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Was tun bei sexuellen Problemen durch Medikamente?

Es gibt einige Medikamente, deren Nebenwirkungen sich auf deine Sexualität auswirken können. Lies hier, warum das so ist, und wie du besser mit Nebenwirkungen umgehen und deine Sexualität stärken kannst.

Was sind Nebenwirkungen?

Medikamente beeinflussen deinen Körper und deinen Kopf. Sie sind chemisch so zusammengesetzt, dass sie irgend ein körperliches oder psychisches Problem positiv beeinflussen können. Aber sie können natürlich auch andere Dinge in dir beeinflussen. Wichtig ist: sie können. Das Interessante an Nebenwirkungen ist, dass nicht alle sie haben, und dass manche mehr Nebenwirkungen spüren als andere, und dass verschiedene Menschen ganz verschiedene Nebenwirkungen erleben können.

Wenn du im Internet nach sexuellen Störungen nach der Einnahme bestimmter Medikamente suchst, liest du vielleicht Dinge, die dich verunsichern. Denn viele dieser Beiträge berücksichtigen nicht, was du tun kannst, um dein Problem zu verbessern oder zu beheben. Da kannst du doch einiges tun. Zum einen hilft es, wenn du verstehst, wie es überhaupt zu Nebenwirkungen kommt.

Warum haben nicht alle Menschen die gleichen Nebenwirkungen?

Jeder Körper, jedes menschliche System ist anders. Darum sind die Wirkung und die Nebenwirkungen eines Medikaments bei jedem Menschen anders. Hinzu kommt der Glaube an Wirkung oder Nebenwirkungen: Wenn du also Angst davor hast, dass das Medikament deine Sexualität negativ beeinflusst, kann das wirklich eine negative Auswirkung auf deine Sexualität haben. Man nennt das auch den "Nocebo-Effekt". Das lateinische Wort "nocere" heisst "schaden". Der Nocebo-Effekt funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie der Placebo-Effekt (von lateinisch "placere"="gefallen): Schon der Glaube an eine Wirkung ein eines Medikaments oder eine Behandlung kann machen, dass es dir besser geht.

Bei Medikamentenstudien gibt man der einen Gruppe von Teilnehmenden das richtige Medikament, in einer anderen Gruppe irgend eine Pille ohne Wirkstoff. Man vergleicht dann die Wirkungen und die Nebenwirkungen in den zwei Gruppen. Wenn in der Gruppe, die das richtige Medikament gekriegt hat, eine Wirkung oder Nebenwirkung signifikant öfter berichtet wird als in der anderen Gruppe, weiss man, dass das nicht nur der Placebo oder Nocebo-Effekt war.

Placebo und Nocebo – alles nur Einbildung?

Sowohl Placebo wie auch Nocebo sind nicht Einbildung: In deinem Körper können durch diesen Glauben tatsächlich Veränderungen passieren. Dazu gibt es viele interessante Studien und Literatur. Wenn dich das mehr interessiert, kannst du das ja mal googlen.

Was sind mögliche Nebenwirkungen beim Sex?

Vielleicht bist du irritiert, weil es auf einmal anders ist als gewöhnt: Es dauert vielleicht länger, bis du in Fahrt kommst. Du erlebst die sexuelle Erregung womöglich gedämpft oder du spürst weniger intensiv als sonst. Es braucht vielleicht mehr Stimulation bis du sexuell erregt bist, oder bis du einen Orgasmus hast. Oder du hast insgesamt weniger Lust auf Sex. Das heisst nicht, dass bei dir sexuell gar nichts mehr geht. Du hast nun einfach eine andere Ausgangslage als sonst. Falls du Antidepressiva nimmst, lies dazu bitte auch diesen Infotext.

Es gibt übrigens auch "positive" Nebenwirkungen. Manche Medikamente können zum Beispiel deine Libido erhöhen oder machen, dass du mehr sexuelles Begehren hast.

