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Sex schön gestalten bei Spastik

Du und dein*e Partner*in können mit Spastik schönen Sex haben. Es gibt ein paar Dinge, die es leichter machen.

Was ist eine Spastik?

Körper können gross, klein, dick, dünn, sehr beweglich oder eher unbeweglich sein. Einige Körper haben Verletzungen oder Krankheiten erfahren und tragen bis heute grosse oder kleine Spuren davon. Eine solche Spur ist eine Spastik.

Spastik bedeutet, dass die Muskeln in bestimmten Körperteilen, wie den Armen, Beinen oder dem Rücken, zu fest sind und sich manchmal unkontrolliert zusammenziehen. Das kann dazu führen, dass man sich steif anfühlt, Krämpfe hat oder sich nicht gut bewegen kann. Diese Zustände werden oft als Spastik, Spasmen oder Spastizität bezeichnet. Es gibt aber auch die schlaffe Lähmung. Hier sind die Muskeln zu schlaff und man hat wenig bis gar keine Kraft in ihnen. Das kann das Halten oder Bewegen von Dingen schwer machen. Spastik und schlaffe Lähmung können das Leben manchmal schwierig machen. Aber vieles ist mit den richtigen Hilfsmitteln möglich.

Woher kommt eine Spastik?

Eine Spastik kann bei verschiedenen Menschen nach einer Krankheit nach einem Unfall oder schon seit Geburt auftreten. Bei diesen Körpern funktioniert das „zentrale Nervensystem“ etwas anders. Das zentrale Nervensystem sagt dem Körper zum Beispiel, wie er sich bewegen soll. Bei einer Person mit Spastik kommen Botschaften in den Muskeln an, die dazu führen, dass sie sich viel stärker anspannen oder dauerhaft anspannen als für diese Bewegung notwendig.

Eine Spastik kann zum Beispiel bei Menschen mit Rückenmarksverletzungen, Multipler Sklerose, Schlaganfall oder zerebraler Lähmung vorkommen.

Kann ich Krämpfe beeinflussen?

Eine Spastik ist nichts Seltsames oder Falsches an dir. Es sind Muskelkrämpfe, die durch verschiedene Krankheiten oder Verletzungen ausgelöst werden können. Manchmal kommen sie einfach so, und das ist okay. Denk an sie wie an eine besondere Eigenheit deines Körpers.

Ein paar Dinge könnten wichtig sein, damit du Krämpfe beeinflussen und deinem Körper helfen kannst:

  • Die Temperatur: Bei Wärme können Muskeln sich oft besser entspannen. Probiere es mal aus und nehme ein warmes Bad oder nutze eine Wärmflasche. Beobachte, wie dein Körper sich bei kalter oder warmer Temperatur anfühlt. Vielleicht merkst du einen Unterschied.
  • Die Geschwindigkeit: Langsam bewegen hilft manchmal, die Krämpfe zu verringern.
  • Die Belastung: Gönne dir Pausen und Ruhe, denn wenn der Körper gestresst oder müde ist, können Krämpfe schneller auftreten.
  • Die Position: Du kannst dich zum Beispiel anders hinlegen oder anders hinstellen.
  • Die Atmung: Sie hilft deinen Körper zu beruhigen. Lies dazu gerne unseren Text zum Bauchatmen.
  • Die Anspannung: Du kannst durch eine Massage die Muskeln unterstützen, locker zu lassen. Das kann auch jemand für dich machen.
  • Manchmal ist es auch gut, in den Krampf "hineinzugehen". Also nicht dagegen zu kämpfen, sondern kurz mitzumachen. Das kann helfen.

Das sind ein paar Beispiele. Vielleicht entdeckst du noch mehr, was deinem Körper hilft. Du kannst lernen, was dein Körper braucht, und wie du ihm helfen kannst.

Wie kann ich zu gutem Sex kommen?

Wahrscheinlich bist du schon in guten Händen, zum Beispiel bei Physiotherapeut*innen, die dir mehr über deinen Körper und die Spastik beibringen können und dich mit gezielten Übungen unterstützen. Du kannst auch von dir aus ansprechen, bei was du Unterstützung brauchst, um deine Sexualität leben zu können. Möglicherweise kannst du auch eine Sexualtherapie bei einer Person machen, die sich mit Körperbehinderungen auskennt oder bereit ist, dich als Expert*in für deinen Körper mit ihrem Spezialwissen im Bereich Sexualität zu begleiten. Schildere einfach bei der Anmeldung, was dein Anliegen ist. Wenn du auf bestimmte Kenntnisse wert legst, frag danach.

Hier sind noch einige Tipps, die dir für den Sex helfen können:

Warum ist Selbstbefriedigung gut?

Solo-Sex – also wenn du Selbstbefriedigung machst – ist aus verschiedenen Gründen gut:

  • Solo-Sex kann dir dabei helfen, dich mit deinem Körper wohlzufühlen und eine bessere Beziehung zu ihm aufzubauen.
  • Du lernst dich kennen. Bei Spastik können manche Bewegungen oder Berührungen anders oder intensiver empfunden werden. Sei geduldig und probiere aus, was sich gut anfühlt und wie dein Körper darauf reagiert.
  • Bei Spastik kann Solo-Sex auch eine Form der Entspannung sein.
  • Du kannst beim Solo-Sex ausprobieren, wann und wie die Spastik kommt, und was dir hilft, sie zu reduzieren.

Mehr Tipps zum Solosex findest du in diesem Kapitel.

Welche Hilfsmittel kann ich nutzen?

Hilfsmittel wie zum Beispiel ein Vibrator mit verlängertem Griff oder spezielle Kissen und Keile können dir helfen, eine bequeme Position zu finden.

