Ja, das gehörte halt dazu.

Wer so etwas zum ersten Mal erlebt, erlebt dabei ganz schlimme Gefühle – Angst, Wut, Verzweiflung – auch Ekel. Denn eigentlich ist das alles ekelerregend. Aber die Ekelreaktion stumpfte irgendwann mal ab. Du musstest in diesem Elternhaus ja überleben. Da musstest du das, was du erlebt hattest, irgendwie normalisieren. Mehr über solche Überlebensstrategien liest du in diesem Text.

Ich kenne nur Wut – warum?

Bild von einem unzufrieden aussehenden Mädchen. Zwei Sprechblasen, in denen steht: "Manche Menschen versuchen Gefühle wie Angst, Trauer, Scham, Unsicherheit oder Selbstzweifel zu vermeiden, weil sie sich dann machtlos fühlen würden." Und: "Um sich wieder mächtiger zu fühlen machen sie dann vielleicht andere fertig, schlagen, beschämen oder verspotten sie. Das schafft aber auf Dauer nur Probleme."

Wenn du nur Wut empfindest, kann das daran liegen, dass du andere Gefühle nicht zulässt. Vielleicht fällt es dir schwer, Gefühlszustände zu spüren und zu zeigen, bei denen du dich eher schwach fühlst – zum Beispiel Angst, Trauer, Scham, Unsicherheit und Selbstzweifel. Vielleicht fühlst du dich bei diesen Gefühlen machtlos.

Wut ist dagegen ein Gefühl, wo du dich stärker fühlst. Du überspielst die schwachen Gefühle mit Wut. Oder sie kippen buchstäblich in Wut um. Statt zu trauern, wirst du wütend. Statt dich zu schämen, wirst du wütend. Statt Angst zu empfinden, wirst du wütend. Es kann sein, dass du dann auf andere wütend wirst und auf sie losgehst. Das fühlst du dich stärker als bei dem machtlosen Gefühl davor. Aber logischerweise schaffst du dir damit auf die Dauer nur Probleme.

Was, wenn ich ganz gefühlsleer bin?

Manchmal geht gar nichts mehr. Innerlich fühlt es sich leer und gleichgültig an. Das kann in einem Augenblick so sein, und dann, ein paar Minuten oder Stunden später, ist es wieder besser. Das kennen wohl die meisten Menschen. Es kann sein, dass es jetzt einfach "zuviel" war, und dein System schützt dich vor Gefühlen.

Etwas anderes ist es, wenn dieser Zustand über lange Zeit bestehen bleibt. Das ist zum Beispiel so, wenn du eine Depression hast. Du kannst davon ausgehen, dass in der Leere etwas ist. Aber aus irgend einem Grund darf das jetzt nicht sein. Hier ist psychotherapeutische Unterstützung sehr sinnvoll.

Wie lerne ich meine Gefühle kennen?

Überschrift: Vermeidest du deine Gefühle? Text: Es kann sein, dass du Gefühle wie Angst, Wut, Trauer oder Scham hast, aber sie gar nicht richtig wahrnimmst. Überleg dir, in welchen Momenten du solche Gefühle haben könntest, und was du tust, damit du sie dann nicht wahrnimmst.  Darunter verschiedene kleine Kästchen, in denen steht: Lenkst du dich mit etwas ab? Nimmst du Drogen? Erzählst du einen Witz? Betrinkst du dich? Provozierst du jemanden? Spielst du Computerspiele? Isst du? Schaltest du den Fernseher ein?

Vielleicht merkst du, dass es das eine oder andere Gefühl gibt, das du bei dir nicht so gut kennst. Du kannst davon ausgehen, dass du dieses Gefühl auch irgendwo in dir hast – du bist schliesslich ein Mensch. Überleg dir, wie du es schaffst, diesem Gefühl aus dem Weg zu gehen. Wie vermeidest du es? Wie lenkst du dich ab? Wie überspielst du es? Wie wehrst du es ab?

Was sagt mir der Körper?

Gefühle zeigen sich immer auch irgendwie im Körper. Es kann sein, dass du ein Gefühl nicht kennst, aber du kennst einen Körperzustand. Es kann zum Beispiel sein, dass du nicht so klar erkennst, ob du Angst hast. Aber du kriegst vor einer Prüfung immer Bauchweh. Da zieht sich der Magen zusammen, und dein autonomes Nervensystem reagiert auf die Gefahr mit Übelkeit.

Überleg dir, was für unangenehme Körperzustände du kennst, die mit keinen Krankheiten verbunden sind. Viele Schmerzen hängen zum Beispiell mit einer Dauerspannung zusammen. Und diese Spannung kann damit zusammenhängen, dass du dich zusammenreisst oder zurücknimmst.

Wie lerne ich mit meinen Gefühlen umgehen?

Wir haben dazu verschiedene Texte mit Tipps geschrieben. Lies darüber nach…

Wenn du mit deinen Gefühlen auch bei allen Tipps nicht klar kommst, dann hat das wahrscheinlich eine längere Geschichte. Es macht sehr viel Sinn, dem nachzugehen. Dazu empfehlen wir dir diesen Text.

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