Und dann gibt es "negative" Nebenwirkungen, die die einen stören, die anderen begrüssen: Wenn ein Mann zum Beispiel das Problem hat, dass er zu schnell einen Samenerguss hat, begrüsst er vielleicht, dass es jetzt mit dem Medikament etwas länger dauert. Eine andere Person begrüsst vielleicht, dass ihre Klitoris jetzt nicht mehr sooo empfindlich ist.

Wie weiss ich, ob mein Problem eine Nebenwirkung ist?

Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Es gibt ja bei jedem Medikament einen Beipackzettel. Da steht allerlei, das die Herstellerfirma zur rechtlichen Absicherung draufschreiben muss – auch wenn das Nebenwirkungen sind, die kaum je auftreten. Schon das Lesen einer Nebenwirkung kann machen, dass du beängstigt darauf achtest, ob sie eintritt. Und prompt spürst du etwas. Das ist eben der Nocebo-Effekt.

Lass dich daher möglichst nicht beirren von der Liste möglicher Nebenwirkungen. Denk dran: Nebenwirkungen können auftreten, müssen aber nicht. Wenn du ein sexuelles Problem hast, frag dich, ob es wirklich erst jetzt angefangen hat. Wie war der Sex vorher? Deine Sexualität kann auch durch ein körperliches oder psychisches Problem beeinflusst sein. Oder sie stand vorher schon auf wackligen Beinen und ist ganz leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Am besten fährst du, wenn du dir folgendes überlegst: Es kann sein, dass dein Medikament irgendwelche Nebenwirkungen hat. Aber du kannst sie zumindest teilweise mit deinen Gedanken beeinflussen. Grundsätzlich hilft dir die Einstellung; "Dieses Medikament ist gut für mich und macht, dass es mir besser geht. Davon wird auf die Dauer auch mein sexuelles Erleben profitieren".

Wie spreche ich über Nebenwirkungen?

Viele Ärzt*innen fragen nicht von sich aus nach deiner Sexualität. Darum: Bitte sprich mögliche Nebenwirkungen von dir aus an, auch wenn du nicht gefragt wirst. Du leistest damit einen wichtigen Beitrag für deine sexuelle Gesundheit. Du solltest mit der Fachperson besprechen, ob deine sexuellen Probleme begonnen haben, als du mit dem Medikament begonnen hast. Ihr könnt miteinander besprechen, ob das eine mögliche Nebenwirkung des Medikamentes ist. Und natürlich solltet ihr besprechen, was ihr tun könnt, um das Problem zu verbessern oder ganz zu lösen.

Wenn du findest, dass die ärztliche Fachperson dein Anliegen nicht ernst nimmst, raten wir dir, bei einer anderen Fachperson eine Zweitmeinung einzuholen und/oder zu einer anderen Fachperson zu wechseln.

Kann ich das Medikament absetzen oder wechseln?

Wenn das sexuelle Problem klar mit der Einnahme des Medikaments zusammenhängt, bessert es sich normalerweise, wenn du weniger davon nimmst oder wenn du auf ein anderes Medikament wechselst. Bei manchen Medikamenten ist es möglich, sie zwischendurch abzusetzen. Diese Einnahmepause nennen Fachpersonen auch «Drug Holiday». Das ist Englisch für «Urlaub vom Medikament». Über diese Möglichkeiten kannst du mit deinem*r Ärzt*in sprechen.

Wichtig: Setze das Medikament  nur ab, wenn du das mit deinem*r Ärzt*in besprochen hast. Nicht alle Medikamente kannst du einfach so absetzen oder pausieren. Es kann sein, dass sie dann nicht mehr richtig wirken, oder du spürst durch den Wechsel mehr Nebenwirkungen. Besprich mit der Fachperson auch den möglichen Wechsel auf ein neues Medikament oder die Kombination mit einem anderen Medikament, das sich förderlich auf die Sexualität auswirken kann.

Was, wenn ein Wechsel oder das Absetzen nicht möglich ist?