Es gibt eine umfangreiche Übersicht von einer kanadischen Universität über Hilfsmittel für den Sex bei verschiedenen körperlichen Einschränkungen. Sie liegt bisher nur auf Englisch vor. Selbst wenn du kein Englisch kannst, geben die Bilder Anregungen und die Bezeichnungen können dir dabei helfen, ähnliche Produkte im Internet zu finden und zu bestellen.

Spezielle Kissen, Keile und Möbel findest du unter den Suchbegriffen "Sexkissen", "Sexkeile", "Lendenkissen" oder "Sexmöbel".

Bei manchen Menschen muss vielleicht auch die Blase unkontrolliert loslassen. Wenn du Urin verlierst, ist das nicht schlimm. Du kannst ein wasserfestes Laken oder ein Handtuch nehmen.

Hilfe beim Ausziehen und Anziehen

Vielleicht brauchst du manchmal Hilfe beim Ausziehen und Anziehen. Zum Beispiel weil du und dein*e Partner*in Sex haben wollt. Oder wenn du Solo-Sex mit dir selbst haben willst.

  • Es ist Okay, nach Hilfe zu fragen. Vielleicht lebst du mit Assistenz und kannst deine Assistenz bitten, dir zu helfen. Auch dein*e Partner*in und du könnt euch gegenseitig ausziehen.
  • Es gibt auch Geräte die dir beim Anziehen und Ausziehen helfen können. Eine Übersicht über diese Hilfsmittel findest du auf dem Blog so-yes.com
  • Es gibt auch besondere Kleidung, die das Ausziehen leichter macht.

Probier einfach aus, was dir am besten passt.

Wie fühle ich mich attraktiv für andere?

Tu deinem Körper Gutes. Es ist gut, wenn du dich in deinem Körper wohl fühlst. Vielleicht magst du manche Teile von deinem Körper nicht. Denk an das, was du schön findest. Versuche auch das zu mögen, was vielleicht wegen einer Behinderung anders ist. Gönne deinem Körper Dinge, die sich angenehm anfühlen. Wenn du dich gut fühlst, dann können andere Menschen leichter sehen, dass du schön bist. Lies dazu gerne unseren Text zu Wie mach ich mich interessant, attraktiv, sexy und liebenswert? Falls du in keiner Partnerschaft bist: Du hast Chancen, Menschen für ein sexuelles Projekt mit dir zu gewinnen.

Was, wenn beim Sex die Spastik kommt?

Es kann dir Sicherheit geben, wenn du weisst, wann die Spastik in deinen Körper kommt. Kommt die Spastik, wenn du aufgeregt, nervös, gestresst oder ängstlich bist? Wenn du dich sehr freust oder jemand dich berührt? Wenn du sehr müde bist? Manche Leute erleben Spastik zu bestimmten Zeiten am Tag stärker als zu anderen. Dann könnt ihr den Sex entsprechend planen und euch vorfreuen.

Wenn die Spastik beim Sex kommt, verändere ein bisschen die Position. Oder lege dich auf deinen Rücken und dein Partner oder deine Partnerin setzt sich auf dich drauf. Das kann helfen. Du kannst auch um eine Massage bitten. Du kannst auch wie oben beschrieben die Krämpfe beeinflussen.

Du kannst vorsorgen, indem du eine bequeme Position findest. Kissen oder andere Hilfsmittel, wie zum Beispiel spezielle Keile oder Möbel können dabei helfen. Vielleicht ist die Löffelchenstellung gut, weil eine Person hinter der anderen liegt. Das ist gemütlich. Oder vielleicht ist es bequemer, im Sitzen Sex zu haben.

Spastik kann auch schön sein! Manchmal kann es helfen, sich besser zu bewegen. Oder es fühlt sich gut an, wenn die Muskeln sich anspannen. Manche Menschen probieren dann andere Sex-Stellungen aus.

Jeder Mensch ist anders, und du kannst verschiedene Sachen ausprobieren, um herauszufinden, was für dich gut ist.

Reden ist wichtig

Erzähle deinem Partner oder deiner Partnerin von der Spastik und was das für dich bedeutet. Sprich darüber, welche Vorbereitungen und Hilfsmittel sinnvoll sind. Sprich darüber, wann die Spastik kommt. Sprich darüber was du brauchst, wenn sie da ist.

Vielleicht denkst du, dass Planen langweilig ist. Aber das muss nicht so sein! Wenn du weisst, wann und wie es gut für dich ist, kannst du dich darauf freuen. Das kann schön sein! Du kannst dich vorbereiten und alles so machen, wie du es magst. Das Planen ist wie eine Vorbereitung, die alles noch besser machen kann.

Hab keine Angst vor Spastik. Es ist einfach etwas, das passieren kann. Sprich darüber, dann könnt ihr lernen, damit umzugehen, und es kann eure Beziehung sogar stärken. Denn Offenheit stärkt das Vertrauen in Beziehungen.

Ausprobieren und Zeit lassen

Es gibt nicht die eine richtige Methode, um mit Spastik umzugehen. Du kannst allein und mit Partner*innen üben und herausfinden, was am besten funktioniert und was gut für dich und euch ist. Ihr könnt darüber sprechen, wie ihr euch dabei fühlt. Seid geduldig. Es ist in Ordnung, wenn es Zeit braucht, um herauszufinden, was am besten ist.

Wieso gibt es diesen Text?

Lilli findet es wichtig, Menschen mit körperlichen Problemen nicht zu vergessen bei der sexuellen Aufklärung. Wir wollen für sie und ihre Partner*innen ebenfalls eine Anlaufstelle sein. Das ist für uns ein wichtiger Schritt für Inklusion. Bei Fragen, die hier noch nicht beantwortet wurden, nutze einfach unser Fragefenster. Du kannst uns dort auch Rückmeldung geben.