Wir empfehlen dir folgende Haltung: Deine Sexualität ist immer noch da. Sie ist jetzt anders. Du spürst anders, du erlebst die sexuelle Erregung anders, du brauchst länger oder mehr Stimulation, die Lust ist nicht so intensiv. Aber deine Sexualität ist immer noch da. Verzweifle nicht daran, dass es nicht mehr so ist wie vorher, dass du nicht mehr so viel spürst, keine Lust mehr hast, die Erregung weg ist. Sie ist nicht ganz weg. Du bist immer noch ein sexueller Mensch. Aber du erlebst sie jetzt vielleicht auf Sparflamme. Da ist es wichtig, sich über jedes kleine Gefühl und jedes kleine Fünkchen zu freuen. Statt dem nachzutrauern, was nicht mehr ist, kannst du etwas neues aufbauen.

Wir empfehlen dir daher, dass du nicht einfach wartest, bis du das Medikament allenfalls nicht mehr nehmen musst. Wir empfehlen dir, dass du dich auf eine Entdeckungsreise machst. Nimm dir Zeit zum Erforschen, Ausprobieren und Üben. Jeder Mensch kann durch Übung lernen, eine bessere, befriedigende Sexualität zu haben – egal wie alt du bist, oder welche Grenzen dir dein Körper setzt.

Eine Frau in Unterwäsche steht mit nach oben gespreizten Armen vor hellblauem Hintergrund. Aus ihrem Kopf und ihren Armen wachsen Äste und Blätter. Aus ihren Füssen wachsen Wurzeln.

Warum zeigt ihr hier das Bild eines Baumes?

Egal welches Medikament du nimmst, und egal warum du es nimmst: Stell dir vor, deine Sexualität ist wie ein Baum. Je kräftiger und voller dieser Baum ist, desto weniger wird er sich aus dem Gleichgewicht bringen lassen. Bei vielen von uns ist dieser Baum wacklig. Sobald irgend ein Sturm kommt, kommt er ins Wackeln oder kippt vielleicht um. Ein Sturm, das ist zum Beispiel ein körperliches oder psychisches Problem, oder das kann die Erfahrung mit einem Medikament sein. Auch wenn das bei dir vielleicht schon passiert ist, du kannst trotzdem etwas tun, um deinen "Sexualitäts-Baum" zu stärken. Wir geben dir hier einige Tipps.

Wie gehe ich mit meinen Erwartungen um?

Stell dir deine sexuelle Erregung wie einen Ferrari vor, der durch eine Landschaft prescht. Die Landschaft erscheint dir eher langweilig; das Ziel ist der Orgasmus. Viele von uns sind beim Sex mit einem Ferrari unterwegs. Und dann kommt ein Medikament, und der Motor funktioniert nicht mehr so gut. Jetzt kannst du entweder frustriert sein, weils nicht mehr so schnell und geölt geht – oder du kannst das beste daraus machen und anfangen, die Landschaft zu betrachten. Wenn du genau hinschaust, lernst du allmählich, sie immer mehr zu schätzen. Und irgendwann mal ist dein Ziel – also der Orgasmus – nicht mehr so wichtig.

Übersetzt auf die Sexualität heisst das: Konzentrier dich nicht auf das, was nicht ist, sondern auf das, was ist. Und sei das noch so wenig oder nichtssagend. Durch eine offene Haltung schärfst du deine Wahrnehmung für das, was ist: angenehme Gefühle, leichte Erregung, nettes Prickeln, entspanntes Loslassen. Wir empfehlen dir also: Akzeptiere das, was jetzt ist. Mit dieser offenen, entspannten Haltung wird wieder mehr sexuelle Lust und Erregung möglich. Die offene Haltung ist ein wichtiger Baustein zur Stärkung deiner Sexualität. Wir empfehlen dir unsere Tipps zur Selbstbefriedigung für Frauen und für Männer.

Wie vermeide ich eine Angst-Frust-Spirale?

Stell dir vor, eine Person nimmt ein Medikament und ist verunsichert, dass sie sich nicht mehr so gut oder schnell sexuell erregen kann. Diese Verunsicherung beeinflusst ihre sexuelle Erregung negativ: Die Person spannt sich eher an, sie hat negative Gedanken. Sie ist im Stress. Logisch, dass es dann noch weniger funktioniert. Dadurch hat sie noch mehr Stress… Und es funktioniert noch weniger. Ein Teufelskreis. Wichtig ist dabei aber: Der Körper reagiert auf völlig logische Weise in diesen Umständen. Hier gilt also das ganz besonders, was wir im vorherigen Abschnitt geschrieben haben: Hab eine freundliche Haltung zu deinem Körper und deiner Sexualität. Du und dein Körper braucht jetzt eigentlich viel Zuwendung. Für Männer mit Erektionsproblemen empfehlen wir auch diesen Text.

Welche Rolle spielt meine Erregungstechnik?

Die meisten von uns haben gelernt, uns auf irgend eine Weise sexuell zu erregen. Wir haben eine ganz bestimmte Technik gelernt. Diese Technik hat Stärken und Grenzen. Bitte lies dazu unbedingt auch diesen Text und die Texte, auf die er verlinkt. Welche Technik hast du für dich gelernt? Oder welche Techniken? Funktionierts bei dir mit Anspannung oder mit Bewegung? Mit Reibung oder Druck oder Vibration? Mit Konzentration auf bestimmte Körperstellen oder auf grössere Körperflächen? Mit Bildern oder Fantasien? Eine Faustregel: Je mehr Unterschiedliches du gelernt hast, je mehr von deinem Körper du dabei einbeziehst, und je mehr du in Bewegung bist, desto mehr spürst du. Denn du beziehst grössere Flächen in die sexuelle Erregung ein, und die Durchblutung ist besser. Das ist ein weiterer wichtiger Baustein zur Stärkung deiner Sexualität.

Wie mache ich meine Sexualität stärker und stabiler?

Zum einen geht es also darum, dass du das entdeckst, was ist, statt dem nachzutrauern, was nicht ist. Zum anderen kannst du deine Erregungstechnik erweitern. Du brauchst dazu eine offene Haltung und etwas Zeit zum Üben. Denn beim Sex lernen wir, wie überall, nur durch Wiederholungen. Also durch Üben. Lies dazu bitte diesen Text. Wir haben auf dieser Website zahlreiche Texte mit Übungstipps geschrieben. Schau dir zum Beispiel mal die Kapitel Sextipps und Übungen für Alle, Sextipps und Übungen für Frauen, Sextipps und Übungen für Männer an. Vielleicht interessieren dich auch die Kapitel Zu viel oder zu wenig Lust auf Sex, Ich komme nicht (immer) zum Orgasmus, Beschwerden der Vulva und Vagina beim Geschlechtsverkehr und Erektionsprobleme: Tipps für Männer und Paare.

Was ist, wenn ich allein nicht weiter komme?

Wenn du irgendwo anstehst, schreib uns im Fragefenster. Wir können dir gezieltere Tipps geben. Wir möchten dir auch die Bücher Klappt's - Ein Übungsbuch für Männer und Coming Soon - Orgasmus ist Übungssache unserer Kolleg*innen Michael Sztenc und Dania Schiftan empfehlen. Aus der Praxis wissen wir: In den meisten Fällen hilft eine gute Sexualberatung oder Sexualtherapie. Hier bei Lilli findest du viele Übungen nach dem sexualtherapeutischen Ansatz des Sexocorporel. Fachpersonen, die nach diesem Ansatz arbeiten, können dich gezielt dabei unterstützen, die körperliche Basis deines "Sexualitäts-Baums" zu stärken und stabilisieren, so dass Medikamente, Erkrankungen oder körperliche Veränderungen die Sexualität nicht mehr so beeinflussen. Schau doch mal in unsere Adressen und Links für eine Sexualberatung oder Sexualtherapie.